3 Trends – 3 Fragen an Peter Hübner, Präsident der BAUINDUSTRIE
Bleibt der Bau trotz der derzeitigen Herausforderungen – Preissteigerungen, Knappheit bei Rohstoffen oder dem Krieg in der Ukraine – weiterhin eine Zukunftsbranche für junge Bauingenieurinnen und Bauingenieure?
Ja, denn eines ist klar: Ohne uns geht es nicht. Wir bauen Krankenhäuser, Schulen, Wohnungen, Altenheime und Verkehrswege – wir begleiten die Bürgerinnen und Bürger ein Leben lang. Der Bau war und ist die Stütze der deutschen Volkswirtschaft. Es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung auch weiter den notwendigen Fokus auf den Infrastrukturausbau und die Modernisierung setzt, damit unser Land vorankommt. Wir haben in den letzten 15 Jahren 200.000 Menschen (das ist nur der Nettowert bzgl. Rentenaustritte. Wir könnten sogar mit „über 460.000“ rangehen) eingestellt. Das hat keine andere Branche geschafft. In den letzten zwei Jahren gab es immer mehr Ausbildungsabsolventen. Wir haben einfach eine extrem gute Zukunftsperspektive zu bieten. In den kommenden Jahren müssen wir diese Perspektive noch stärker herausstellen, da wir allein auf Grund der Abgänge in die Rente viele neue Menschen beschäftigen wollen. Der Bau ist vielfältig, innovativ und schafft Arbeits- und Lebenswelten, die Generationen überdauern. Diese Faszination zu vermitteln, ist eine Zukunftsaufgabe, um im „war for talents“ zu bestehen. Der Fokus auf digitale Arbeitsmethoden und innovative Produkte wird wiederum Begeisterung bei jungen Menschen auslösen und neben der Produktivität auch die Branchenattraktivität steigern würden.
Welche Rolle ordnen Sie den Unternehmen der Bauindustrie in den für sie so zukunftsentscheidenden Themen Klima- und Umweltschutz sowie der digitalen Transformation zu?
Die Bauindustrie bekennt sich etwa klar zu den Klimaschutzzielen im Gebäudesektor, der rund 40 Prozent aller CO2-Emissionen bundesweit emittiert. Auch wenn wir als Bauindustrie nur einen Bruchteil dieser Emissionen selbst verantworten, können wir dem Gebäude- und auch anderen Sektoren helfen, ihre Emissionen langfristig zu senken. Wir sind eine Schlüsselbranche für den Klimaschutz, der enormen Bauaufgaben mit sich bringt. Doch wie gelingt nachhaltiges Bauen in der Praxis? Technisch sind wir bereits heute in der Lage, klimaschonend zu bauen. Wir sind allerdings auf einen Auftraggeber angewiesen, der diese Potentiale abruft und beauftragt. Gerade die öffentliche Hand nutzt dies bisher noch zu wenig. In fast allen öffentlichen Ausschreibungen zählt ausschließlich der Preis und nicht die beste Idee. Um dies zu ändern, braucht es einerseits Vergabekriterien, die eine Bewertung der nachhaltigsten und wirtschaftlichsten Idee transparent und nachvollziehbar möglich machen. Andererseits sollten bei Projektvergaben Emissionen über alle Phasen des Lebenszyklus berücksichtigt werden, damit wir ganzheitlich optimieren können. Digitalisierung wird uns dabei helfen: Building Information Modeling (BIM) spielt neben Technologien wie Robotik, dem Einsatz von Drohnen, Sensorik etc. bereits heute eine entscheidende Rolle, um Bauwerke ganzheitlich zu planen bzw. den Bauablauf zu verbessern. Unternehmen, Planer und Auftraggeber erkennen mehr und mehr die Vorteile dieses Ansatzes: weniger Fehlplanungen durch digitale Simulation des Bauvorhabens vor Baubeginn oder Zeit- und Kostenreduktion durch optimierte Personal-, Material-, Geräte- und Maschineneinsätze. Doch: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine gemeinsame Aufgabe aller Bau-Beteiligten, um die Anforderungen der Kunden und Nutzer zu erfüllen, und die Komplexität durch die verändernden ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen zu meistern. Nachhaltiges Bauen, mehr Wohnungen, Sanierung der Brücken, Ausbau der Infrastruktur: Um all die vor uns liegenden Bauaufgaben bewältigen zu können, müssen wir unsere Produktivität durch Industrialisierung steigern. Auch hierbei wird uns die digitale Transformation helfen.
Ohne die Bauunternehmen werden auch die Mobilitätswende, die Energiewende oder bezahlbares Wohnen nicht klappen. Wächst das erforderliche Kompetenz-Set für Bauingenieurinnen und Bauingenieure damit erheblich an?
Wenn wir uns als Gesellschaft eine Nachhaltigkeitsagenda geben wollen, muss die praktische Planung und Ausführung mit innovativen Ideen und fachlich exzellent ins Werk gesetzt werden. Natürlich bedeutet das auch eine enorme Entwicklung der Themenvielfalt im Bauingenieurwesen und eine Potenzierung beruflicher Optionen. Für Studierende bringt das vor allem mehr Wahlmöglichkeiten mit sich. Sie können den klassischen Weg über ein generalistisch ausgelegtes Studium mit Anteilen von Baukonstruktion, Statik, Geotechnik, Verkehrs- und Wasserwesen oder Baumanagement wählen. Sie können ihr Interessengebiet aber auch schon im Bachelor, oder später im Master durch eine zunehmende Anzahl fachlicher Wahlmöglichkeiten klarer eingrenzen und sich stärker spezialisieren. Daneben treten immer mehr duale Studiengänge, die von Beginn an einen höheren Spezialisierungsgrad aufweisen, etwa im Projektmanagement oder der Fassadentechnik. Letztlich geht es also nicht darum, ob das notwendige Kompetenz-Set anwächst. Es geht vielmehr darum, ob die Möglichkeit der Kompetenzentwicklung sich erweitert, um neue gesellschaftlich relevante Aspekte mit dem Bauingenieurwesen zu verknüpfen. Und diese Frage ist eindeutig mit „Ja“ zu beantworten. Neue Aufgabenfelder machen den Beruf nicht schwieriger, den Weg durchs Studium nicht steiniger, sondern erfordern oft nur eine stärkere Spezialisierung im Studium oder im späteren Beruf, ohne dabei die nötigen Kernkompetenzen eines qualitativ hochwertigen Bauingenieur-Studiums zu vernachlässigen.