Der neue karriereführer hochschulen erscheint in wenigen Tagen als Plädoyer für weniger Angst und mehr Liebe in der Arbeitswelt. Warum wir unseren Job deshalb noch lange nicht lieben müssen, erklärt Alix Faßmann, Autorin und Mitbegründerin von Haus Bartleby, Zentrum für Karriereverweigerung. Die Fragen stellte André Boße.
karriereführer hochschulen
„Angst oder Liebe“ – Was uns antreibt.Mit: Thomas Sattelberger ♥ Erwin Wagenhofer ♥ André Stern ♥ Katrin Bauerfeind ♥ Stephan Grünewald ♥ Barbara Pachl-Eberhart ♥ Hubertus Meyer-Burckhardt
Demnächst an deinem Campus
Frau Faßmann, wie kann es passieren, dass uns die Arbeit Angst macht?
Arbeit ist Angst vor dem Zuspätkommen, vor dem Verpassen, vor der Armut, vor dem Ausgeschlossensein. Oder positiv formuliert: „Chancen, Chancen, Chancen!“
Und wir haben Angst, diese nicht zu nutzen.
Genau. Dabei hat alles Arbeit zu sein. Was nicht Arbeit ist, ist schlecht. Wer nicht arbeitet, säuft zumindest literweise Kaffee, damit er schneller an die Arbeit denken kann, die er jetzt gleich erledigen wird. An die Mails die checken muss oder zumindest – das kann doch nun wirklich erwartet werden! – die 30 Bewerbungen, die er pro Monat zu schreiben hat, wenn er keine Arbeit hat. Arbeit kommt mit Angst vor der Angst. Sie spielt mit dem guten Gefühl, etwas geschafft zu haben, etwas wert zu sein. Wer jedoch keine Arbeit hat, der ist nichts Wert.
Was muss denn geschehen, damit Arbeit mit Liebe geschehen kann?
Liebe ist schön, wird aber überbewertet.
Worum geht es dann?
Um konkrete Beteiligung! Wem gehört der Betrieb, für den ich arbeite? Wohin fließen etwaige Gewinne? Wer trifft die Entscheidungen? Was ist mit den vielen Menschen, die keine Arbeit haben? Und muss überhaupt jeder eine Arbeit machen, in der Art, wie wir sie heute noch definieren? Wem bezahle ich die Miete für ein einfaches Dach über dem Kopf? Ist das derzeitige Erbschaftsrecht noch zweckmäßig? Und wann haben wir endlich Demokratie und Freiheit auch in der Wirtschaft, die bislang fast völlig ohne diese beiden vielbeschworenen Konzepte stattfindet? Wenn wir nicht wollen, dass uns die Vorteile einer offenen Gesellschaft irgendwann verloren gehen, müssen wir diese Fragen aufwerfen.
Arbeit ist nicht unser Leben: Anleitung zur Karriereverweigerung, Bastei Lübbe 2014, ISBN: 978-3785761045, 12,99 Euro
Um doch noch einmal auf die Liebe zurückzukommen …
Tja, die Sehnsucht nach Liebe. Ein früherer Bundespräsident sagte einmal: „Nicht Deutschland liebe ich, sondern meine Frau!“ Dieser Satz ist zutreffend und schön. Denn die Liebe zu einer Sache ist zwar manchmal hilfreich, man nennt diesen Zustand dann Euphorie. Aber wenn wir uns in unfreien wirtschaftlichen Abhängigkeiten begegnen, dann ist die Liebe kein guter Ratgeber. Vielmehr scheint es mir so, dass fast alle Menschen sagen, sie liebten ihren Job, dieses jedoch um ihrer Karriere willen einfach behaupten – und auch wohl behaupten müssen. Und tun sie doch Dinge tun, die einfach hässlich sind. Eine ganz andere Haltung wäre es, wenn wir wirklich einmal nach den Prinzipien der Liebe leben und auch arbeiten würden: Wir sind hier zusammen drin – und eben nicht gegeneinander.