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Deutsches Bauwissen ist im Ausland schon lange gefragt: Bereits zum Ende des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts haben deutsche Bauunternehmen Großaufträge im Ausland akquiriert. Heute beträgt das jährliche Volumen des Bauexportgeschäfts rund 1,5 Milliarden Euro. Von Sabine Olschner.

Zwischen 1950 und Anfang der 1980er- Jahre wurden die Bauexperten meist samt den notwendigen Baugeräten und Materialien von ihren deutschen Arbeitgebern ins Ausland geschickt: Oberbauleiter, Kaufleute, Poliere und gewerbliche Vorabeiter – sie alle gingen auf Reisen in rund 90 Länder, davon waren gut zwei Drittel Entwicklungsländer. Im Zuge der Ölkrise im Jahr 1973 verlagerte sich das deutsche Auslandsbaugeschäft in die ölreichen Staaten der Golfregion und Nordafrikas. Zwischen 1977 und 1982, im „Goldenen Zeitalter des deutschen Auslandsbaus“, lag der Auftragseingang jährlich zwischen sieben und zwölf Milliarden D-Mark. Erst Mitte der 80er-Jahre begannen die Baufirmen, das Projektgeschäft im Ausland zurückzufahren und stattdessen eigene Tochter- und Beteiligungsfirmen im Ausland zu gründen. Denn wer direkt vor Ort ist, kennt sich besser aus: mit der fremdem Sprache, der fremden Mentalität und den Gepflogenheiten, mit den Rechtssystemen und den Verwaltungsregeln. Außerdem können lokale Besonderheiten im Vorfeld besser geprüft werden: zum Beispiel die Verkehrs- und Versorgungswege, die geologischen Bedingungen, die örtliche Verfügbarkeit und Qualität von Baustoffen sowie die Möglichkeiten zum Einsatz lokaler Nachunternehmerleistungen.

Downloadtipp

Die Broschüre „Deutsche Bauindustrie international“ kann gegen Versandgebühren im Internet heruntergeladen werden.

Heute ist deutsche Baukompetenz bei internationalen Projekten nicht mehr wegzudenken: „Die deutsche Bauindustrie bringt durch ihre Präsenz auf fünf Kontinenten in über 70 Ländern bei der Umsetzung technisch anspruchsvoller Projekte im Bereich der Infrastruktur, im Spezialtiefbau, im Hochbau sowie bei der Ver- und Entsorgung mit Energie und Wasser ihr Know-how ein“, erklärte Prof. Dr.-Ing. E. h. Thomas Bauer, Präsident des Hauptverbandes der Bauindustrie, bei der Vorstellung einer Best-Practice-Broschüre zum Auslandsbau deutscher Bauindustrieunternehmen (Download der Broschüre siehe linke Spalte). Herausragende Projekte mit deutscher Beteiligung sind zum Beispiel im Bereich Energie der Bau eines Gezeitenkraftwerks vor der Nordküste Schottlands sowie im Bereich Wasser das Alkimos-Water- Alliance-Projekt in Westaustralien – ein Abwasserprojekt für 80.000 Menschen in Perth – oder der South Side Utility Tunnel in Katar. Im Bereich Infrastruktur sind die Golden Ears Bridge in Vancouver oder die Eisenbahnhochgeschwindigkeitsstrecke von Peking nach Shanghai hervorzuheben, im Hochbau das berühmte Burj Khalifa in Dubai, das Sheikh Zayed Desert Learning Centre in Abu Dhabi, das neue Stadtviertel Barwa City in Doha in Katar oder das hochmoderne Sportstadion Miejski in Polen.

Deutsche Bauunternehmen, so Thomas Bauer weiter, punkten dabei mit ihrer „großen Erfahrung mit den rechtlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten der Auslandsmärkte, da wir – im Unterschied zum produzierenden Gewerbe – unsere Produktion beziehungsweise unsere Dienstleistungen naturgemäß vor Ort auf der Auslandsbaustelle erbringen. Experten aus Deutschland arbeiten dabei Hand in Hand mit regionalen Partnern. Damit trägt das Tochter- und Beteiligungsgeschäft der deutschen Bauindustrie auch zum Erhalt hoch qualifizierter Arbeitsplätze im Inland bei.“

Dabei ist das Auslandsgeschäft weitaus komplexer geworden, als es noch im 20. Jahrhundert war: Bei Großprojekten kommt es zu einer neuen Arbeitsteilung zwischen international agierenden und lokalen Bauunternehmen, und neue Geschäftsfelder im baunahen Dienstleistungsbereich werden aufgebaut. Wer als Bauingenieur ins Ausland gehen will, muss also weit mehr mitbringen als nur gute Englischkenntnisse und interkulturelle Aufgeschlossenheit. So müssen Bauingenieure sich zum Beispiel darauf einstellen, die Arbeitskräfte der lokalen Bauunternehmen, deren Qualifikation oft nicht an das deutsche Niveau heranreicht, auszubilden und ihnen moderne Bautechniken und Managementmethoden zu vermitteln. Lokale Gegebenheiten vor Ort, die oft anders sind als in Deutschland, erfordern viel Flexibilität und – vor allem in Schwellenländern – auch mal Improvisationstalent aufseiten der deutschen Bauingenieure. Denn nicht immer ist alles, was man für die Arbeit braucht, direkt verfügbar. Auch Planung, Beratung und Überwachung spielen im Ausland oft eine größere Rolle als die Bauausführung: Oft fungieren die Bauingenieure als Berater bei den Projekten. Und auch der Vertragsgestaltung kommt im internationalen Baugeschäft eine besondere Bedeutung zu – hier lauern oft viele Fallstricke im Detail. Wo man solche Feinheiten lernt? Am besten in der Praxis! Wer zum Beispiel schon mal als Praktikant auf einem Bauprojekt im Ausland eingesetzt war, erhöht seine Chancen auf einen Auslandseinsatz bei einem deutschen Bauunternehmen.

Die deutsche Bauindustrie im Ausland

Zielmärkte 2013
Knapp 90 Prozent des Auftragseingangs entfielen auf Amerika, Asien und Australien. Der in der ersten Hälfte der neunziger Jahre noch dominierende europäische Markt kam nur noch auf einen Anteil von elf Prozent.

Beispiele für Beteiligungen deutscher Baufirmen

  • Mautstraßen, u. a. in Australien, Griechenland, Großbritannien, Österreich und Ungarn
  • Brücken- und Tunnelverbindungen, z. B. in Argentinien, Chile und Kanada
  • Flughäfen, u. a. in Albanien, Australien und Griechenland
  • Schul- und Krankenhausprojekte, u. a. in Australien, Großbritannien und Irland

Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie

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