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Daten und Dialog

Keiner weiß, was der andere tut – das soll es bei Bauvorhaben nicht mehr geben. Durch Building Information Modeling und Projekte in 5-D entstehen digitale Plattformen, mit deren Hilfe sich der gesamte Prozess durchleuchten und planen lässt. Für IT-kundige Bauingenieure entsteht somit das neue Jobprofil des Datenmanagers. Gefragt sind dafür digitale und kommunikative Kompetenzen. Von André Boße

Die Ideen von Industrie 4.0 sind bereits in aller Munde. Kurz zusammengefasst: Bei der Produktion kommen „cyber-physische Systeme“ zum Einsatz. Das sind Roboter, die nicht nur automatisch Produktionsschritte übernehmen, sondern auch so intelligent sind, dass sie ihre Arbeitsschritte nach der Konfiguration selbst planen sowie mit anderen Robotern kommunizieren. Dies geschieht über ein Internet der Dinge, in dem die Interaktion von Maschinen mit künstlicher Intelligenz stattfindet. Der Ort, an dem dies geschieht, nennt sich SmartFactory. Dabei spielt der Mensch auch weiterhin eine wichtige Rolle. Er installiert und konfiguriert die digitalen Produktionsprozesse, füttert sie mit Daten und wertet diese aus. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Produktion in den intelligenten Fabriken der Industrie-4.0-Welt ist transparent und effizient. Durch die Daten werden Qualitätskontrollen entlang des gesamten Prozesses einfacher. Die Systeme der Industrie-4.0-Welt helfen der Industrie also dabei, die immer komplexer werdende Produktion zu meistern. Es überrascht nicht, dass die technischen Unternehmen diesen Wandel sehr begrüßen: In einigen Bereichen herrscht eine echte Pionierstimmung. Es gibt kaum eine Branche, die den Veränderungen nicht optimistisch entgegenblickt. Neben dem Begriff Industrie 4.0 hat der Aufbruch bereits weitere Bereiche erfasst: Es gibt Pharma 4.0 und die veränderten Tätigkeitsprofile werden als Arbeit 4.0 bezeichnet. Aber was ist mit Bauen 4.0?

Bauen 4.0 auf dem Vormarsch
Tatsächlich ist auch dieser Begriff auf dem Vormarsch. Gedacht wird er im Zusammenhang mit dem Einsatz des „Building Information Modeling“ (BIM), also der Planung und Durchführung eines Baus mithilfe von IT. Führende Verbände und Institutionen aus der Baubranche haben jetzt die Gesellschaft Planen-Bauen 4.0 gegründet. Das Ziel: Es soll mit der Idee von Bauen 4.0 schneller vorwärtsgehen, einige Akteure der Branche werden ein wenig ungeduldig. „Die Qualifikation unserer Bauingenieure sowie deutsche Bautechnik sind weltweit nach wie vor sehr gefragt. In Sachen Digitalisierung hinken wir allerdings hinterher“, beobachtet Helmut Bramann, Mitglied der Geschäftsführung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und seit März 2015 Geschäftsführer von Planen-Bauen 4.0. In vielen Ländern gehören digitale Arbeitsweisen schon zum Tagesgeschäft; entsprechendes Know-how werde dort vom Nachwuchs wie selbstverständlich erwartet. In Großbritannien müsse BIM ab 2016 bei allen staatlichen Bauprojekten angewendet werden – auch in der Instandhaltung, nicht nur im Neubau. „Es ist Zeit, dass wir uns in Deutschland mit den Möglichkeiten moderner Techniken nicht nur befassen, sondern sie in der Ausschreibung verlangen und entlang der Wertschöpfungskette durchgängig einsetzen “, fordert Bramann.

Bauen in 5-D

Bauen 4.0 – das funktioniert fünfdimensional. Wie, das erläutert das von Unternehmen der Baubranche gegründete Netzwerk „5Dinitiative“, das europaweit das Bauen der Zukunft gestalten will. 3-D stand für: Man sieht, was man baut. Also ein 3-D-Modell des geplanten Gebäudes. 4-D hieß: Man sieht, was man wann baut. Teil des Modells ist also der zusätzliche Zeitplan. 5-D bedeutet nun: Man sieht, wie man baut. Das Modell beinhaltet die kompletten Prozessdaten, von der Produktion bis zur Anlieferung, den Fortschritt und die Kosten sowie den späteren Betrieb mitsamt aller Kosten.
Quelle: www.5d-initiative.eu

Digital hilft am Bau
Ganz ähnlich wie bei der Industrie 4.0 geht es auch beim Bauen 4.0 darum, die Möglichkeiten der digitalen Technik für die konkrete Arbeit am Bau zu nutzen. Die Computer ersetzen dabei nicht das Know-how der Bauingenieure. Aber sie helfen, die Projekte deutlich effizienter und transparenter zu gestalten – und das ist mit Blick auf die steigende Komplexität heutiger Bauvorhaben von großer Bedeutung. „BIM verknüpft wichtige Produktoder Objektdaten in einem digitalen Modell, das zum effektiven Management von Informationen über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks hinweg dient – von den ganz frühen Konzeptphasen bis hin zum Betrieb“, definiert Helmut Bramann die Stärken der Methode. Konkret könne BIM dabei helfen, Termin- und Kostenüberschreitungen bei Bauprojekten zu vermeiden. Bramanns Wunsch an die Branche: „Wir sollten in der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft lernen, mehr in Wertschöpfungsketten zu denken – und unsere Prozesse dann entlang dieser Ketten zu optimieren.“

Eine wichtige Rolle dabei spielt seiner Meinung nach die junge Generation. „Angehende Bauingenieure arbeiten heute nicht mehr am Zeichenbrett, sie müssen am Computer spezielle Software beherrschen.“ Von Führungskräften in der Bauwirtschaft werde daher immer stärker gefordert, eine Immobilie von der Projektentwicklung über die Projektrealisierung bis zum Facility Management professionell zu begleiten. „Der klassische Bauingenieurstudiengang befähigt Absolventen heute noch nicht per se für diese anspruchsvolle interdisziplinäre Tätigkeit“, schätzt Helmut Bramann. Dennoch ist er optimistisch: Die Hochschulen seien auf dem richtigen Weg, den Studierenden das passende Rüstzeug für Bauen 4.0 an die Hand zu geben.

Ungekannte Transparenz
Dieses Rüstzeug benötigen die Nachwuchskräfte unbedingt beim Einstieg in die Bauwirtschaft. Ob bei den Projektspezialisten oder den großen Konzernen: „Die Ideen von Industrie 4.0 sind in der Bauwelt angekommen“, sagt Dr. Hansgeorg Balthaus, Geschäftsführer Engineering bei Hochtief. Seit rund zehn Jahren etablieren sich international immer neue Konzepte von „Virtual Design & Construction“, also der virtuellen Modellierung von Bauprojekten. Die Hochtief-Tochter ViCon hat sich im Konzern auf dieses Geschäft fokussiert. „Die mit dem Modell verknüpften Merkmale wie Produkteigenschaften, Ausführungstermine und Baukosten werden in digitalen Datenbanken abgelegt und von dort für die Projektbeteiligten verfügbar gemacht“, erläutert Balthaus die Praxis. „Dadurch entsteht eine Transparenz, wie wir sie bisher bei der Realisierung von Projekten nicht kannten.“ Bei Hochtief bereitet man die jungen Bauingenieure daher auf eine Arbeit vor, die sich deutlich stärker am Dialog orientiert. Orte der Interaktion sind vorzugsweise bedienbare Großbildschirme, interaktive Whiteboards oder Smartboards.

Damit dort Dialog und Datenfluss funktionieren, ist es wichtig, einen für das Projekt verantwortlichen Datenmanager zu ernennen. „In unseren Projekten entstehen daher neue Schlüsselfunktionen, zum Beispiel die des BIM-Managers“, berichtet Balthaus. Auch der Top-Manager fordert daher eine Grundsatzausbildung im Digitalen Bauen an den Hochschulen, „aber auch ein projektnahes Training in den Unternehmen“. Ergänzend komme es auf die Schulung der kommunikativen Fähigkeiten an. Balthaus sagt: „Bauen 4.0 steht nicht für eine Arbeit, die im stillen Kämmerlein stattfindet. Der BIM-Bauingenieur kommuniziert mit Planern und Bauausführenden häufig über Web- oder Videokonferenzen, aber auch weiterhin in regelmäßigen persönlichen Projektmeetings.“ Die Interaktion über digitale Schnittstellen ist wichtig. Aber eines gilt auch weiterhin: Wer zusammen erfolgreich bauen will, muss auch miteinander reden.

Netzwerk Bauen 4.0

Jade Hochschule mit Sitz in Oldenburg und Wilhelmshaven hat ein Netzwerk „Bauen 4.0“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, angehende Bauingenieure und junge Bauingenieure in den Unternehmen zu vernetzen und bei Veranstaltungen an einen Tisch zu bringen. Bei Themen wie Wissensmanagement, der IT-Umsetzung einer „BauCloud“ oder dem BIM-Einsatz in verschiedenen Bauphasen, sollen Forschung und Praxiserfahrungen miteinander gekoppelt werden. Weitere Informationen gibt es beim Institut für Bau- und Immobilienwirtschaft der Jade Hochschule.

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