Die Unterschrift unter dem ersten Arbeitsvertrag ist eine spannende Angelegenheit. Der Fachanwalt Reinhart Kohlmorgen erklärt im Interview, was in Arbeitsverträgen stehen sollte und was zu tun ist, wenn man mit einigen Vertragsinhalten nicht einverstanden ist. Von Jürgen Bröker
Herr Kohlmorgen, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitsvertrag?
Ehrlich gesagt, nein. Ich denke, es war ein Vertrag per Handschlag.
Wie haben wir uns das vorzustellen?
Wir haben mündlich ein Gehalt vereinbart, und die Tätigkeit ergab sich aus der Natur der Sache. Ich bin ja nun einmal Rechtsanwalt. Und so bin ich in eine Kanzlei eingestiegen.
Ist so etwas heute noch üblich?
Nein. Aber das ist ja auch schon mehr als 30 Jahre her. Damals war das noch anders. Ich war allerdings in dieser Kanzlei vorher auch schon als Referendar tätig. Man kannte mich und ich kannte sie. Das Arbeitsverhältnis war auf Dauer angelegt. Wir haben gesagt, jetzt machen wir das erst einmal als Anstellungsverhältnis. Später sollte ich als Sozius einsteigen, und so ist es dann auch gekommen.
Waren Sie sich denn sicher, dass diese mündliche Zusage eingehalten wird?
Aber sicher. Ich wusste ja auch, dass mündliche Verträge genauso gültig sind wie schriftliche. Das gilt übrigens heute auch noch, allerdings gibt es inzwischen das sogenannte Nachweisgesetz, das im Jahr 1995 verabschiedet worden ist. Das sagt ganz klar, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach Vertragsbeginn schriftlich bestätigen muss, was vereinbart worden ist. Darauf hat jeder Arbeitnehmer Anspruch.
Können Sie nachvollziehen, dass einige Berufsanfänger ihren ersten Arbeitsvertrag mit einem etwas mulmigen Gefühl unterschreiben?
Nein. Und das sollte auch nicht so sein. Schließlich sehen sie ja, was sie da unterschreiben. Sie können den Vertrag prüfen – und sollten das auch gründlich tun. Entweder selbst oder durch einen Fachmann. In erster Linie fällt mir hier natürlich ein Rechtsanwalt ein.
Was ist, wenn der Arbeitgeber Druck macht, den Vertrag schnell zu unterschreiben?
Das sollte nicht sein. Ein Arbeitsvertrag ist ja etwas ganz Wichtiges. Jeder Arbeitgeber wird verstehen, dass ein solches Dokument sorgfältig geprüft werden muss. Im Übrigen sollte ein Vertrag so gestaltet sein, dass er auch für beide Parteien verständlich ist.
Was regelt der Vertrag ganz allgemein?
Zunächst einmal sagt er, wer die Vertragsparteien sind. Man muss ja wissen, mit wem man den Vertrag schließt. Wichtige Punkte sind ebenfalls Aufgabenstellung, Vergütung und Befristungen. Nebenvergütungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder ein Dienstwagen sollten geklärt sein. Der Urlaubsanspruch sollte im Vertrag stehen, ebenso das Verhalten des Arbeitnehmers im Krankheitsfall. Meistens wird auch die Frage einer Wettbewerbstätigkeit behandelt.
Einige Dinge wie die Vergütung oder die Urlaubsregelung leuchten direkt ein – anders sieht es bei der Wettbewerbstätigkeit aus. Was ist darunter zu verstehen?
Na ja, es ist doch so: Ein Arbeitgeber, der einen Vertrag abschließt, möchte natürlich nicht, dass das Wissen, das ein Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses erwirbt, an die Konkurrenz weitergegeben wird.
Gilt das auch für einen möglichen Wechsel nach einer Kündigung?
Das ist der zweite Bereich. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses will der Arbeitgeber so verhindern, dass der Mitarbeiter, den er weitergebildet hat, mit diesem Wissen zur Konkurrenz abwandert und es dort auch gegen das eigene Unternehmen anwendet.
Wie verhalte ich mich denn, wenn ich mit dem einen oder anderen Vertragsinhalt nicht einverstanden bin – etwa dann, wenn im Einstellungsgespräch ganz andere Bedingungen vereinbart wurden?
Vorstellbar ist ja, dass ein Einstellungsgespräch stattfindet und der Arbeitgeber sagt: Ich gebe Ihnen einen Arbeitsvertrag, schicken Sie mir diesen bitte unterschrieben zurück. Dann sieht der Bewerber plötzlich, dass dort Dinge stehen, die gar nicht vereinbart waren. Dann darf er natürlich nicht unterschreiben, sondern muss neu verhandeln. Das ist die erste und regelmäßige Situation. Die zweite wäre: Man schließt mündlich einen Arbeitsvertrag und bekommt danach eine Bestätigung dessen, was vereinbart worden ist. Sollte dort etwas auftauchen, was nicht vereinbart wurde, dann muss der Arbeitnehmer sofort reklamieren.
Also nicht erst mal unterschreiben und sich dann beschweren …
Auf keinen Fall. Was Sie vertraglich akzeptiert haben und mit Ihrer Unterschrift dokumentieren, ist natürlich auch bindend.
Was ist, wenn ich vor Arbeitsantritt bei einem Unternehmen in Berlin ein Angebot aus München bekomme und dort lieber anfangen möchte: Komme ich aus meinem Berliner Vertrag wieder heraus?
Im Rahmen der vereinbarten Kündigungsfristen ist das auch vor Arbeitsantritt möglich, ja. Aber es könnte auch im Vertrag stehen: Vor Aufnahme des Arbeitsverhältnisses ist eine Kündigung nicht zulässig. Wenn der Arbeitnehmer dann trotzdem kündigt, könnte eine Vertragsstrafe fällig werden.
Für junge Menschen gehören soziale Netzwerke zum Alltag. Darf ich dort Inhalte aus meinem Arbeitsvertrag veröffentlichen?
Grundsätzlich darf man das. Es sei denn, es gibt eine Verschwiegenheitsklausel, die sagt, dass man Interna nicht an Dritte weitergeben darf. Tut der Arbeitnehmer das in diesem Fall doch, könnte das eine Abmahnung nach sich ziehen.
Macht es Sinn, sich vor der Unterzeichnung etwa über geltende Tarifverträge zu informieren?
Auf jeden Fall. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Der gesetzliche Urlaubsanspruch lautet 20 Arbeitstage. Im Tarifvertrag in einer bestimmten Branche sind aber deutlich mehr Urlaubstage vereinbart.
… dann könnte ich mich direkt beschweren.
Das wäre in diesem Fall nicht klug und auch gar nicht nötig. Der Arbeitnehmer könnte zuerst unterschreiben und später darauf hinweisen. Der Arbeitgeber müsste die zusätzlichen Urlaubstage zugestehen, sofern er tarifgebunden ist. In solchen Fällen gilt das Günstigkeitsprinzip: Die Regelung, die günstiger für den Arbeitnehmer und per Gesetz oder Tarifvertrag geregelt ist, bricht das Recht des Arbeitsvertrages.