Auf Bayerns größter Baustelle stehen die Räder nie still. Nicht die der Baumaschinen, und schon gar nicht die der durchschnittlich 58.000 Fahrzeuge, die täglich den Baustellenbereich der Autobahn A8 zwischen Günzburg und Augsburg durchqueren. Das Besondere dieser Baustelle bleibt dem Autofahrer jedoch verborgen: Der Ausbau dieses Autobahn-Teilstücks wird nicht alleine von der öffentlichen Hand finanziert, sondern gemeinsam mit privaten Investoren in Public Private Partnership. Von Stefan Trees
Zur Person
Dipl.-Ing. Carsten Wolf studierte Bauingenieurwesen an der Universität der Bundeswehr in München. Zunächst sammelte er Erfahrung als Bau- und Projektleiter im Gleisbau, später arbeitete er erst als Projekt-, dann als Bereichsleiter beim Spezialisten für Großprojekte Heilit+Woerner. Als deren ehemaliger Niederlassungsleiter in München ist er seit der Angebotsphase mit dem Bauprojekt der A8 vertraut. Vor einem Jahr setzte er seine Karriere auf dem vakant gewordenen Posten des technischen Projektleiters fort.
Sechzig Jahre hat die Autobahn A8 auf dem Buckel. Und wer unlängst noch von Stuttgart nach München wollte, zuckelte streckenweise auf zwei Fahrstreifen über große Steigungen und unübersichtliche Kuppen der bayerischen Landeshauptstadt entgegen. Ohne Standstreifen und mit Spitzenbelastungen von bis zu 90.000 Fahrzeugen am Tag waren Staus und Behinderungen an der Tagesordnung.
Vor zweieinhalb Jahren hatte daher ein Konsortium, bestehend aus Töchtern des deutschen Hochtief-Konzerns und der österreichischen Strabag, vom Bund nach erfolgreichem Bieterverfahren den Auftrag erhalten, den etwa 58 Kilometer langen Abschnitt der A8 zwischen Ulm und Augsburg neu zu planen, zu finanzieren, auszubauen sowie dreißig Jahre lang zu betreiben und zu erhalten. Das Investitionsvolumen dieses Public Private Partnership-Projekts liegt bei etwa 410 Millionen Euro.
Die A8 ist eines von fünf Projekten der sogenannten Ausbau-Modelle, die das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bundesweit ausgeschrieben hat. Die Investitionen der privaten Partner werden refinanziert, indem sie während der Betriebszeit einen Teil der auf dem Autobahn-Abschnitt erhobenen Lkw-Maut erhalten. Hinzu kommt eine staatliche Anschubfinanzierung in Höhe von 75 Millionen Euro.
Public Private Partnership für Ausbau-Modelle
Im Zuge der Arbeiten wird ein 41 Kilometer langes Teilstück der A8 bei laufendem Verkehr von vier auf sechs Spuren ausgebaut. Die übrigen 17 Kilometer der Gesamtstrecke sind bereits heute sechsspurig. Insgesamt entstehen zirka 1,2 Millionen Quadratmeter an neuer Straßenfläche. Hierzu werden 4,2 Millionen Kubikmeter Erde bewegt und 380.000 Kubikmeter Beton für die Fahrbahndecke verbaut. Darüber hinaus entstehen 79 Brückenbauwerke und Lärmschutzanlagen mit einer Gesamtlänge von achteinhalb Kilometern, Park- und Rastplätze sowie Anschlussstellen.
Mit der Bauausführung wurde eine Bauarbeitsgemeinschaft betraut, an der Heilit+Woerner Bau mit 35 Prozent und Züblin mit 15 Prozent – beides Unternehmen der Strabag-Gruppe – sowie Hochtief Solutions mit 50 Prozent beteiligt sind.
Seit gut einem Jahr ist Carsten Wolf technischer Projektleiter der Bauarbeitsgemeinschaft und somit verantwortlich für den Ausbau des Teilstücks zwischen Günzburg-Leinheim und der Anschlussstelle Augsburg-West. Der 50-jährige Bauingenieur ist mit dem Bauvorhaben bereits seit der Kalkulationsphase vertraut, die er als vormaliger Leiter der Münchner Niederlassung von Heilit+Woerner mit verantwortet hat.
Wolf und seine bis zu 100 Ingenieure bauen rund um die Uhr, um den ehrgeizigen und vertraglich vereinbarten Rahmen von vier Jahren Bauzeit einzuhalten. In Spitzenzeiten sind bis zu 400 Mann auf der riesigen Baustelle. Auch am Wochenende, und meist auf der gesamten Strecke gleichzeitig.
Karriere auf der Großbaustelle kein „business as usual“
„Technisch betrachtet ist unser Bauvorhaben nicht schwierig, wir bauen beispielsweise keine riesigen Talbrücken oder dergleichen. Aber die schiere Menge im Verbund mit den Faktoren Witterung und Zeit – diese drei Punkte muss man in Einklang bringen“, beschreibt Wolf seine tägliche Herausforderung. Nicht immer spielt das Wetter mit: Starke Regenfälle zu Beginn des Jahres hatten Teile der Autobahn überschwemmt und bereits erstellte Arbeiten teilweise zerstört. Für solche Zwischenfälle eine Anpassung der vertraglich vereinbarten Termine zu bekommen, gelingt nicht immer. „Dieses Spannungsfeld macht es schwierig, aber auch interessant“, findet Wolf. Dass alle Arbeiten bei laufendem Verkehr inklusive des bei Brücken querenden Verkehrs geschehen, gleicht dem Arbeiten an einem lebenden Organismus und sei „kein business as usual“, findet Carsten Wolf.
Um die Verkehrsströme auf der A8 so wenig wie möglich zu behindern, wurden die ersten 40 Kilometer Richtungsfahrbahn komplett neben die bestehende Autobahn gebaut, also nicht auf der bestehenden Trasse mit entsprechenden Ein- und Ausfädelungen auf die Gegenfahrbahn. Mittlerweile ist der Verkehr auf die neue Fahrbahn umgelegt, nun wird auf der bestehenden Autobahn in drei Abschnitten mit je acht Kilometern weitergebaut. Danach werden die noch offenen Lücken geschlossen. Die frei werdenden Flächen ehemaliger Autobahn werden besät, bepflanzt und bewaldet.
Der Bau läuft nach Plan, die Hälfte der Autobahn ist Ende September 2013 termingerecht fertiggestellt worden. Ein weiteres Jahr werden die Ingenieure für die restlichen rund 20 Kilometer Autobahn benötigen. Ende September 2015 soll dann alles fertig sein – und die Autobahn aus Großvaters Zeiten der Vergangenheit angehören.
Public Private Partnership (PPP)
Betreiber des 58 Kilometer langen Abschnitts der Autobahn A8 zwischen Ulm und Augsburg ist die eigens gegründete Pansuevia GmbH & Co. KG. Ihre Gesellschafter sind zu jeweils 50 Prozent Hochtief PPP Solutions und Strabag Infrastrukturprojekt. Als Vergütung erhält Pansuevia für die Dauer der Konzession von dreißig Jahren einen Anteil der anfallenden Lkw-Maut auf der Strecke sowie eine staatliche Anschubfinanzierung. Das Betreibermodell sieht hierbei eine Einheitsmaut je Lkw vor – anders als beim ebenfalls privat betriebenen Abschnitt der A8 Augsburg-München, wo die tatsächlich anfallende Lkw-Maut Grundlage für die anteilige Berechnung ist. Mit dieser neuen Struktur soll erreicht werden, dass der Betreiber nur mehr das reine Verkehrsmengenrisiko und nicht mehr, wie beim Betreibermodell Augsburg-München, auch noch zusätzlich das Risiko der Verteilung der Lkw auf die verschiedenen Schadstoff- und Achsklassen trägt.