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Jobsharing in der Bauleitung

Eine Stelle, zwei Personen – so einfach ist die Formel fürs Jobsharing. Der Bedarf nach flexiblen Arbeitszeitmodellen wie diesem ist groß, auch auf den Baustellen. Es gibt viele Gründe, warum Mitarbeiter*innen zeitlich reduziert arbeiten und trotzdem nicht auf ihre bisherige Tätigkeit verzichten wollen. Attraktiv ist das Jobsharing beispielsweise für junge Eltern. Zwei Bauleiterinnen berichten, wie sie auch nach der Elternzeit in ihrem anspruchsvollen Job weiterarbeiten. Mit doppelter Kompetenz. Von Franziska Immel-Andrä

Nataša Banjac
Studienort: Stuttgart
Expertise: 7 Jahre Berufserfahrung im Spezialtiefbau
Freizeit: Folklore tanzen
Ein Kind, 1 Jahr alt, zweites Kind auf dem Weg

 

Ramona Becker
Studienort: Karlsruhe
Expertise: 6 Jahre Berufserfahrung im Spezialtiefbau
Freizeit: Skitouren, Wandern, Freunde treffen
Ein Kind, 1,5 Jahre alt

Die Bauleitung ist eine vielschichtige, abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit. Von der Planung des Baustellenaufbaus bis zur Abnahme des finalen Projekts begleiten Bauleiter*innen sämtliche Prozesse. Sie erstellen Baupläne, führen Bauabrechnungen durch, verhandeln mit dem Träger, Zulieferern oder Behörden und gehen regelmäßig auf die Baustelle, um die einzelnen Gewerke zu koordinieren und die Bauarbeiten zu überwachen.

Schwer vorstellbar, dass sich diese Führungsposition, die jeden Tag andere Aufgaben mit sich bringt und gleichzeitig einen guten Überblick erfordert, im Jobsharing teilen lässt. Dass das durchaus gut geht, beweisen Ramona Becker und Nataša Banjac bei der ZÜBLIN Spezialtiefbau GmbH. Die erfahrenen Bauleiterinnen sind im Herbst 2022 mit jeweils 30 Stunden aus der Elternzeit zurückgekehrt und haben gemeinsam die Baustelle für den Spezialtiefbau beim Neubau des Landratsamts in Esslingen geführt.

ZUM ANSCHAUEN: Der Neubau des Landratsamts in Esslingen ist ein Pilotprojekt für kreislaufgerechtes Planen und Bauen. Auch hinsichtlich der Arbeitszeitmodelle beschreitet ZÜBLIN neue Wege: Die beiden Bauleiterinnen Ramona Becker und Nataša Banjac erzählen, wie sie die Baustelle für den Spezialtiefbau im Jobsharing führen.

Ramona Becker arbeitete vormittags, Nataša Banjac am Nachmittag. Über Mittag haben sich die Arbeitszeiten für eine Stunde überschnitten. Diese Zeit nutzten die beiden, um sich abzustimmen und wichtige Themen zu besprechen. Mit digitalen Tools und einer gewissenhaften Ablage stellten sie sicher, dass keine Informationen verlorengehen. „Meine größte Sorge war, dass Informationen untergehen und das jemand ausnutzen könnte. Dass zum Beispiel ein Nachunternehmer behauptet: aber mit ihrer Kollegin habe ich das gestern anders ausgemacht“, sagt Nataša Banjac. „Diese Sorge war aber unbegründet, das kam nie vor.“

Auch wenn wir vorher noch nicht zusammengearbeitet hatten, konnten wir uns voll aufeinander verlassen.

Auch eine weitere Befürchtung bestätigte sich nicht: „Ich war nicht so sicher, ob ich, wenn ich in Teilzeit in der Bauleitung arbeite, nicht letztlich doch 100 Prozent mache. So war es tatsächlich aber nicht und darüber bin ich sehr glücklich“, schildert Ramona Becker. Neben den richtigen Rahmenbedingungen – Unterstützung innerhalb des Unternehmens, aber auch bei Auftraggeber, Lieferanten und Nachunternehmern – komme es, so die beiden Bauleiterinnen, vor allem auf drei Komponenten an: Erfahrung, Vertrauen ineinander und gute Abstimmung.

„Auch wenn wir vorher noch nicht zusammengearbeitet hatten, konnten wir uns voll aufeinander verlassen“, berichten Nataša Banjac und Ramona Becker. Die persönliche Wellenlänge stimmte und auch was die Arbeitsauffassung angeht, waren sie sich einig:

„Jede hat in ihrer Schicht selbstständig Entscheidungen getroffen, ohne es mit der anderen abstimmen zu müssen. Im Notfall oder wenn etwas unklar war, waren wir auch nach der jeweiligen regulären Arbeitszeit für die andere erreichbar beziehungsweise haben zurückgerufen. Das war aber die Ausnahme.“

Als sie die Baustelle übernahmen, hatte Nataša Banjac sieben Jahre Erfahrung in der Bauleitung, Ramona Becker sechs Jahre. „Da ist man mit den üblichen Abläufen vertraut, kennt gewisse wiederkehrende Stolperfallen“, sagt Nataša Banjac. Ramona Becker ergänzt: „Wenn beide Personen einen vergleichbaren Erfahrungsschatz haben und gewisse Anfängerfehler einfach nicht mehr passieren können, ist das sicher ein Vorteil. Ich hätte mir aber auch vorstellen können, mit einem Einsteiger oder einer Einsteigerin in Vollzeit gemeinsam die Baustelle zu leiten.“

Redaktionstipp

Im Tandem zu arbeiten ist die perfekte Lösung für einen anspruchsvollen Job mit vermindertem zeitlichen Aufwand. Von Elternzeit-Rückkehrer*innen über Menschen, die ihre Angehörigen pflegen bis hin zu Arbeitnehmer*innen, die mehr Zeit für Weiterbildungen und Hobbys haben wollen – Jobsharing ist ein zukunftsweisendes New Work-Modell für unsere Gesellschaft. Lydia Leipert und Rebecca Zöller erklären, wie es in der Praxis funktioniert.

Lydia Leipert und Rebecca Zöller: Geteilte Arbeit, doppelt durchstarten! Komplett-Media GmbH 2022. 22,00 Euro

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