Auf dem Campus Vaihingen der Universität Stuttgart wurde Anfang Oktober 2021 das erste adaptive Hochhaus der Welt eröffnet. In Zukunft soll in dem Demonstrator-Hochhaus unter realen Bedingungen im Maßstab 1:1 untersucht werden, wie sich Gebäude aktiv an wechselnde Umwelteinflüsse anpassen können. Von Christoph Berger
Zum Haus: Das Hochhaus umfasst 12 Geschosse bei einer Höhe von etwa 36,50 Metern und einer Grundfläche von fünf auf fünf Meter. Ein angrenzender Treppenturm sorgt für die vertikale Erschließung inklusive aller Versorgungsleitungen. Besonders werden diese Zahlen dann aber erst dadurch, dass in die Tragstruktur und Fassade aktive Elemente integriert wurden. So können zum Beispiel durch Wind auftretende Schwingungen im Turm durch ein Zusammenspiel von Sensorik und Aktorik ausgeglichen werden. So wurde ein intelligentes Regelungskonzept in das Hochhaus integriert: Sensoren erfassen auftretende Verformungen, während Hydraulikaktoren dafür sorgen, dass die Verformungen mittels Gegenkräften im Tragwerk gezielt reduziert werden. Dies diene auch der Dämpfung von Schwingungen – so könne deutlich leichter gebaut werden, als dies ohne Adaptivität möglich wäre, heißt es vonseiten des im Jahr 2017 von Prof. Werner Sobek initiierten Sonderforschungsbereichs SFB 1244 an der Universität Stuttgart. Sobek ist es auch, der zu dem Bau sagt: „Noch nie war Architektur so wandelbar, so veränderlich mit der Zeit wie hier.“
Besonders ist auch die Fassade des Hochhauses. Diese besteht zunächst aus einer einlagigen, rezyklierten Membrane, die nach und nach durch adaptive Hüllelemente ersetzt wird. Diese neuen Fassadenelemente können den Licht- und Energieeintrag in das Gebäude, den Luftaustausch wie auch den Wärmedurchgang aktiv beeinflussen. Das Ziel: Mit der Realisierung soll ein maximaler Nutzungskomfort bei minimalem Energieund Materialaufwand erreicht werden. Die Vorteile adaptiver Gebäude fasst Prof. Lucio Blandini, seit 2020 Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren, ILEK, an der Uni Stuttgart folgendermaßen zusammen: „Die Forschung an adaptiven Systemen eröffnet einen vielversprechenden Weg zu mehr Ressourceneffizienz und Klimaschutz.“ Und sein Kollege Professor Oliver Sawodny, seit diesem Jahr Leiter des SFB1244, ergänzt: „Wir konnten zeigen, dass mit der Technologie der Adaptivität in Tragwerken Einsparungen an Ressourcen und Emissionen im Lebenszyklus eines Gebäudes von bis zu 50 Prozent möglich sind.“
Das Demonstrator-Hochhaus, das auch unter dem Namen Forschungsprojekt D1244 läuft, soll auch für die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) wegweisende technologische Impulse für eine ressourcenschonendere Bauweise liefern. „Wenn wir bei wachsender Weltbevölkerung unsere natürlichen Lebensgrundlagen bewahren wollen, können wir nicht weitermachen wie bisher“, sagt IBA’27- Intendant Andreas Hofer. Mit den IBA’27- Projekten wolle man einen Beitrag dazu zu leisten, dass das Bauen zukünftig nachhaltiger, ökonomischer und sanfter werde. Leichtbautechniken, die nun beim Demonstrator-Hochhaus erprobt werden, würden dabei eine herausragende Rolle spielen.