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Juristen in die Politik!

Kein Beruf abseits der Gerichte und Kanzleien eignet sich für Juristen so hervorragend wie der des Politikers. Und tatsächlich: Von Obama bis Westerwelle – wohin man auch schaut, Advokaten bestimmen die hohe Politik. Wir erklären, warum dem so ist und worauf jeder Jurist unbedingt achten sollte, der vorhat, sein Karriereglück in der Politik zu suchen. Ein Plädoyer ohne Anklage von André Boße

Foto: Fotolia/Ulla Rose; karriereführer recht 2.2009 Beginnen wir mit einem Zitat von Martin Luther: „Der Jurist, der nicht mehr ist als ein Jurist, ist ein arm Ding.“ Also, alles klarmachen zum Aufbruch – zumal es viel zu erreichen gibt außerhalb der Gerichtsmauern. Aber Vorsicht, bitte nichts überstürzen! Sonst endet man wie Lionel Hutz, einer Figur aus der Comicwelt der „Simpsons“, die sich neben ihrer desolaten Arbeit als Rechtsanwalt auch als Immobilienmakler, Babysitter oder Schuster versucht – und regelmäßig vor die Wand brettert. Gehen wir also strategisch vor: Was kann ein Jurist, was andere nicht können? Richtig, Plädoyers halten. Also: Glaubhaft argumentieren, ohne notwendigerweise an das Gesagte zu glauben. Mancherorts wird diese rhetorische Kunst mit der Lügerei gleichgesetzt, aber das ist nur der Neid der Normalsterblichen, die bei jeder Flunkerei eine rote Rübe bekommen. Ein Plädoyer ist keine Lüge, sondern die Interpretation einer Sachlage im Sinne einer Zielverfolgung. Oder volkstümlich gesagt: Man biegt sich eine Sache so lange zurecht, bis man zu Potte kommt.

Und schon sind wir in der Politik. Dort, wo man das Biegen und Brechen einer Sache „Reform“ nennt und der Pott, zu dem man kommen möchte, die Wählerstimme ist. Wer Wahrhaftiges über den Politikberuf erfahren möchte, sollte Max Weber lesen. Ein brillanter Denker, natürlich Jurist und Ende des 19. Jahrhunderts Vater der deutschen Soziologie. In einer Rede über den „Beruf des Politikers“ sagte er: „Die Bedeutung der Advokaten in der okzidentalen Politik seit dem Aufkommen der Parteien ist nichts Zufälliges. Der politische Betrieb durch Parteien bedeutet eben: Interessentenbetrieb. (…) Und eine Sache für Interessenten wirkungsvoll zu führen, ist das Handwerk des geschulten Advokaten.“ Kein Zufall also, dass der Bundestag fast zu einem Viertel aus Juristen zusammengesetzt ist. Dass Genscher und Schröder zugelassene Anwälte sind. Barack Obama, Hillary und Bill Clinton. Aber, nun ja, Silvio Berlusconi und George W. Bush eben nicht. Fragt sich nur, wen Max Weber meinte, als er von den „Interessenten“ sprach. „Das Volk!“, sagt der Politiker. „Die Lobbyisten“, murmelt der kritische Geist. Vorschlag zur Güte: Das wechselt, je nach Wahl-Kalender.

Foto: Fotolia/Bernd Kröger; karriereführer recht 2.2009 Betrachtet ein Vertreter des Mittelstands – ein Bäcker oder Schuster – den Lebenslauf eines erfolgreichen Polit-Juristen, wird er stutzen. Nehmen wir Westerwelle: Abitur 1980, 1987 das Erste, 1991 das Zweite Staatsexamen und Zulassung zum Anwalt. 1994 Promotion zum Dr. jur. – und im gleichen Jahr Wahl zum Generalsekretär der FDP, deren Bundesvorsitzender er seit 2001 ist. Unser Bäcker hat es neben seinem Tagewerk gerade mal zum Kassenwart des Kegelclubs gebracht – aber auch nur, weil es sonst keiner machen wollte. Für andere Engagements hat er keine Zeit. Er muss Brötchen backen, denn bliebe der teure neue Ofen kalt, in den er investieren musste, wäre sein Laden schnell pleite. Während der Volksmund auch dem Schuster nahelegt, bei seinem Leisten zu bleiben, ist der Jurist wie geschaffen für den Aufbruch in die Welt der Politik: Ers – tens ist er in seiner Kanzlei abkömmlich, weil dort eben kein neuer Ofen steht, der abbezahlt werden muss. Zweitens ist er durch sein Studium so sehr mit allen rhetorischen Winkelzügen vertraut, dass er nicht in Gefahr schwebt, plötzlich als der dumme August dazustehen.

Wichtig ist: Nicht zu spät zum Sprung ansetzen! Wer sich bereits als Rechtswissenschaftler profiliert hat und sich dann in die Politik einmischt (vielleicht sogar noch mit einer wirklich guten Idee), bekommt Saures – wovon der Jurist und Kurzzeit-CDU Schattenminister Paul Kirchhof ein Lied singen kann. Kaum hatte der sich erdreistet, eine erstaunliche Steuerreform vorzuschlagen, die das System nicht nur vereinfachen sollte sondern sich auch zu rechnen schien, kanzelte ihn der ehemalige Berufskollege Gerhard Schröder als den „wunderbaren Professor aus Heidelberg“ ab – was dann doch nicht mehr ist als eine moderne Version des dummen August.

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