StartBauingenieureDie Regenwassernutzer Louis Kott und Paul Kober im Interview

Die Regenwassernutzer Louis Kott und Paul Kober im Interview

Dass Wasser eine wertvolle Ressource ist, merken wir in Deutschland vor allem in trockenen Sommern. Zudem mehren sich Naturkatastrophen nach Starkregen-Ereignissen. Zeit, über einen neuen Umgang mit Wasser nachzudenken. Die Ingenieure Louis Kott und Paul Kober engagieren sich bei der Berliner Regenwasseragentur für eine kluge Bewirtschaftung der Ressource, die vom Himmel fällt. Die Fragen stellte André Boße

Zu den Personen

Paul Kober und Louis Kott sind Teil des Beratungsteams der Berliner Regenwasseragentur. Paul Kober ist Ingenieur für Technischen Umweltschutz. Er arbeitete in der Forschung im Bereich Siedlungswasserwirtschaft und beschäftigte sich dort vor allem mit der Behandlung von Stra.enabflüssen. Louis Kott hat zuvor einen Bachelor-Abschluss in Umweltingenieurwesen und einen Master in Urbaner Infrastrukturplanung gemacht. Zu seinen ersten beruflichen Stationen zählten Anstellungen in Planungsbüros und der Deutschen Bahn Netz AG.

Unsere Toilettenspülung läuft mit Trinkwasser, Regenwasser wird nur selten gesammelt, bei Starkregen laufen die Kanalisationen über und verschmutzen die Oberflächengewässer – wie wir es zuletzt bei Olympia in der Seine in Paris erlebt haben. Warum eigentlich ist das Wassermanagement in Deutschland und vielen Regionen Europas so schräg?
Louis Kott:
Das liegt vor allem daran, dass Wasser lange Zeit nicht als knappe Ressource betrachtet wurde. Dementsprechend wurde es behandelt. Kurz: Man hat es laufen lassen. Daraus resultiert, dass wir Wasser in Trinkwasserqualität für Zwecke verwenden, für die diese Qualität eigentlich nicht erforderlich wäre. Das ist immer noch der Status quo. Wobei wir langsam, aber sicher merken, dass sich das ändert.

Was genau ändert sich?
Kott:
Regenereignisse treten seltener auf, dafür werden sie zunehmend ex – tremer. Wir haben mit längeren Trockenperioden zu kämpfen, sodass Grundwasserstände oder die Pegel von Seen sinken. Wir spüren plötzlich: Wasser ist eben doch eine knappe Ressource. Oder führt, bei extremem Starkregen, zu Risiken durch Überflutungen.
Paul Kober: Was Studien zeigen: Die absolute Regenmenge übers Jahr verteilt ändert sich nicht wesentlich, aber die Regenereignisse verschieben sich mehr und mehr auf das Winterhalbjahr. So kommt es im Sommer zu langen Hitze- und Trockenperioden, die einhergehen mit überhitzten Städten – und zwar auch nachts: Die Zahl der so genannten tropischen Nächte nimmt statistisch gesehen zu.

Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung ist ein wichtiges Instrument zur Klimafolgenanpassung.

Kurz: Das Wasser kann uns heute durch die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr egal sein.
Kober:
Genau. Wir befinden uns aktuell in einer Phase, in der der alte Status quo auf eine neue Gegenwart trifft. Städte und Kommunen bekommen das vor Augen geführt und entwickeln Strategien, wie Regenwasser bewirtschaftet werden kann – anstatt es wie bisher einfach nur in die Kanalisation abzuleiten, nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Schließlich ist die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung darüber hinaus auch ein wichtiges Instrument zur Klimafolgenanpassung.

Wie kann eine solche Bewirtschaftung funktionieren?
Kott:
Die Stadt Berlin hat dafür einen „Masterplan Wasser“ aufgestellt, um alle Potenziale zu betrachten, Strategien zu entwickeln und daraus Maßnahmen einzuleiten. Darüber hinaus gilt in Berlin seit 2018, dass bei einem Neubau oder einer wesentlichen Änderung im Bestandsbau das Regenwasser auf dem Grundstück bewirtschaftet werden soll – und nicht mehr in die Kanalisation eingeleitet werden darf.

Das heißt: Das Regenwasser bleibt auf dem Grundstück.
Kober: Genau. Die Idee, dass es am besten ist, wenn es einfach abfließt, hat sich damit erledigt. Das ist wichtig, weil man sich vor Augen führen muss, dass bei stärkeren Regenereignissen die Mischwasserkanalisation im Innenstadtbereich verdünntes Schmutzwasser in die Oberflächengewässer bringt – und diese somit belastet. In Berlin ist davon der Landwehrkanal besonders betroffen.

Foto: AdobeStock/Dusan Kostic
Foto: AdobeStock/Dusan Kostic

Wenn das Regenwasser nicht mehr in die Kanalisation abgeleitet werden darf, ist die Bewirtschaftung des Wassers Privatsache, richtig?
Kott:
Ja. Weshalb es unsere Aufgabe als Regenwasseragentur ist, die Menschen zu beraten: Was kann man technisch tun, um von der Bewirtschaftung zu profitieren? Die Leute kommen mit Planungsvorhaben auf uns zu, sie wollen neu bauen oder sanieren und stehen nun vor der Aufgabe, das Regenwasser auf dem Grundstück zu bewirtschaften. Wichtig für uns ist, dass wir eine Vielfalt von Maßnahmen bereithalten. Wir haben nicht die eine Standardlösung. Unser Ansatz ist es, mit vielen verschiedenen Maßnahmen alle Komponenten des natürlichen Wasserhaushalts abzubilden und zeitgleich möglichst viel Mehrwert zu schaffen.

Was heißt das konkret?
Kober:
Es geht einmal darum, das Regenwasser zu managen, das zu viel gefallen ist – also nicht technisch fürs Haus nutzbar ist. Wir überlegen dabei, wie man das Regenwasser zur Verdunstung bringen kann. Gerade beim Neubau bietet es sich an, die Dächer zu begrünen. Auch geht es darum, auf dem Grundstück Flächen bereitzuhalten, auf denen das Wasser versickern kann, wobei hier naturnahe Lösungen wie eine Muldenversickerung hoch im Kurs stehen.

Wobei dieses Wasser dann ja auch verloren geht.
Kott:
Um das Wasser wirklich nutzen zu können, braucht man Speicher. Zum Beispiel Zisternen, also unterirdische Speicher. Auch Kellertanks sind möglich. Nutzen kann man es dann für die Bewässerung, die Toilettenspülung, zum Wäschewaschen oder auch zum Putzen. Welche Maßnahme im jeweiligen Fall richtig ist, zeigt sich individuell bei den Beratungsgesprächen. Haben wir ein Grundstück, das sich im Sommer schnell erhitzt, schauen wir, ob es Möglichkeiten gibt, Flächen zu entsiegeln. Und auch die Frage, wie gut das Wasser versickert, stellt sich von Grundstück zu Grundstück anders. Es gibt in Berlin Gebiete, wo das sehr gut funktioniert. Bei anderen ist es schwieriger. Hinzu kommt, dass der jeweilige Abstand zum Grundwasserspiegel bedacht werden muss. Die Beratung ist also wirklich sehr individuell.

Building Information Modeling, kurz BIM, ist auch in der Wasserwirtschaft ein großes Thema.

Wie gut lassen sich digitale und KI-Methoden für Ihre Arbeit nutzen?
Kober:
Gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben wurde ein Prototyp eines digitalen Planungstisches entwickelt. Ziel ist es, daran Regenwasser-Konzepte zu erstellen und dabei alle wichtigen Akteure einzubeziehen. Das ist sehr wichtig, weil das Thema Regenwasser immer impliziert, dass viele Stellen davon beeinflusst sind. Es gibt die Wasserbehörde, die auf das Grundwasser achtet, dazu den Denkmalschutz oder die verschiedenen Nutzerinnen und Nutzer. Zu solchen Planungstools laufen derzeit in Berlin spannende Forschungsprojekte, in die wir involviert sind. Darüber hinaus gibt es in Berlin einen großen digitalen Schatz, nämlich den Umweltatlas. Dieser bietet für die gesamte Stadt verschiedene Geodaten, zum Beispiel zur bereits umgesetzten Dachbegrünung. Auch die Grundwasserstände oder Bodenverhältnisse sind einsehbar. Dieser Datenschatz erweitert sich ständig. Er ist damit ein sehr gutes digitales Tool, um für Ingenieurinnen und Ingenieure aus den verschiedensten Bereichen herauszufinden, wo was getan werden kann.
Kott: Darüber hinaus ist das Building Information Modeling, kurz BIM, auch in der Wasserwirtschaft ein großes Thema. Die 3D-Planung ermöglicht uns, in Planungsprozessen frühzeitig Probleme zu erkennen, zum Beispiel Konflikte bei der Nutzung von Leitungen. Auch lassen sich Schnittstellen viel früher identifizieren, indem sich Planungen visualisieren lassen.

Was für Fähigkeiten muss man mitbringen, um in Ihrem Berufsfeld erfolgreich zu arbeiten?
Kott:
Das A und O ist die Kommunikation. Einerseits, weil wir in der Beratung aktiv sind, andererseits, weil wir in der Regel an Schnittstellen arbeiten, zum Beispiel zu öffentlichen Institutionen wie Bezirksämtern, Senatsverwaltungen oder Berliner Wasserbetrieben. Und natürlich sind die Planenden sowie die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer auch Teil der Prozesse. In diesem Zusammenspiel nehmen wir die Rolle des Vermittlers auf, im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Regenwassers. Damit dies gelingt, ist auch strategisches Denken wichtig – und der Mut, Ideen frühzeitig zu platzieren. Denn es ist in solchen Planungsprozessen nicht immer so, dass die Leute früh ans Regenwasser denken.
Kober: Man muss auch wissensdurstig sein, um bei den Themen auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Begeisterung fürs Thema hilft, um neue Mitstreiter und Mitstreiterinnen zu gewinnen mit dem Ziel, Berlin zu einer klimaangepassten Stadt werden zu lassen. Damit das gelingt, braucht es sehr viele Menschen, die absolut von der Idee überzeugt sind.

Zur Initiative

Die Berliner Regenwasseragentur ist eine gemeinsame Initiative der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (Land Berlin) und der Berliner Wasserbetriebe. Sie versteht sich als Servicestelle rund um die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung. Sie soll das Land Berlin seinem Ziel näherbringen, Berlin wassersensibel zu gestalten – sprich: möglichst viel Regenwasser vor Ort zu halten und damit den natürlichen Wasserhaushalt zu stärken. Dies soll durch die Begrünung von Dächern und Fassaden, die Entsiegelung von Flächen sowie die Speicherung, Nutzung, Verdunstung und Versickerung von Regenwasser geschehen.

www.regenwasseragentur.berlin

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