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Das Projekt des Zaren

Im Zentrum von Russlands Sankt Petersburg gibt es seit über 300 Jahren ein Areal, zu dem die Bevölkerung bis vor einiger Zeit keinen Zugang hatte: die Insel Neu-Holland. Doch jetzt wird das einstige militärische Sperrgebiet unter Erhaltung der historischen Bausubstanz unter der Leitung von Drees und Sommer umgebaut. Es soll das neue kulturelle Stadtzentrum von Russlands zweitgrößter Metropole werden. Von Christoph Berger

Sie ist die Wiege der russischen Schifffahrt, diese etwa acht Hektar große Insel in Form eines gleichseitigen Dreiecks inmitten von Sankt Petersburgs Stadtzentrum. Nachdem Zar Peter I. in Holland im 18. Jahrhundert bei einem Werftmeister eine Zimmermannslehre abgeschlossen und sich mit der Konstruktion von Schiffen beschäftigt hatte, plante er, Schiffe von da ab nach holländischem Vorbild in Russland zu bauen, mitten in Sankt Petersburg. So bekam die Insel ihren Namen: Neu-Holland. Allerdings wurden auf dem Eiland nicht nur Schiffe gebaut: Zeitweise waren dort auch ein Kriegshafen, ein Gefängnis und Krankenhaus angesiedelt, einige Jahre war es Standort des einflussreichsten Radiosenders der damaligen Zeit. Zuletzt lag das Areal über 20 Jahre brach. Doch mit dem Ende eines Investorenwettbewerbs Ende 2010 begannen die Neuplanungen. Der russische Geschäftsmann Roman Abramovich leitete mit seiner Londoner Stiftung „Iris Foundation“ und der Projektgesellschaft „New Holland Development“ die Neuentwicklung ein.

„Wir schaffen die Grundlage für die Neunutzung“, sagt Steffen Sendler, Partner bei Drees und Sommer, Geschäftsführer des Standortes in Moskau und seit 2011 mit dem Projekt betraut. Das Unternehmen mit Zentrale in Stuttgart begleitet das Vorhaben seit 2011 als Vertreter des Bauherren und als Berater für die bauliche und ingenieurtechnische Entwicklung der Liegenschaft. „Aus technischer Sicht gehören dazu die Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, das Nachsichern der Fundamente sowie der Neubau von Brücken und Hausdächern. Darüber hinaus vertreten wir den Bauherrn in sämtlichen Belangen und leiten das Projektmanagement.“

Das ist eine enorme Koordinationsaufgabe, da unterschiedlichste Gesprächspartner miteinander vernetzt werden müssen. Da ist zum Beispiel das Thema Denkmalschutz: „Es handelt sich um historische Bausubstanz mit wichtiger Bedeutung für die Geschichte Russlands. Gleichzeitig werden hier neueste technische Lösungen, funktionale Entscheidungen und Energieinnovationen auf alte Gemäuer treffen“, erklärt Sendler. Zusammengenommen haben die Gebäude eine Fläche von 50.000 Quadratmetern. Es gibt nur eine beschränkte Kanalisation, eingeschränkte Elektrizität, an wenigen Orten Wasser, keine Fernwärme und keine Heizung. Doch die außergewöhnliche Architektur der Bogengewölbe und Warenlager hat Neu-Holland den Ruf als eine der romantischsten und geheimnisvollsten Ecken Sankt Petersburgs verliehen. Daher sollen Hotels, ein Museum, ein Parkhaus, Geschäfte und ein Konzerthaus in die vorhandene Bausubstanz integriert werden. Steffen Sendler sagt: „So entstehen beispielsweise ganz andere Stromverbräuche. Und es wird Frischwasser benötigt.“

Das Parkhaus wird unterirdisch geplant. Die benötigte Energie wird aus einem neu zu bauenden Energiekomplex kommen, einer Kraft-Wärme- Station. Um den Frischwasserverbrauch zu reduzieren, sollen Grauwasseranlagen für die Nutzung des Regenwassers installiert werden. Zum Einsatz kommen auch neue Fassadentechnologien, die in den Häusern mit den zum Teil eineinhalb Meter dicken Mauern für ein angenehmes Klima sorgen sollen. „Immerhin sind die Holzpfeilgründungen in gutem Zustand“, sagt Sendler. Die gesamte Stadt ist auf sumpfigem Land erbaut worden, Häuser und Straßen werden durch die Gründungen gestützt.

New Holland bei Nacht, Foto: New Holland Development, St. Petersburg
New Holland bei Nacht, Foto: New Holland Development, St. Petersburg

Das an dem Projekt beteiligte Drees-und-Sommer-Team besteht aus einem Mix von erfahrenen und jungen Kollegen – darunter auch mehrere Bauingenieure. „Die jungen Kollegen haben meist noch wenig Auslandserfahrung, können an der Seite der langjährigen Mitarbeiter aber viel lernen. Und da ingenieurtechnische Lösungen im Mittelpunkt stehen, sollten vor allem in diesem Bereich Kenntnisse vorhanden sein“, sagt Sendler. Die Prozesse und der Bau werden mit BIM-Software, dem Building Information Modeling, geplant und dargestellt. Dazu zählen unter anderem die Bereiche Strom, Gas und Wasser.

Doch auch den wirtschaftlichen Teil darf ein Projektmanagement- Dienstleister nicht vernachlässigen. Mitarbeiter mit Wirtschafts-Know-how werden daher ebenfalls gebraucht. Oder mit einer Kombination aus wirtschaftlichem und technischem Wissen. Denn immerhin geht es um das Managen von Projekten, in denen die Kommunikation mitsamt der Koordination, die Kosten, die Qualität und die Technik sowie die Termineinhaltung über einen erfolgreichen Abschluss entscheiden. Das Projekt in Sankt Petersburg soll 2018 fertiggestellt sein.

Filmtipp

Neu-Holland wird nach einem Entwurf der „Work Architecture Company“ (Work AC) aus New York, USA, umgesetzt. Das Architekturbüro präsentiert seine Vorstellungen von der Insel in einem kurzen Video: http://vimeo.com/27318391

Neu-Holland im Internet

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