Interview mit der Diplom-Kauffrau Tanja Leis: Die RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum als neutrale Plattform für alle am Baugeschehen Beteiligten führt derzeit das Pilotprojekt „Frauen in der Bauwirtschaft – Potentiale besser erschließen“ durch. Im Gespräch stellt Projektleiterin Tanja Leis die derzeitige Situation vor. Die Fragen stellte Christoph Berger.
Frau Leis, Sie führen derzeit das Untersuchungsprojekt „Frauen in der Bauwirtschaft“ durch. Um was geht es dabei?
Die RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum möchte einen Beitrag leisten, um das Arbeitskräftepotenzial von Frauen stärker für die Bauwirtschaft zu erschließen und zu nutzen. Wir wollen positive Beispiele und Vorbilder zeigen, dringende Handlungsfelder wie beispielsweise „Ausbildung von Frauen in technischen Berufsfeldern“, „Führung und Karriere“ oder „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutieren und Handlungsempfehlungen für die Zukunft erarbeiten. Zudem möchten wir die Bauunternehmen für Gender Diversity im Unternehmen sensibilisieren sowie das Image und die Attraktivität als Arbeitgeber verbessern. Die Baubranche ist durchauseine Hightech-Branche. Hier sind kreative und innovative Lösungen gefragt.
Was für Innovationen könnten das sein?
Mit neuen Lösungen, zum Beispiel der Methode Building Information Modeling (BIM), kann die Bauwirtschaft ihre Attraktivität steigern und Innovationsfähigkeit zeigen. Und natürlich geht es auch um die Schaffung belastungsärmerer Arbeitsplätze im Hinblick auf das Arbeiten bis 67. Um speziell junge Frauen für die Bauwirtschaft zu begeistern, muss sich grundsätzlich etwas in den Köpfen der Entscheider ändern. Es muss sich das Bewusstsein entwickeln, dass Frauenanders „ticken“, dies aber auch ein Gewinn für das Unternehmen sein kann. Zudem brauchen Frauen Vorbilder und wollen nicht nur wegen der Frauenquote unterstützt werden.
Die Führungskräfte müssen dahinterstehen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wie stellt sich die Situation für Frauen derzeit dar?
Derzeit liegen mir Zahlen aus dem Jahr 2014 vor. Demnach sind nur etwa zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im deutschen Bauhauptgewerbe Frauen. Und bisher entscheiden sich immer noch wenige Mädchen und Frauen für eine Ausbildung und Karriere in einem Bauberuf. Bei den Studienanfängern im Bauingenieurwesen sind immerhin 25 Prozent weiblich. Dies ist zu begrüßen und sollte weiter gesteigert werden. Auch in den Spitzenpositionen in der Bauwirtschaft sind Frauen immer noch eine Seltenheit. Es gibt aber auch einige sehr gute Beispiele von Frauen in der Bauwirtschaft, die erfolgreich ihr Unternehmen führen.
Was wären die Vorteile eines höheren Frauenanteils?
Meine Top 5-Argumente sind: Erstens schließt ein großes Potenzial an gut qualifizierten Frauen den Personalengpass an Fachkräften. Zweitens gehört Gender Diversity heute zu einer modernen Unternehmenskultur. An dritter Stelle sehe ich eine höhere Meinungsvielfalt innerhalb der Unternehmen. Viertens: Ein erhöhter Frauen-anteil verbessert und erhöht das Arbeitgeberimage. Und fünftens können mehr weibliche Kunden gewonnen werden.
Und welche Argumente haben Sie für Frauen, um in die Branche einzusteigen?
Die Bauspezialisten von heute sind gefragte Allrounder, die nicht nur über handwerkliches Geschick, sondern auch über umfassendes technisches Know-how verfügen. Neue Aufgaben, wie im Umweltbereich, erfordern zusätzliches Wissen. Mit den gewachsenen Anforderungen haben sich auch die Berufsbilder gewandelt und neue entwickelt. Durch die Digitalisierung sind außerdem zunehmend Köpfchen und Geschick gefragt. Sie kann auch dazu beitragen, Privatleben und Beruf besser in Einklang zu bringen. Zwei weitere Vorteile: Das Auskommen ist gesichert und die Aussichten sind bestens.