Ein Gespräch mit Dipl.-Ing. Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie
Blickt man auf die vergangenen 25 Jahre zurück, waren Bauingenieure nicht immer so gefragt wie heute. Wie sollte man mit Krisen in der Branche umgehen?
Die zurückliegenden 25 Jahre waren für die deutsche Bauwirtschaft turbulent. Auf die Hochkonjunktur nach der deutschen Wiedervereinigung folgte ab 1995 eine zehn Jahre währende Talfahrt. Seit 2006 jedoch befinden wir uns in einer anhaltenden Aufschwungphase mit der Konsequenz: Der Bau ist wieder für den akademischen Nachwuchs attraktiv. Dies belegt unsere Studierendenstatistik eindrucksvoll. Die Anfängerzahlen lagen 2017 bei 11.160 und damit um rund 90 Prozent über dem Niveau von 2006. Die Absolventenzahlen haben sich mit 10.700 im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Auf die Komplexität des Bauens ist man gut vorbereitet, wenn man im Studium breit gefächerte Ingenieurkompetenzen erwirbt und sich nach allen Seiten hin offen zeigt. Darüber hinaus empfiehlt es sich, schon an der Universität gewisse persönliche Schwerpunkte zu setzen, um später im Berufsleben einen Vorsprung zu haben.
Heute haben Bauingenieure nicht mehr nur ingenieurtechnische Funktionen, sondern übernehmen auch gesellschaftliche Verantwortung – man denke nur an den Bau von Wohnungen oder die Modernisierung der Infrastruktur. Sind Bauingenieure diesen Aufgaben gewachsen?
Dazu sage ich aus voller Überzeugung: Ja. Wer, wenn nicht wir, schafft Wohnraum in großem Stil durch modulares und serielles Bauen, baut und saniert Straßen, Brücken, Schienen- und Wasserwege und sichert damit den Wohlstand unseres Landes? Es sind doch Bauingenieure, die Lösungen entwickeln, wo andere nur Probleme sehen oder Luftschlösser bauen. Genau das zeichnet unseren Beruf aus und macht ihn so spannend und herausfordernd.
Bei aller gesellschaftlichen Bedeutung: Welche Herausforderungen hat die Branche intern zu meistern und welches Know-how wünscht sie sich diesbezüglich vom Nachwuchs?
Die größte Herausforderung ist derzeit die Digitalisierung. Hier haben wir im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen noch erheblichen Nachholbedarf. Um jetzt schnell aufzuholen, brauchen wir Nachwuchskräfte, die nicht nur analoge technische Prozesse auf der Baustelle steuern, sondern auch wissen, wie man digitale Datenmodelle einsetzt, um schneller und effizienter bauen zu können. Das setzt neben der reinen Ingenieurkompetenz zusätzliche Qualifikationen, zum Beispiel im Bereich der Informatik und der Betriebswirtschaft, voraus. Aber auch Sozialkompetenz ist ein wichtiger Faktor, denn die Digitalisierung erfordert einen neuen Umgang der Partner in der Wertschöpfungskette miteinander. Man begegnet sich auf Augenhöhe, arbeitet in Teams zusammen und entscheidet gemeinsam. Wenn der soziale Umgang nicht stimmt, hakt das Projekt. Hier tragen auch die Universitäten eine hohe Verantwortung, die Studierenden auf diese Veränderungen vorzubereiten und nicht bei dem traditionellen Bild des Fachingenieurs stehen zu bleiben. Es wird daher Zeit, dass auch die Bauingenieur-Fakultäten und Fachbereiche flächendeckend auf diesen Zug aufspringen und ihre Studiengänge fit machen für die digitale Zukunft.