StartBauingenieureNachhaltigkeit ist Trumpf

Nachhaltigkeit ist Trumpf

Wo in Deutschland und Europa gibt es aktuell die spannendsten und nachhaltigsten Baustellen? Wir stellen einige von ihnen vor. Von Sabine Olschner

Wavehouse in Heidelberg

54 Meter lang, 11 Meter breit und 9 Meter hoch: In Heidelberg entstand im vergangenen Jahr das größte 3D-gedruckte Gebäude Europas. Rund 170 Druckstunden brauchte es, bis das Rechenzentrum im 3D-Druckverfahren errichtet war, anschließend folgte der Innenausbau. Mit einem speziellen 3D-Baudrucker wurden die vertikalen Elemente des Servergebäudes gefertigt. Die Fassade wirkt wie ein welliger Vorhang und gab dem markanten Bau seinen Namen: Wavehouse. Das mineralische Material für das Projekt beinhaltet ein Bindemittel, das 55 Prozent weniger CO₂ erzeugt als reiner Portlandzement und zu 100 Prozent recycelbar ist. Rund 450 Tonnen des eigens für den 3D-Betondruck entwickelten Hightech- Baustoffs wurden verarbeitet.

Adidas Arena in Paris

Adidas Arena in Paris, © David Chavez-Monroy
Adidas Arena in Paris, © David Chavez-Monroy

Anlässlich der Olympischen Spiele 2024 wurde in der Nähe der Porte de la Chapelle in Paris die Adidas Arena gebaut. Das sechsgeschossige Gebäude mit einer Gesamtfläche von 12.000 Quadratmetern umfasst eine Sport- und Veranstaltungshalle mit 8.000 Plätzen sowie zwei Turnhallen, die von den ansässigen Bewohnern genutzt werden können. Für das Projekt wurde eigens vor Ort ein Betonwerk eingerichtet. Dadurch konnte die Zusammensetzung des Betons je nach Wetterlage täglich angepasst werden. 30 Prozent des für den Bau verwendeten Betons stammt aus kohlenstoffarmen Sektoren. Während der Bautätigkeiten wurden von den 944 Tonnen Baustellenabfall, die angefallen sind, mit Hilfe eines hochmodernen Sortiersystems vor Ort über 900 Tonnen recycelt. Die Wände der Empfangshalle bestehen aus Roherdeziegeln, die bei Ausgrabungen im Großraum Paris gewonnen wurden. Die Sitze in der Arena wurden aus sechs Millionen gebrauchten Plastikverschlüssen produziert. 80 Prozent der Flächen im Gebäude sind begrünt.

Gas-Tank wird zum Think-Tank

Gasometer Schöneberg, © Marco Döpke
Gasometer Schöneberg, © Marco Döpke

78 Meter ragt der Gasometer Schöneberg in die Höhe. Das zylinderförmige Bauwerk mit 15 Etagen und insgesamt 34.000 qm Fläche wird als transparentes Bürogebäude dienen. Das historische Stahlgerüst von 1910 wurde unter Einsatz von Sandstrahltechnik denkmalgerecht saniert. So hat die filigrane Stahlstruktur ihr ursprüngliches Erscheinungsbild zurückerhalten und dient als Gerüst für den runden Neubau. Aus Respekt vor dem Industriedenkmal hat dieser gläserne Neubau, dessen Architektur dem einst auf- und abfahrenden Gasbehälter nachempfunden ist, einen Abstand von einem Meter zur Stahlkonstruktion. Es beherbergt den Think-Tank der Deutschen Bahn, um unter anderem mit dem Programm „Digitale Schiene“ die Mobilität der Zukunft zu entwickeln. Zudem ist der Gasometer auch eine hochmoderne Eventlocation mit multifunktionalen Eventflächen, mit Amphitheater und Skylounge. Anfang 2024 erfolgte die Fertigstellung. Seit dem Erwerb des Geländes im Jahr 2008 entwickelt die EUREF AG das Stadtquartier rund um den Gasometer zu einem Reallabor der Energiewende. Übrigens: Das Gebäude ist CO₂-neutral und erfüllt höchste energetische und technische Standards. Der EUREF-Campus erfüllt bereits seit 2014 die CO₂-Klimaziele der Bundesregierung für das Jahr 2045.

Fährhafen in Puttgarden

Die Fahrt zwischen Puttgarden und Rødby in Dänemark wird künftig mit einer Elektrofähre durchgeführt. Diese ergänzt die vier bereits vorhandenen Hybridfähren auf der Route. Die neue Güterfähre kann 66 Frachteinheiten mit rund 1200 Lademetern transportieren, die herkömmlichen Hybridfähren nur knapp 30 Einheiten. Damit auch das obere Deck der Elektro-Doppelendfähre mit 33 Lkw beladen werden kann, wird derzeit ein Fährbett im Hafen Puttgarden umgebaut. Eine Stahlrampe soll die Lkw auf das Oberdeck führen. Außerdem wird die Vorstellfläche für Lkw an Land um mehrere Hundert Meter verlängert. Zudem ist eine automatisierte Fahrzeugerkennung geplant, um die Abfertigung zu beschleunigen. Für den Stromladevorgang der Elektrofähre muss die Infrastruktur im Hafen verändert werden: Um die notwendige Kapazität des Stromanschlusses zu gewährleisten, soll eine elf Kilometer lange Kabeltrasse vom Umspannwerk Burg zum Fährhafen verlegt werden.

Logistik-Campus in Schwäbisch Gmünd

Logistik-Campus in Schwäbisch Gmünd, © Rendering: Michelgroup
Logistik-Campus in Schwäbisch Gmünd, © Rendering: Michelgroup

Der Logistikneubau des Naturkosmetikherstellers Weleda ist besonders nachhaltig geplant. Mehrere kleinere Gebäude fügen sich natürlich in die Umgebung ein und können klimaneutral betrieben werden. Nur rund 20 Prozent des etwa 72.000 Quadratmeter großen Areals werden bebaut. Werkstoffe sind unter anderem Glas, Holz und Stampflehm. Auf dem Parkplatzdach, den Gebäudedächern und an der Fassade des Funktionsgebäudes sind Photovoltaikanlagen verbaut. Die Solarpaneele an den Hauswänden gewinnen Energie und beschatten gleichzeitig die Glasfronten. Das Lager besteht aus einer unterirdisch liegenden Stahlbetonwanne, auf der eine acht Meter hohe, massive Stampflehmfassade steht. Diese stammt aus Erdaushub der Baustelle und kann Schwankungen von Feuchtigkeit und Temperatur auf natürliche Weise ausgleichen, sodass keine mechanische Be- und Entfeuchtung des Lagers nötig ist. Das Gebäude hat das Zertifikat GNB-Platin erhalten, die höchste Bewertungsstufe der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.

Estrel Tower in Berlin

Der Estrel Tower soll mit 176 Metern Höhe Berlins höchster Wolkenkratzer werden und gleichzeitig Deutschlands höchstes Hotel mit 525 Zimmern. Neben dem Hotel wird der Turm Apartments und Büros beherbergen. Das begrünte öffentliche Atrium ist für eine Bäckerei, eine Galerie und einen Inkubator für Start-ups vorgesehen. Über einen Tunnel gelangen Besucher in das nebenstehende Estrel Congress Center. Das Hochhaus wird 45 Etagen haben, im 43. und 44. Stock sind ein Restaurant und eine Skybar mit Außenterrasse geplant. Die oberen vier Etagen sind als flexible Eventfläche vorgesehen. Für die Nachhaltigkeit sorgen begrünte Dächer, Photovoltaikanlagen und ein CO₂-sparendes Energiekonzept. Für den Innenausbau werden regionale Hölzer und recycelte Materialien verwendet.

+++ Bei Stuttgart 21 wird Ende 2025 eine einjährige Testphase beginnen. Eröffnung soll im Dezember 2026 sein. +++ Das neue Zwischengeschoss im U-Bahnhof Sendlinger Tor in München ist offiziell eröffnet. Bis Mitte 2024 erfolgten noch Restarbeiten. +++ Im Sommer 2024 wurde die Sanierung der Mehrzweckhalle Hyparschale in Magdeburg abgeschlossen. Ab 2025 sollen dort Tagungen und Kongresse stattfinden. +++

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