Bauen ist komplex. Außedem handelt es sich bei den meisten Bauten um Unikate. Da ist die Einführung von digitalen Standards eine besondere Herausforderung. Doch die Digitalisierung schreitet auch am Bau voran, unterschiedlichste Technologien finden Einzug – allen voran Building Information Modeling. Von Christoph Berger
BIM, also Building Information Modeling, Drohnen für die Vermessung, Erkundung und Bauwerksüberwachung, Sensortechnik für ein Dauermonitoring von Brücken, Roboter, die „eigenständig“ Wände mauern, Laserscanning, Häuser, die mit 3D-Druckverfahren gebaut werden, Blockchain-Technologie für ein automatisiertes und transparentes Vertrags- und Rechnungsmanagement, der Baustoffhandel, der seine Produkte mehr und mehr um BIM-Daten ergänzt und auch Bauwerke, die selbst smart sind, wie zum Beispiel der Cube Berlin, ein mit modernster Technik ausgestattetes Bürogebäude: Der Digitalisierung im Baubereich sind keine Grenzen gesetzt, die zur Verfügung stehenden Technologien finden nach und nach Einzug in die Branche mit entsprechenden Adaptionen.
Positionspapiere der Bauindustrie zur Digitalisierung in den drei Bausparten
- BIM im Hochbau
- BIM im Straßenbau
- BIM im Spezialtiefbau
Vor fünf Jahren sah die Bauwelt hingegen noch anders aus. Damals schrieb der ehemalige Bundesminister Alexander Dobrindt im Vorwort des 2015 vorgestellten „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“: „Um diese Potenziale in Deutschland zu heben, brauchen wir eine neue digitale Planungs- und Baukultur.“ Die zu hebenden Potenziale sah er bei der Qualität, Effizienz und Schnelligkeit im Bereich der Kompetenzen wie Produktion, Planen und Bauen. Durch digitale Technologien könnten beim Bau von Großprojekten „eine frühzeitige Vernetzung, enge Kooperationen und eine intensive Kommunikation aller Beteiligten“ sichergestellt werden, so sein Plan. Verschiedene Planungsvarianten könnten frühzeitig visualisiert, Prozesse standardisiert, Transparenz hergestellt, eine realistische Risikokalkulation erreicht und Bauzeiten sowie Baukosten erheblich reduziert werden.
BIM ist eine Methode
Nun, genauer gesagt Ende dieses Jahres, soll das in dem Stufenplan aufgezeigte Leistungsniveau 1 erreicht sein. Dies beschreibt die Mindestanforderungen, die dann in allen neu zu planenden Projekten – es geht um die Vergabe öffentlicher Aufträge für den Bundesinfrastrukturbau und den infrastrukturbezogenen Hochbau – mit BIM erfüllt werden sollen. Und an BIM hängt viel. Einige der anderen digitalen Technologien lassen sich hervorragend mit BIM kombinieren. Auch wenn BIM oftmals mit Software gleichgesetzt wird, durch deren Einsatz alle an einem Bauprojekt Beteiligten Zugriff auf das digitale Modell eines Bauwerks haben, steckt weit mehr als Technik dahinter.
Bei BIM geht es um eine Methode, um vernetztes und kollaboratives Arbeiten. Dobrindt spricht nicht umsonst von einer neuen Planungs- und Baukultur. Und diese Methode zieht sich über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks: angefangen bei der Planung, über die Ausführung und den Betrieb bis hin zum Rückbau. All die Phasen werden mit digitalen Technologien und Prozessen dargestellt. Statt der voneinander getrennten Arbeitsweise von Projektplanern, den ausführenden Bauunternehmen sowie schließlich den späteren Betreibern, füllen bei BIM alle Projektbeteiligten den digitalen Zwilling mit relevanten Informationen. Heraus kommt dann ein mehrdimensionales Modell, das über das 3D-Modell mit einem räumlichen Körper hinausgeht.
Erweitert werden kann dieses Modell um die Dimensionen Zeit, Kosten, Nachhaltigkeit und Effizienz. Oder auch um die für das Facility Management erforderlichen Informationen. Letztlich können noch weitere Aspekte Berücksichtigung finden, sodass man nicht mehr nur von 3D, 4D, 5D und so weiter sprechen kann, sondern von nD. Das Zusammenbringen sämtlicher Informationen in einem Modell bedeutet zudem auch, dass die zahlreichen Aktenordner mit Plänen, Verträgen etc., die bisher über die Büros der Beteiligten verteilt waren, nun an einem Ort zu finden sind: im BIM-Modell.
Doch dies ist längst nicht der einzige Vorteil, den ein solches Digital-Modell mit sich bringt. Offensichtlich ist da zum einen die visuelle Darstellung des Bauwerks. Durch die räumliche Betrachtung werden Bauwerke vorstell- und erlebbar. Ein anderes ausschlaggebendes Argument für BIM ist die mit der Methode einhergehende Transparenz, da sich jede Datenänderung direkt auf das gesamte Modell auswirkt, das Modell durch jede neue Eingabe aktualisiert wird. Und wenn jede Änderung sichtbar wird, zeigt sich auch deren Auswirkung. So werden Korrelationen vermieden, die Kosten bleiben unter Kontrolle und auch die Bauabläufe können besser aufeinander abgestimmt werden – um nur einige damit zusammenhängende Punkte zu nennen.
Zertifizierte Weiterbildungen
Trotz der kooperativen Arbeitsweise braucht es auch bei der BIM-Methode eine Koordination für die Zusammenarbeit – ähnlich wie dies in agilen Projekten notwendig ist. BIM-Manager, BIMKoordinatoren oder BIM-Modellierer sind neue Rollenbilder, die im Zusammenhang mit BIM entstanden sind. Die nötigen Jobkompetenzen zu diesen Jobprofilen können in zertifizierten Weiterbildungen erworben werden. Das Kompetenznetzwerk für digitales Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken, Building Smart Deutschland, hat gemeinsam mit dem Verein Deutscher Ingenieure VDI einen Standard für BIMKenntnisse entwickelt. Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung können ihre Programme über das Netzwerk zertifizieren lassen. Damit erhalten Teilnehmer die Sicherheit, dass ihre erworbenen BIM-Kenntnisse einem weltweit abgestimmten Standard entsprechen.
BIM-Weiterbildungen
Anbieter finden, die sich über Building Smart haben zertifizieren lassen.
BIM-Institut an der Bergischen Universität Wuppertal
BIM Deutschland – Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens
Forschungsprojekte für die Digitalisierung am Bau
SDaC – Smart Design and Construction
Bauen 4.0 – Digitalisierung auf derBaustelle
Bauen 4.0 – Effizienz & Produktivitätssteigerung durch Vernetzung & Kommunikation mobiler Maschinen
BIMcontracts
Autonom arbeitende Maschinen im Straßenbau 4.0 – ROBOT-Straßenbau 4.0
Und wie ist es um den BIM-Einsatz in deutschen Unternehmen bestellt? Laut Ergebnissen der im Dezember 2019 veröffentlichten Studie „Zukunft Bau – Beitrag der Digitalisierung zur Produktivität in der Baubranche“, die das ZEW Mannheim im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erstellt hat, hinkt die deutsche Baubranche im Vergleich zu anderen Branchen und im internationalen Vergleich beim Einsatz digitaler Technologien zum Teil noch hinterher. Wobei es hier um den generellen Einsatz digitaler Technologien und nicht ausschließlich um BIM geht. Doch die Studienautoren monieren, dass die Baubranche bislang wenig in Digitalisierungsprojekte investiere und sich dann oftmals auf den Einsatz grundlegender digitaler Lösungen wie die der elektronischen Rechnungsstellung oder CAD-Anwendungen (genutzt von 38,5 bzw. 36,2 Prozent der Unternehmen in der Baubranche inklusive Planungsbereich) beschränke. Bauspezifische Technologien wie 3D-Scanner oder virtuelle Realität werden dagegen eher selten genutzt (2,8 bzw. 7,5 Prozent der Unternehmen).
Als zentrale Hemmnisse für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsprojekten gelten der zu hohe finanzielle (62,4 Prozent der Unternehmen) und zeitliche (61,5 Prozent) Aufwand, der mit Digitalisierungsprojekten einhergeht. Als hinderlich werden von der Mehrzahl der befragten Unternehmen weiterhin zu strikte Datenschutzregeln (57,5 Prozent), der unzureichende Breitbandausbau (55,6 Prozent) und fehlende Standards und Schnittstellen (54,9 Prozent) wahrgenommen. Die Studie legt andererseits aber auch dar, dass die Baubranche die Potenziale der Digitalisierung für ökonomische Erfolgsvariablen wie Wettbewerbsfähigkeit, Innovationsfähigkeit oder Arbeitsproduktivität erkannt hat. Dies werde daran ersichtlich, dass deutlich mehr Unternehmen für die Zukunft positive Auswirkungen der Digitalisierung erwarten.
Gebündelte BIM-Kompetenzen
Damit noch mehr Unternehmen der Baubranche auf die Vorteile der Digitalisierung setzen, hat im Januar 2020 das nationale Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens „BIM Deutschland“ seine Arbeit aufgenommen. Das Zentrum führt Aktivitäten, Erkenntnisse und Erfahrungen zum Einsatz von BIM auf nationaler und internationaler Ebene zusammen und stellt dieses Wissen der gesamten Wertschöpfungskette Bau zur Verfügung. Dazu entwickelt BIM Deutschland Handlungsempfehlungen, einheitliche Vorgaben für öffentliche Auftraggeber des Bundes, eine Normungsstrategie sowie Konzepte für BIM-spezifische Aus- und Fortbildung.
Kernstück ist die Einrichtung eines BIM-Portals, das die gewonnene Expertise vermittelt und das Vorlagen für die vereinfachte Nutzung der BIM-Methode enthält. Allen Anwendern im Bau werden dort breit gefächerte Informationen, Muster, Vorgaben und Werkzeuge zur Verfügung gestellt. Nicht unerwähnt soll aber auch bleiben, dass manches Bauunternehmen bereits heute voll auf BIM setzt. Die dazu nötigen Erfahrungen wurden in aufwändig und durchgängig mit BIM durchgeführten BIM-Pilotprojekten gesammelt, sodass BIM-Know-how gestärkt und die nötigen Prozesse aufgebaut werden konnten. Sukzessive wurde BIM so mehr und mehr in den Projekten ausgeweitet.
Forschungsprojekte in vielen Technologiebereichen
Auch wenn die BIM-Methode mit Sicherheit eines der Hauptinstrumente bei der digitalen Transformation der Bauwirtschaft darstellt, beinhaltet die Digitalisierung des Bauens noch einige mehr Technologien als BIM. In einer Machbarkeitsstudie beispielsweise entwickelten Wissenschaftler der TU München zusammen mit Unternehmen eine Augmented Reality-Anwendung für Baggerfahrer. Dabei werden den Baumaschinenführern die für ihre Arbeit notwendigen Daten in Form von Hologrammen genau dort angezeigt, wo sie gebraucht werden. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die intelligenten Ortungssysteme eines Baggers, die mit Satellitenunterstützung arbeiten, die genaue Position und Drehung des Baggers und seiner beweglichen Teile bestimmen können. Man kann die digitalen Daten an den gewünschten Orten platzieren, wodurch ein Baggerfahrer zum Beispiel beim Betrachten einer Grube direkt sehen kann, wie tief und wie weit er noch graben und in welchem Radius er den Baggerarm schwenken darf. Die Mixed Reality wird dabei mithilfe der Mixed-Reality-Brille Holo-Lens eingesetzt.
Mittelstand 4.0
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Planen und Bauen unterstützt kleine und mittlere Unternehmen sowie Handwerksbetriebe bei der Digitalisierung und beim Einstieg in Building Information Modeling (BIM).
Mobile Roboter
Husky A200 heißt die mobile Roboterplattform, mit der erforscht wird, wie künftig mobile Plattformen autonom über Baustellen fahren und Lasten transportieren können. Der rollende Roboter ist eines von vielen Projekten, mit denen das Fraunhofer Italia Innovation Engineering Center die Digitalisierung im Bauwesen vorantreibt und eine Brücke zwischen Robotik und Bauwirtschaft schlagen will.
Um selbstfahrende Bagger, ein kabelloses 5G-Netzwerk mit Baustellencloud und intelligente Werkzeuge geht es in einem gemeinsamen Projekt der TU Dresden mit mehr als 20 Partnern. Mit neuen Maschinen- und Kommunikationstechnologien will man eine vollständig vernetzte Baustelle einrichten. Das Projekt hat Pilotcharakter, heißt es, da es erstmals den kompletten Kommunikationsweg erforscht – von der Bau- und Prozessplanung über die Baustellenlogistik bis hin zur Maschine. Hierfür werden neue Technologien entwickelt und schlussendlich im realen Baustellenumfeld erprobt.
Im Forschungsprojekt SDaC – Smart Design and Construction sollen mithilfe einer neuen KI-Plattform die Weichen für ein digitales und vernetztes Datenmanagement in der Bauwirtschaft gestellt werden. „Die Bauwirtschaft ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland und stellt für alle gesellschaftlichen Bereiche die notwendige Infrastruktur zur Verfügung“, so Professor Shervin Haghsheno, Leiter des Instituts für Technologie und Management im Baubetrieb des KIT und wissenschaftlicher Leiter des Forschungsprojektes SDaC. „Mit der Entwicklung und Erprobung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz über unseren Plattformansatz möchten wir ein neues Ökosystem für innovative Produkte und Dienstleistungen schaffen und einen Beitrag dazu leisten, dass die Akteure in der Wertschöpfungskette Bau ressourcenschonender und effektiver arbeiten können.“ Auf der geplanten Plattform sollen die Metadaten aus Bauprojekten unternehmensübergreifend verknüpft und miteinander verglichen werden, so dass auch für klein- und mittelständische Unternehmen valide Prognosen möglich sind. Hierfür liefern die Praxispartner Daten aus mehr als 16.500 Bauprojekten. Technologiepartner mit entsprechendem Expertenwissen entwickeln die Plattform und die Anwendungen.
Expert*innen für Digitales
Und was bedeuten all die technologischen Entwicklungen für Absolventinnen und Absolventen? So breit die Palette der Anwendungen, so weit gefächert ist die Suche nach entsprechenden Experten – jeweils gepaart mit dem jeweiligen Technologiewissen. Für die Entwicklung von BIM-Software werden beispielsweise Anwendungs- und Softwareentwickler, Implementierungsexperten und Datenbankadministratoren gesucht – meist mit einem Bauingenieurstudium als Basis. Denn sollen zum Beispiel Softwarelösungen für den Brückenbau entwickelt werden, braucht es auch tiefgehende Kenntnisse im konstruktiven Ingenieurbau und Betonbau. Die Bauunternehmen selbst setzen auf Bauingenieure mit entsprechendem ITWissen sowie auf Weiter- und Fortbildungen, um die Digitalisierung voranzutreiben. So werden beispielsweise Einarbeitungsprogramme für Jungbauleiter angeboten, in denen es neben den Fach- auch EDV- und Methodenschulungen geben wird. So lässt sich prinzipiell resümieren: Jetzt werden die Weichen für die Zukunft des Bauens gestellt.
Buchtipp: Technophoria
Feuilleton-Redakteur Niklas Maak hat einen Roman zu den großen Fragen unserer Zeit geschrieben: Technophoria. Darin arbeitet Turek für eine Firma, die Smart Cities baut. Sein Chef ist besessen von einem alten Plan: Wenn es gelänge, die ägyptische Qattara- Senke mit Wasser aus dem Mittelmeer zu fluten, könnte man den Meeresspiegel senken, den Klimawandel bremsen – und Milliarden verdienen. Technophoria erzählt von den Schönheiten und Absurditäten der digitalen Welt, von Menschen, die an der Zukunft bauen oder ihr zu entkommen versuchen. Ein scharfer Blick auf eine Gesellschaft, die ihre Freiheit für Komfort und Sicherheit aufgegeben hat, und eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die um die ganze Welt führt, zu Gorillas und Robotern, in anarchistische Kommunen, sprechende Häuser und Serverfarmen – und zu Menschen, die ihr Leben so wenig auf die Reihe bekommen wie die Liebe. Niklas Maak: Technophoria. Hanser 2020, 23 Euro.