Warum Hochhäuser aus Holz weltweit boomen? Weil Nachhaltigkeit beim Bauen im Trend liegt. Holz gehört zu den Baumaterialien der Zukunft. Waren es anfangs vor allem Wohnhäuser aus Holz, entstehen inzwischen auch Wolkenkratzer aus dem nachwachsenden Rohstoff. Von Christoph Berger
Auf dem Baufeld 102 im Quartier Elbbrücken in Hamburgs Hafencity, prominent auf der vorspringenden Kaianlage des Baakenhafens gelegen, wird bis 2021 die „Wildspitze“ entstehen, Deutschlands höchstes Holzgebäude. Markanter Orientierungspunkt wird dabei ein rund 64 Meter hoher, 18geschossiger Turm sein, der allseitig mit einer individuell zu öffnenden, gläsernen zweiten Fassadenhaut, die als Lärm, Witterungs- und Brandüberschlagsschutz dient, umhüllt werden wird. Mit Ausnahme der aussteifenden Treppenhauskerne werden sowohl die tragenden Bauteile als auch die Gebäudehülle vollständig aus Holzwerkstoffen hergestellt.
Die Wildspitze ist längst kein Einzelfall mehr. Vielmehr gehört sie in eine immer länger werdende Liste von Holzbau-Projekten, die sich auch vor der Höhe nicht mehr scheuen. In Japan arbeitet man gerade an Plänen, ein 350 Meter hohes Holzhochhaus zu bauen. 2041 soll es in der dortigen Hauptstadt Tokio stehen. In London soll der 300 Meter Oakwood Timber Tower gebaut werden. Eine Konzeptstudie für eine Wohnanlage in Stockholm, Schweden, sieht 31 Holztürme für einen neuen Stadtteil vor: eine hölzerne Wolkenkratzerstadt, „the narrow wooden skyscraper city“.
Weiter fortgeschritten ist man bereits in Wien: Dort fand im Oktober 2016 der Spatenstich für den HoHo Wien statt, ein 84 Meter hoher Holzturm in der dortigen Seestadt Aspern. Im März dieses Jahres wurde der erste Baukörper des Turms fertiggestellt und ein Musterbüro präsentiert – 2019 soll es dann vollständig eröffnet werden. Die Wände und Decken bestehen aus naturbelassenem Fichtenholz. Der typische Holzgeruch ströme daher in alle Räume und erzeuge ein einzigartiges Raumklima, heißt es. Studien hätten gezeigt, dass die Raumluftqualität in Holzhäusern als sehr gut bewertet wird. Und: In einer Stunde und 17 Minuten sei die Holzmenge des für den Turm verwendeten Holzes in Österreichs Wäldern nachgewachsen, betonen die Projektentwickler.
„Holz ist genug da“, sagte demnach auch Dr. Sebastian Rüter vom Thünen-Institut für Holzforschung auf dem zweiten Holzbau-Hochschultag in Oldenburg an der Jade Hochschule. Und es weise eine hervorragende Ökobilanz auf – gerade dann, wenn man den kompletten Verwertungszyklus im Fokus habe: Produktion, Bau, Nutzung und Abbau. Eine Aussage, die auch Achim Hannott, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF), unterstreicht: „Die nachhaltige Nutzung des Waldes bedeutet aktiven Klimaschutz. Produkte aus Holz sind wirksame Kohlenstoff-Speicher, die den CO2Anstieg bremsen und damit die Klimaerwärmung abschwächen können.“
So würden Holzprodukte im Gegensatz zu vielen mineralischen und metallischen Baumaterialien meist deutlich weniger „graue Energie“ beinhalten, also die Energie, die für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung aufgewendet werden muss. Auf dem Holzbau-Hochschultag in Oldenburg wurde zudem noch ein weiterer Vorteil von Holzbauten hervorgehoben: Holzteile werden immer öfter vorgefertigt und erst dann an die Baustellen geliefert. Das verkürzt unter anderem die Bauzeiten und bedeutet weniger Stress für die Anwohner. Kurz: Der Einsatz von Holzwerkstoffen wirkt sich auf den gesamten Bauprozess aus.
Zertifikatsstudiengang
„Fachingenieur Holzbau – Integrale Planung und Konstruktion“ An der Hochschule Augsburg wird seit Oktober 2017 das berufsbegleitende Zertifikatsstudium „Fachingenieur Holzbau – Integrale Planung und Konstruktion“ angeboten. Zulassungsvoraussetzungen sind unter anderem ein Bachelor in Bauwesen, Architektur oder verwandten Disziplinen und erste Berufserfahrung.
Weitere Infos unter:
www.hs-augsburg.de/holzbau.html
Gerade in Verbindung mit BIM könnten Holzteile schon sehr früh eingeplant werden. Wiederum ein Faktor, der Zeit spart und Kosten senkt. Das Projekt S22 auf dem Suurstoffi Areal in Rotkreuz, Schweiz, wird zum Beispiel mit BIM ausgeführt. Dabei handelt es sich um ein zehngeschossiges Hochhaus, das in fünfeinhalb Monaten hochgezogen wird.
Trotz dieser Vorteile: Bedenken gegenüber Holzbauten werden immer wieder vorgebracht. Um das Bauen mit Holz voranzubringen, haben Baden-Württemberg, Hamburg und Berlin ihre Landesbauordnungen angepasst und unterstützen so den Bau von mehrgeschossigen Holzhäusern. Um Aufklärung ist auch die Initiative „Charta für Holz 2.0“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bemüht. Auf der Plattform werden unter anderem die Material- und Energieeffizienz des Baustoffs Holz erläutert – immerhin ist der Bausektor einer der rohstoffintensivsten Wirtschaftsbereiche in Deutschland. So heißt es: „Für die Herstellung und Entsorgung von Baustoffen aus Holz ist in der Regel weniger fossile Energie notwendig als für Materialien auf Basis endlicher, mineralischer Rohstoffe.“ Betrachte man außerdem die Potenziale, so sei das Bauen mit Holz im Ein- und Zweifamilienhausbau etabliert und erfreue sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Doch gerade im Nichtwohnungsbau, bei Büro- und Verwaltungs- oder Industriegebäuden, würden noch ganz besondere Potenziale liegen.
Da wundert es nicht, dass sich die Nachrichten „überschlagen“. Wird die anfangs erwähnte Wildspitze derzeit als Deutschlands zukünftig höchstes Holzhochhaus eingestuft, traf dies im Januar 2018 noch auf das zehngeschossige Hochhaus SKAIO zu, das im Rahmen der Stadtausstellung zur BUGA 2019 in Heilbronn entsteht. Das dortige Gebäude wird in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet: Wände und Decken sind dabei aus Holz und werden den überwiegenden Teil der Konstruktion ausmachen. Doch ganz ohne Beton kommt die neuartige Hybrid-Konstruktion nicht aus: Sockelgeschoss und Treppenhaus bestehen jeweils aus Stahlbeton und werden zuerst ausgeführt. Die Fassade wird von außen mit Aluminium-Platten verkleidet.
Holzhochhäuser
Wildspitze Hamburg:
www.hafencity.com/de/elbbruecken/projekt-102-555-wildspitze-555-.htmlHoHo Wien:
www.hoho-wien.atDer Oakwood Timber Tower in London:
www.plparchitecture.com/oakwood-timber-tower.htmlDas SKAIO in Heilbronn:
https://stadtsiedlung.de/deutscher-nachhaltigkeitspreis-architektur-geht-an-das-holzhochhaus-skaio-in-heilbronn/Masthamnen in Stockholm:
http://andersberenssonarchitects.com/work/masthamnen