Frauen sind in der Baubranche noch immer unterrepräsentiert. Aber es zeigen sich Veränderungen, sagt Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbands NRW e. V. Sie gibt einen Ausblick, wie sich die Atmosphäre in einer Belegschaft mit mehr Frauen ändern würde. Die Fragen stellte Sabine Olschner
Zur Person
Beate Wiemann, geboren 1961 in Hildesheim, studierte Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians- Universität Würzburg und der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg. 1992 stieg sie als Referentin der Abteilung Sozialpolitik in den Bauindustrieverband NRW in Düsseldorf ein, seit 2009 ist sie Hauptgeschäftsführerin des Verbands. Die Rechtsanwältin hat seit 2011 eine Honorarprofessur an der Fachhochschule Münster und lehrt dort im Fachbereich Baubetrieb Arbeitsrecht.
Wie kamen Sie als Juristin in die Baubranche?
Im Referendariat hatte ich mich bei einem Arbeitgeberverband mit dem Arbeitsrecht angefreundet und wollte gern in diesem Bereich bleiben. So bin ich nach dem Zweiten Staatsexamen 1992 beim Bauindustrieverband in Nordrhein-Westfalen gelandet und habe als erste Frau eine Referententätigkeit im Bauverband begonnen.
Wie war es für Sie, in einer männerdominierten Branche zu arbeiten?
Für mich war es nicht besonders gewöhnungsbedürftig – die Unternehmen, die bei uns juristischen Rat suchten, waren allerdings ein bisschen verwundert. Aber sie haben sich schnell daran gewöhnt, dass im Verband nun auch eine Juristin arbeitet, und alles hat sich nach kurzer Zeit wunderbar eingespielt. Auch bei meinen weiteren Stationen im Verband war ich immer die erste Frau, aber damit konnte ich stets gut umgehen.
Ist die Branche heute noch immer so männerlastig wie in den 90er-Jahren?
Es hat sich mittlerweile einiges geändert. In den Unternehmen sind heute viele Positionen unterhalb der Geschäftsleitungsebene mit vielen kompetenten Frauen besetzt. Vor allem in den familiengeführten Unternehmen gibt es zunehmend Frauen an der Spitze. Aber wir dürfen uns natürlich nichts vormachen: Die Bauindustrie ist weiterhin eine Branche mit einem hohen Männeranteil. Ich bin jedoch sicher, dass in Zukunft noch mehr Frauen dort arbeiten werden.
Sie sind Professorin an der FH Münster. Haben Sie in Ihrer Lehrtätigkeit schon einen Anstieg des Frauenanteils unter den Studierenden bemerkt?
Ich bin jetzt seit fast 15 Jahren an der Hochschule tätig und sehe, dass der Anteil der Studentinnen zugenommen hat, was ich sehr erfreulich finde. Auch in den Unternehmen sehe ich immer mehr Bestrebungen, junge Ingenieurinnen zu beschäftigen – nicht zuletzt aufgrund des demografisch bedingt steigenden Fachkräftemangels.
Wie würden sich die Unternehmen durch einen steigenden Frauenanteil denn verändern?
Frauen haben einen positiven Effekt auf die Kommunikation innerhalb von Teams – egal ob auf der Baustelle oder im Büro. Es herrscht eine andere Atmosphäre und ein freundlicherer Umgang miteinander, und das hat positive Auswirkungen auf das Projekt. Das höre ich immer wieder von den Unternehmen. Außerdem gehen Bauingenieurinnen in Konfliktsituationen lösungsorientiert an das Problem heran. Frauen, die sich für einen Beruf in der Baubranche entscheiden, wissen, dass es auf der Baustelle mal im Ton härter werden kann. Sie müssen durchsetzungsstark sein – nicht durch Lautstärke, sondern durch ihr Auftreten und durch gute Argumente. Ich glaube, das können die Ingenieurinnen sehr gut.
Ist die Baubranche eine familienfreundliche Branche?
Neben der Familie voll berufstätig zu sein, ist für Frauen sicherlich in jeder Branche eine Herausforderung. In der Baubranche wird das in Einzelfällen erschwert, wenn man auf Baustellen tätig ist, die weiter vom Wohnort entfernt sind. Aber auch das ist eine Frage der Motivation und des Willens. Man muss halt ein sehr gutes Organisationstalent haben – dann schafft man es auch. Darüber hinaus gibt es für Ingenieurinnen viele spannende Aufgaben in Ingenieurbüros oder in der Bauverwaltung. Hier muss sich jede Ingenieurin den Arbeitgeber suchen, der am besten zu ihren Zielen und ihrer Lebenssituation passt. Die Bauwirtschaft bietet hier viele Möglichkeiten.
Wie finden Absolventinnen denn einen frauenfreundlichen Arbeitgeber?
Auf den Internetseiten stehen oft gezielte Informationen dazu, wie wichtig dem Unternehmen die Themen Familie und Frauenförderung sind. Wenn in den Führungspositionen Frauen tätig sind, ist das meist schon ein gutes Zeichen.
Was sind Ihre Tipps für einen erfolgreichen Einstieg von Frauen in die Baubranche?
Frauen sollten sich beim Einstieg in die Bauwirtschaft klarmachen, was auf sie zukommt. Als Bauleiterin wird man halt auf wechselnden Baustellen eingesetzt werden. Es ist immer eine Frage, was man möchte und wozu man bereit ist. Wenn Frauen die Rahmenbedingungen für sich geklärt haben, sollte es auch keine großen Überraschungen geben.