StartBauingenieureBIM in der Baubranche: „Rechtzeitig positionieren“

BIM in der Baubranche: „Rechtzeitig positionieren“

Building Information Modeling (BIM) verändert die gesamte Baubranche. Dr. Kai-Stefan Schober, Bau-Experte und Partner von Roland Berger, erklärt im Interview, welche Chancen und Risiken mit dem BIM-Einsatz verbunden sind. Die Fragen stellte Christoph Berger

Zur Person

Dr. Kai-Stefan Schober ist Senior Partner der Roland Berger GmbH und seit 2001 im Competence Center Civil Economics, Energy & Infrastructure des Unternehmens. Zu seinen Kunden zählen internationale Unternehmen aus der Bauzuliefer- und Bauindustrie sowie Industrieservices. Seine Expertise umfasst unter anderem die Bereiche Strategie, Digitalisierung, Reorganisation, Restrukturierung, Performance-Steigerung und Business-Planung sowie Marketing und Branding. Schober ist Verfasser der Studie „Digitalisierung der Bauwirtschaft“. So berät er Unternehmen der Branche, die Chancen der Digitalisierung bestmöglich auszuschöpfen.

Herr Dr. Schober, was ändert sich für die Bauunternehmen durch den Einsatz der BIM-Methode?

BIM verändert die Entscheidungsketten in der Bauindustrie. Das führt etwa dazu, dass Architekten und Planer in einer frühen Projektphase direkt über Lieferanten und deren Produkte entscheiden, während Generalunternehmer und Baustoffhändler diesbezüglich an Einfluss verlieren.

Das wird nicht die einzige Änderung sein. In Ihrer Studie „Turning point for the construction industry – The disruptive impact of Building Information Modeling (BIM)“ sind Sie auch zu dem Ergebnis gekommen, dass mit BIM ganz neue Geschäftsmodelle entstehen. Um welche handelt es sich dabei?

Zum einen gibt es ganz neue Akteure im Markt. Das können zum Beispiel Software-Anbieter sein, die sogenannte BIM-Bibliotheken anbieten. Auf den BIM-Plattformen lassen sich Bauprojekte online konfigurieren – ähnlich wie dies zum Beispiel bei der Küchenplanung funktioniert. Der Eintrag in die BIM-Bibliothek entspricht dabei mehr oder weniger einer Listung im Handel. Deshalb müssen es beispielsweise die Baustoffhersteller schaffen, ihre gesamte Produktpalette BIM-kompatibel in sogenannte „Bim-Objects“ auszugestalten. Diese können sie anschließend gegen Bezahlung an die Software-Anbieter in die Bibliotheken aufnehmen lassen. Zum anderen müssen die etablierten Unternehmen auf die veränderte Wertschöpfungskette reagieren. Die Baustoffhersteller werden in Zukunft mittels Marketing öfter direkt die Architekten und Planer ansprechen. Deshalb könnten Bestell- und Lieferprozesse über BIM durchaus auch am Handel vorbeigehen. So sollten sich Händler rechtzeitig positionieren, um nicht ihre Geschäftsbasis zu riskieren.

Wird BIM daher durch solche Veränderungen für alle Unternehmen ein Muss?

Grundsätzlich kann BIM bei allen Bauprojekten eingesetzt werden. Dabei wird sich die Technologie mittel- bis langfristig zum Standard entwickeln. Somit sollte sich jeder Akteur der Bauwirtschaft mit BIM beschäftigen. Dennoch sind auch die Größe des Vorhabens und die Frage, ob es sich um ein öffentliches oder privates Projekt handelt für den Einsatz entscheidend. Bei kleinen Bauentwürfen oder in kleinen Bauunternehmen ist der Einsatz heute noch nicht unbedingt erforderlich, während die öffentliche Hand BIM ab 2020 als Standard für Ausschreibungen verlangt. Kleinere Unternehmen können BIM jedoch beispielsweise auch zur Visualisierung ihrer Bauobjekte einsetzen. Dann kann der Bauherr vor dem ersten Spatenstich vor Ort sein finales Projekt mit der Virtual Reality-Brille begehen oder im Rohbau mithilfe von Augmented Reality die Steckdosen versetzen lassen oder sich aufgrund der Optik für Parkett statt Laminat entscheiden. Außerdem lassen sich mit BIM die Bauten einfacher standardisieren, was Kosten spart.

Welche Herausforderungen sind mit der Entscheidung für einen BIM-Einsatz verbunden?

Einerseits ist es ein Kostenthema. Bevor sich Einsparungen bemerkbar machen, müssen die Unternehmen in die Software, die Datenbank und Personal, das damit umgehen kann – Kompetenzen müssen trainiert werden – investieren. Andererseits sollte BIM von allen am Lebenszyklus eines Bauwerks Beteiligten genutzt werden. Das betrifft auch den Betrieb, der in Zukunft die Gebäudeverwaltung übernimmt. Für ihn lassen sich schon in der Planungsphase zukünftige Betriebs- oder Wartungskosten errechnen. Außerdem werden anfallende Reparaturkosten deutlich gesenkt, da etwa bei einem defekten Heizungsrohr alle Leitungen und Wände in BIM visualisiert sind. Der Handwerker weiß dann genau, wo er wie anpacken muss.

Genau diese phasenübergreifende Zusammenarbeit aller Akteure ist es ja, die den Einsatz von BIM zusätzlich so attraktiv macht, oder?

Richtig. BIM vereinfacht nicht nur die Planung, sondern stellt die digitale Unterstützung des gesamten Bauprojekts dar – von der Entwicklung bis zum Betrieb. Alle Informationen werden überführt in ein kollaboratives Bausystem, auf das alle Akteure digital Zugriff haben. In der Regel spricht man von 6 Stufen der BIM Entwicklung. In Deutschland befinden wir uns derzeit erst am Anfang auf der ersten. Stufe 6 wäre schließlich die volle Integration aller Beteiligten in BIM. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Stufe in zehn Jahren erreicht wird. Dabei wird im optimalen Fall eine offene Plattform genutzt, die alle Baudaten in ein Modell integriert. Die BIM-Objekte sind dabei standardisiert, zum Beispiel durch den Standard IFC. Alle Informationen wie Termine oder Mengenangaben können dann von allen am Bau Beteiligten in Echtzeit abgerufen und bearbeitet werden.

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