Bereits im Studium fragen sich viele Führungsnachwuchskräfte, welche Perspektiven ihnen der internationale Arbeitsmarkt bieten kann. Neben fachlichen Qualifikationen und guten Sprachkenntnissen sind für eine Karriere im Ausland aber auch einige Soft Skills entscheidend. Wie interkulturelle Handlungskompetenzen trainiert werden können, weiß Timothy Phillips. Über die Anforderungen eines globalen Marktes sprach der erfahrene Unternehmensberater und Kommunikationstrainer mit dem karriereführer. Von Rainer Bachmann
In vielen Stellenanzeigen wird verhandlungssicheres Englisch vorausgesetzt. Was bedeutet diese Anforderung überhaupt, Herr Phillips?
Gute Frage. Englisch ist die „lingua franca“ der Wirtschaftswelt. Es hängt allerdings vom ausschreibenden Unternehmen ab, was tatsächlich erwartet wird. Oft ist es so, dass die Bedarfsanalyse gespart und durch ein allgemeines „verhandlungssicher“ ersetzt wird. Das beinhaltet aber auch Kommunikationsfähigkeiten auf globaler Ebene, um in multinationalen Teams und Projekten Souveränität zu beweisen. Es geht um die Sicherheit im Tagesgeschäft, nicht nur bei Verhandlungen.
Wie können sich Absolventen denn internationale Kommunikationsfähigkeiten aneignen?
Hier sind diejenigen klar im Vorteil, die ein Auslandsemester oder ein Praktikum im Ausland absolviert haben. Die Selbstsicherheit bei der allgemeinen Kommunikation ist größer, bedingt durch die bessere Übung und den daraus resultierenden umfangreichen Erfahrungsschatz. Ich kann den Studierenden deshalb den Rat geben, einfach ins kalte Wasser zu springen und ein Auslandspraktikum bei einem nichtdeutschen Unternehmen zu machen. So können sie nicht nur die Sprache trainieren, sondern auch viel über internationale Unternehmenskulturen lernen. Die Zusammenarbeit mit einheimischen Kollegen bringt ihnen auch die lokale Kultur näher. Mit diesen Pluspunkten ausgestattet steigt die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt enorm.
Welche anderen Kompetenzen sind für eine internationale Karriere wichtig?
Gute Kommunikationsfähigkeiten sind meist wichtiger als perfektes Englisch. Wer selbstsicher auftritt und seine interkulturellen Sinne geschärft hat, kann als Kollege, Vorgesetzter, Geschäftspartner oder bei Verhandlungen viel erreichen. Dazu gehören auch Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Führungskompetenz oder Konfliktmanagement. Diese Skills können bereits vor einem Auslandsaufenthalt entweder auf der Hochschule oder später im Unternehmen gut trainiert werden.
Auch Benimmregeln können von Land zu Land variieren und für interkulturelle Missverständnisse sorgen. Wie kann man hier seine Sinne schärfen, um so manche Klippe gekonnt zu umschiffen?
Da muss man unterscheiden zwischen einer „Cross Cultural Awareness“ und den klassischen Do´s und Dont´s. Letztere sind selbstverständlich wichtig und sollten auch immer hinterfragt werden. Noch bedeutender ist aber die Fähigkeit, sich flexibel auf Situationen und Gesprächspartner einstellen zu können, sensibel zu agieren und zu reagieren. Es kann dabei sehr nützlich sein zu wissen, wie man selbst auf andere wirkt. Dies gilt besonders in einem internationalen Umfeld, bei dem nicht alle Feinheiten der Etikette auf Anhieb erkannt werden. Wenn jedoch jemand mit offenem Horizont und einem gewissen Feinsinn neues Terrain betritt, dann macht er schon viel richtig.
Sie gelten als Experte für Lösungen zur Verbesserung von Sprach- und Kommunikationskompetenzen und arbeiten mit internationalen Unternehmen wie Bosch, 3M und Henkel zusammen. Was bieten Sie als externer Dienstleister?
Ich unterstütze Unternehmen bei der Entwicklung von Lernkonzepten im Bereich Kommunikation und Sprachtraining. Mein Stichwort heißt Blended Learning: Aus verfügbaren Bestandteilen wird die qualitativ beste Mischung für einen hohen Lernwert zusammengestellt. Ähnlich wie bei Blended Tea oder Blended Whiskey werden nur die Ingredienzien verwendet, die ein stimmiges Endprodukt sicherstellen. Die einzelnen Komponenten von Blended Learning können E-Learning-Module, Fernunterricht via Telefon, E-Mail und virtueller Unterricht im Zusammenspiel mit traditionellen Workshops und Seminaren sein. Steht die Bedarfsanalyse, kann ein gezielter Maßnahmenkatalog entwickelt werden, der auch die individuellen Lernkulturen der einzelnen Mitarbeitergruppen und Hierarchieebenen berücksichtigt. Der Mix ist abhängig vom Bedarf und von den unterschiedlichen Lernzielen. Mit einem Netzwerk von Spezialisten sorge ich dafür, dass zum Beispiel Verhandlungssicherheit oder interkulturelle Handlungskompetenz flexibel trainiert und angeeignet werden können.
Was war Ihr bisher spannendstes Projekt?
Da fällt mir vor allem ein Auftrag von Bosch ein. Gemeinsam mit dem Kunden haben wir ein Blended-Learning-System konzipiert, mit dem Ziel, die Sprachfertigkeiten der Bosch-Mitarbeiter zu standardisieren und somit global messbar zu machen. Anhand eines eigens entwickelten Tools soll die Sprachkompetenz eines deutschen Managers mit dem Niveau seines Pendanten etwa in China verglichen und bei Bedarf weiter entwickelt werden. Die Größenordnung und die Langfristigkeit dieses Projekts sind eine außerordentliche Herausforderung. Dazu kommt, dass das Konzept nicht nur abteilungsübergreifend, sondern auch über alle Standorte eingesetzt werden soll. Und das für ein renommiertes Unternehmen wie Bosch zum Ausbau der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Denken Sie, dass „Corporate Knowledge Management“ ein Erfolgsfaktor zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sein kann?
Auf jeden Fall. Aber auch beim Wissensmanagement ist Vorsicht angesagt. Denn dieser Begriff wird leider oft als Veröffentlichung von Dokumenten für die Allgemeinheit über ein Intranet missverstanden. Es geht aber nicht um den Aufbau einer Bibliothek. Der Schlüssel ist Kommunikation – und der Mensch als Knoten in einem Netzwerk. Mitarbeiterprofile sind die in der Regel am häufigsten aufgerufenen Seiten in einem Intranet. Projekte und Erfahrungen des Kollegen können so verfolgt und seine Expertise bei Bedarf angefragt werden, egal ob virtuell oder in Präsenzform. Bertelsmann hat das vor ein paar Jahren vorbildlich gelöst mit dem Aufbau eines Intranets für seine Vertriebsleute. Einigen virtuellen Treffen mit regem Austausch in Foren folgte ein Kongress in Hamburg, auf dem sich die Beteiligten in der Realität begegnen konnten. So kann der Transfer von Wissen und Erfahrungen auf verschiedenen Ebenen erfolgen und das vorhandene Netzwerk auch zugunsten des Unternehmens gepflegt werden.
Wenn Sie absolut freie Hand hätten: Wie sähe ein idealtypisches, international vernetztes Unternehmen der Zukunft Ihrer Meinung nach aus?
Vor allem geprägt von einer eigenständigen Unternehmenskultur und Werten, mit denen sich jeder identifizieren kann. Wie Offenheit, Fairness, Ehrlichkeit und Respekt. Diese Werte sollten erlebbar gemacht und durch das Top-Management vorgelebt werden. Wenn dazu noch die Vernetzung horizontal, vertikal und diagonal stattfindet, kann auf die Kompetenzen der vorhandenen Mitarbeiter aufgebaut werden. In diesem transparenten Umfeld hat das Unternehmen einen viel besseren Überblick über Wissen, Fähigkeiten und auch Potenziale der Angestellten. Das Humankapital gilt es zu nutzen und weiter zu erhöhen. Denn dieser Wert ist langfristiger orientiert als der reine Shareholder Value, trägt aber wesentlich dazu bei.
Und wie sehen Ihre eigenen Pläne aus?
Die Phillips Learning GmbH steckt sich neue Ziele und durchläuft derzeit einen Umwandlungsprozess. Das zukünftige Geschäftsfeld wird Kompetenzevaluierung und -entwicklung beinhalten. Skylight, so der Name der neuen Personal- und Unternehmensberatung, wird den gesamten Prozess von der Personalevaluierung über die Kompetenzentwicklung bis hin zum externen Personalmarketing als strategischer Partner begleiten. Durch interne und bei Bedarf auch externe Maßnahmen werden wir Unternehmen helfen, ihre offenen Stellen zu besetzen. Eine spannende Herausforderung, mit der ich auch meine eigenen Kompetenzen sehr gut trainieren und weiter entwickeln werde.
Timothy Phillips hat im internationalen Umfeld umfassende Erfahrungen als Consultant und Coach gesammelt. Nach einem Lehrauftrag an der EBS in Oestrich-Winkel arbeitete er als Kommunikationstrainer u. a. für die Deutsche Bank. Als Führungskraft betreute er bei Deloitte und Pixelpark internationale Accounts. Mit der Gründung der Phillips Learning GmbH erlangte er die Selbständigkeit, die er nun mit Skylight ausbaut und vorantreibt.