Die Bauindustrie befindet sich in einer Phase des tiefgreifenden Wandels. Innovative und nachhaltige Technologien zur Herstellung und zum Recycling von Baustoffen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP arbeitet schon seit Jahren kontinuierlich daran, zukunftsweisende Materialien und Verfahren zu entwickeln und diese in die praktische Anwendung zu überführen. Dabei hat das Institut drei zentrale Ansätze verfolgt, die zusammen eine umfassende Strategie zur Reduktion von CO₂-Emissionen in der Bauindustrie bilden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Integration von Werkstoffen, die aktiv zur Entnahme von CO₂ aus dem atmosphärischen Kreislauf beitragen können. Wie das gelingen kann, erläutern Katharina Engels und Christian Kaiser vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP.
Ein Beispiel ist die Verwendung von Pflanzenkohle, die nicht nur das Treibhausgas in Form von Kohlenstoff dauerhaft bindet, sondern auch positive Effekte auf die bautechnischen Eigenschaften der Materialien haben kann. Pflanzenkohle wird durch Pyrolyse organischer Materialien wie landwirtschaftlichen Reststoffen, Holz- oder Pflanzenabfällen hergestellt. Dabei wird die Biomasse bei Temperaturen zwischen 200 und 1000 °C in sauerstoffarmer Umgebung thermochemisch zersetzt. Aufgrund ihrer großen Materialströme eignen sich Baustoffe prinzipiell gut als bedeutende Kohlenstoffsenken. Die Herausforderung liegt darin, diese Potenziale zu nutzen und die oftmals heterogenen Pflanzenkohlen in die reglementierten Herstellungsabläufe der Baustoffe zu integrieren. Das Fraunhofer IBP hat deshalb Verfahren entwickelt, um das Handling der feinen und staubenden Kohlenstoffmaterialien zu vereinfachen. Zudem konnten die Forschenden zeigen, dass eine gezielte Aktivierung der mineralischen Bestandteile der Biomasse während der Pyrolyse die Betoneigenschaften verbessert. Darüber hinaus wird auch an Methoden gearbeitet, welche zusätzlich eine größere Verwertung mineralischer Reststoffe ermöglicht.
Trotz des bedeutenden Potenzials von Pflanzenkohle als Carbon Capture Material bleibt Zement der Hauptverursacher von CO₂-Emissionen in der Bauindustrie. Deshalb arbeitet das Fraunhofer IBP parallel intensiv an Zementersatzstoffen, sogenannten Supplementary Cementitious Materials (SCMs), wie etwa kalzinierten Tonen oder alkalisch aktivierten Bindersystemen, auch bekannt als Geopolymere. Letztere setzen verstärkt auf sekundäre Stoffströme und unterstützen so die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. In verschiedenen Projekten wurde gezeigt, dass diese Bindersysteme gegenüber zementgebundenen Systemen technische Vorteile bieten, wie z.B. höhere Früh- und Druckfestigkeiten sowie eine hohe Säure- und Hitzebeständigkeit. Dadurch kann unter anderem der Bindemittelanteil reduziert und der Baufortschritt beschleunigt werden.
Die Technologien lassen sich problemlos kombinieren, wodurch in der Praxis der CO₂-Fußabdruck von Baumaterialien wie Beton erheblich verringert werden kann. Schlussendlich wird der Fortschritt in der Entwicklung und Implementierung solcher innovativen Materialien und Technologien entscheidend dafür sein, wie schnell die Transformationen der Bauindustrie zu einer klimafreundlichen Zukunft erfolgen.