StartBerufslebenAuslandAls Bauingenieur unterwegs in der Welt

Als Bauingenieur unterwegs in der Welt

Bauingenieur Jens Voigt lebt in Darmstadt, ist aber in der Welt zu Hause. Für seinen Arbeitgeber Arcadis ist er in einer Spezialdisziplin des Bauingenieurwesens unterwegs: der Geotechnik. Aufgezeichnet von Christoph Berger

Jens Voigt hat vergessen, in wie vielen Ländern er inzwischen Bauprojekte betreut und wie viele er deswegen geschäftlich bereist hat. Auf sämtlichen Kontinenten war der Bauingenieur und Projektleiter Geotechnik des Ingenieurdienstleisters Arcadis inzwischen in Projekte involviert. Ähnlich ist den Bauvorhaben dabei meist nur eines: die Aufgabenstellung. Jens Voigt beurteilt Böden hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit für Bauwerke. Er untersucht den Baugrund, nimmt Bodenproben, wertet diese aus und macht zum Beispiel Setzungsberechnungen anhand derer entschieden wird, ob das geplante Bauwerk tatsächlich an der gewünschten Stelle gebaut werden kann – beziehungsweise was gemacht werden muss, um es sicher zu gründen.

Für ihn und seine Kollegen sind Böden und Fels Baustoffe wie Beton und Stahl. „Spannend ist, dass ich schon sehr früh in die Planungen einbezogen werde. Manchmal kann man nämlich überhaupt nicht so bauen, wie der Kunde sich das vorgestellt hat. Da braucht es Spezialgründungen, die oft sehr teuer werden. Das kann dann schon einmal zu einem Ausschlussverfahren für den geplanten Standort führen“, sagt er.

Die Mehrheit der Kunden, die Jens Voigt betreut, sind deutsche mittelständische Unternehmen, die Anlagen oder Maschinen bauen und die ihre Produkte ins Ausland verkauft haben. „Auch diese Anlagen oder Maschinen müssen gegründet werden, so eine Maschine kann schon einmal die Größe eines Hauses haben. Oder es handelt sich um den Bau eines Kleinkraftwerks aus dem Energiebereich. Die deutschen Unternehmen wollen wissen beziehungsweise sicherstellen, dass ihre Anlagen bei ihren Kunden auch sicher stehen“, erklärt Voigt die Hintergründe der Aufträge. Denn nicht selten handelt es sich bei den Produkten um Hochpräzisionsanlagen mit hohen Verformungsanforderungen, die nicht nur fest und stabil stehen müssen, sondern die sich überhaupt nicht bewegen dürfen. Das gelte dann auch für die Fundamente.

Der Reiz kultureller Vielfalt

Manchmal braucht es da praktische Lösungen, die vielleicht nicht immer optimiert und ausgereizt sind, aber mit denen sich die Funktion gewährleisten lässt.

Voigt, der ein Masterstudium Bauingenieurwesen in Leipzig absolviert und später noch ein MBA Unternehmensführung Bau an der Hochschule Biberach drangehängt hat, konnte während seiner bisherigen Auslandsprojekte die Erfahrung machen, dass es im Ausland nicht immer die Bautechnik gibt, die in Deutschland oder Europa zur Verfügung steht – in Europa gebe es für alles eine technische Lösung, im Ausland sei dies nicht immer so. Dies sei aber keineswegs negativ zu bewerten: „Manchmal braucht es da praktische Lösungen, die vielleicht nicht immer optimiert und ausgereizt sind, aber mit denen sich die Funktion gewährleisten lässt“, sagt er.

Vielmehr habe er einen regelrechten Respekt vor Lösungen der ausländischen Kollegen entwickelt, die oftmals pragmatische Ideen entwickeln würden, die dabei aber nicht weniger intelligent seien. „Da lernt man das Bauen noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen.“ Daher komme es in manchen Projekten auch weniger auf die technischen Vorgänge an, eher auf Vermittlung und Kommunikation vor Ort. Eine Einarbeitung in die örtlichen Bauvorschriften sei zwar immer notwendig, doch Voigt weiß: „Das heißt zwar manchmal anders, ist aber immer noch Physik.“

Redaktionstipp

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Anspruchsvoller sei da schon eher die Kommunikation mit den Menschen. In Indien hat Voigt es zum Beispiel erlebt, dass einer seiner Gesprächspartner ihm niemals selbst antwortete, sondern dies immer seinen Adjutanten machen ließ. Später stellte sich heraus, dass der indische Kollege aufgrund seiner Kastenzugehörigkeit überhaupt nicht mit ihm reden durfte. „An solche Begebenheiten muss man sich natürlich anpassen beziehungsweise man muss sie kennen“, sagt er. Ein anderes Beispiel: „In den GUS-Staaten ist es üblich, dass man vor dem eigentlichen Projektstart zum Essen eingeladen wird – mit den entsprechenden Getränken. Manchmal verträgt man das nicht, es gehört aber dazu und wird in den Ländern erwartet“, erzählt Voigt. Lasse man sich auf diese Gepflogenheiten nicht ein, dann laufe auch das Projekt nicht – zu erwarten, man komme auf die Baustelle und alles laufe nach den eigenen Vorstellungen ab, funktioniere nicht. Man ist auf die Menschen vor Ort angewiesen.

Und es ist gerade auch diese kulturelle Vielfalt, die meine Arbeit so reizvoll macht und immer wieder spannend sein lässt und zu Unvorhersehbarem führt. Voraussetzung ist natürlich, dass man sich darauf einlässt“, sagt er. Im Durchschnitt dauern die Projekte Voigts zwischen einem und anderthalb Jahren. Das bedeutet jedoch nicht, dass er in dieser Zeit nur im Ausland bei dem jeweiligen Bauprojekt ist. Er reist zwar viel, doch die Hauptarbeit zu jedem der Projekte findet in der Arcadis-Zentrale in Darmstadt statt. „Aufgrund unserer Unternehmensgröße funktioniert das sehr gut, da wir ein die Erde umspannendes Netzwerk von Niederlassungen zur Verfügung haben, über das wir jederzeit auch auf unsere Mitarbeiter im Ausland zugreifen können – und die mich natürlich, wenn ich vor Ort bin, auch jederzeit unterstützen.“

 

Die deutsche Bauindustrie im Ausland

Cover Bauleitung im AuslandRedaktionstipp: Bauleitung im Ausland

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Deutsche Bauindustrie im Ausland erfolgreich

Die deutsche Bauindustrie konnte 2016 den Auftragseingang aus dem Ausland um zehn Prozent auf 27,2 Milliarden Euro steigern. Und die Prognose sieht vor, diesen Wert 2017 nochmals zu übertreffen. Vor allem bei technisch anspruchsvollen Bauprojekten in der Verkehrsinfrastruktur sowie im Spezialtiefbau seien deutsche Firmen weltweit als Partner gefragt, heißt es vonseiten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Quelle: www.bauindustrie.de

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