Gespräch mit Peter Hübner, Präsident der BAUINDUSTRIE
Berlin im November 2021
Herr Hübner, das alles in den Schatten stellende Thema der Zeit ist und bleibt der Klimawandel. Welchen Beitrag kann die Baubranche hier leisten, auf was kommt es jetzt an?
Die Baubranche bietet Lösungen sowohl für klimaschonendes Bauen als auch für bauliche Anpassungsmaßnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels an. Extreme Wetterereignisse werden zunehmen. Daher ist es wichtig, einerseits beim Neubau über den gesamten Lebenszyklus auf niedrige Emissionen zu achten und andererseits die energetische Sanierung des Bestands im industriellen Maßstab voranzubringen. Gebäude und Infrastruktur müssen zukünftig nicht nur höhere Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz erfüllen, sondern auch resilienter gegenüber Extremwetterereignissen sein. Klimaresilientes Planen und Bauen muss mehr in den Blick genommen werden. Bauingenieur*innen müssen neben der Umsetzung der ambitionierten Klimaziele auch intelligente, innovative und praktikable Lösungen für Gebäude und Infrastruktur implementieren. Hier besteht ein interessantes Tätigkeitsfeld. Das Knowhow der Bauindustrie und der Bauingenieur* innen ist der Schlüssel zur Lösung dieser großen Herausforderung.
Der Bau selbst befindet sich in der Transformation, die Digitalisierung hält mehr und mehr Einzug. Wie bewerten Sie die Entwicklung dieses Wandels in den letzten Jahren – auch im Hinblick auf den Berufseinstieg von Bauingenieur/- innen?
Die Digitalisierung verändert die gesamte Baubranche. Anspruch der BAUINDUSTRIE ist es, diesen Prozess aktiv mitzugestalten. Digitales Bauen bedeutet nicht, bestimmte Arbeitsschritte einfach nur zu digitalisieren. In Zukunft wird im Rahmen des Building Information Modeling (BIM) die gesamte Wertschöpfungskette Bau durch eine enge digitale Vernetzung von Planen, Bauen und Betreiben geprägt sein. Ein grundlegendes Umdenken der Arbeitsweise ist hierfür Voraussetzung. Jetzt werden also vor allem Expert*innen gesucht, die in der Lage sind, mit modernen digitalen Werkzeugen und ihrem Know-how den Unternehmen bei der digitalen Transformation zu helfen. Es ist daher wichtig, die zukünftigen Ingenieur*innen bereits in der Ausbildung auf diese neue vernetzte Zusammenarbeit vorzubereiten. Digitale Kompetenzen müssen sowohl in der Ausbildung als auch später im Beruf immer wieder neu vermittelt werden. Wenn wir uns die Vorteile einer digitalen Arbeitswelt nutzbar machen, steigert dies nicht zuletzt auch die Attraktivität der Berufsbilder am Bau.
Derzeit ist vor allem von steigenden Baupreisen aufgrund steigernder Rohstoffpreise zu hören? Wirkt sich diese Situation auf die Einstiegsmöglichkeiten von Absolvent*innen aus?
Die Lieferengpässe wegen der Corona- Pandemie und die steigenden Rohstoffpreise stellen die Bauunternehmen vor große Herausforderungen im Hinblick auf die Kalkulation von Baukosten oder auch bei der Aufstellung und Einhaltung von Bauzeitenplänen. Einen Zusammenhang zu den Einstiegsmöglichkeiten von Absolvent*innen sehe ich hier aber nicht. Ganz im Gegenteil: Bei steigenden Materialkosten ist es für Bauunternehmen umso wichtiger, durch moderne Prozesse und Verfahren Einsparpotentiale zu nutzen. Dafür brauchen wir gut ausgebildete Bauingenieur* innen.
Und zu einem aktuellen Anlass aus diesem Jahr: Welche Rolle nehmen Bauingenieur* innen beim Wiederaufbau der vom Hochwasser betroffenen Gebiete ein?
Die schockierenden Bilder der Überflutungen aus NRW und Rheinland-Pfalz haben uns alle tief getroffen. Viele unserer Bauunternehmen haben sofort mit Personal und Maschinen vor Ort Hilfe geleistet und tun dies noch. Entscheidend ist es nun, die Freiräume im Vergaberecht für eine schnelle Vergabe zu nutzen, damit konkrete Projekte zeitnah umgesetzt werden können. Wir müssen Bauwerke, Brücken, Straßen und kritische Infrastruktur, die den Fluten komplett zum Opfer gefallen sind, durch Ersatzbauten ersetzen, die künftig solchen Wetterereignissen standhalten. Gleiches gilt für die Überprüfung und ggf. Nachbesserung bestehender Bauwerke. Hierzu wird die Expertise der Bauingenieur*innen unverzichtbar sein.