Die künstliche Intelligenz erobert den akademischen Arbeitsmarkt. Roboterkollegen machen aus riesigen Datenbergen verwertbare Informationen, diagnostizieren Krankheiten, finden Fehler im System. Das freut die Unternehmen, weil es die Effizienz erhöht. Aber was ist mit den Mitarbeitern? Klar ist, dass Aufgaben wegfallen, die Computer schneller erledigen können. Doch die digitalen Kollegen stellen dabei auch neue Informationen zur Verfügung, mit denen sich neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen. Und genau hier ist die junge Generation gefragt. Von André Boße
Der neue Kollege kennt keinen Montagsblues und auch keine „Casual Fridays“. Er ist immer da. Und er wird immer schlauer, Tag für Tag. Das Schöne ist: Der neue Kollege kommuniziert nur, wenn man etwas von ihm will. Und er ist bescheiden, er schnorrt keine Schokoriegel, geht nicht ins Fitness-Studio, hält nicht viel von Statussymbolen. Das einzige, was der neue Kollege braucht, ist Strom. Und Futter. Info-Futter. So viel wie möglich. Damit er immer schlauer wird, Tag für Tag.
Privatheit schützen
Die KI ist hungrig auf Daten, also erfasst sie auch das, was die Mitarbeiter mit ihr tun oder eben nicht tun. Für die Unternehmen sind das interessante Erkenntnisse: Weil die Digitalisierung eine immer bessere Effizienz verspricht, erfassen Arbeitgeber immer mehr Aktivitäten ihrer Beschäftigten. Auf diese Weise entsteht eine Datenflut, die es erlaubt, Informationen wie Leistungen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten der Mitarbeiter abzuleiten. Dabei verwischen zunehmend die Grenzen zwischen Erfassung und Überwachung. Das Bundesministerium für Forschung und Bildung hat daher ein Forschungsrahmenprogramm auf die Beine gestellt, das innovative Konzepte zum selbstbestimmten Arbeiten in der digitalen Arbeitswelt fördert.
Quelle BMBF: https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1358.html
Der neue Kollege ist eine künstliche Intelligenz, kurz: KI. Er kann mehr als die vielen digitalen Helfer, die in den Büros und Produktionshallen längst Alltag sind. Eine KI stellt keine Technik zur Verfügung, die der Mensch dann nutzt. Eine KI findet eigenständig Dinge heraus – auch Dinge, die wir Menschen deutlich mühsamer und langsamer herausfinden würden. Und wenn der Computer eine Sache einmal verstanden hat, dann vergisst er sie nie mehr. Im Gegenteil: Er wird dann schnell immer besser darin, uneinholbar perfekt. Das klingt zunächst einmal sehr gut, weil dadurch Arbeitsabläufe wegfallen, die nicht sehr attraktiv und vor allem zeitintensiv sind. Wer wühlt sich zum Beispiel gerne durch die Untiefen der Datenberge eines Unternehmens, um Muster bei den Kunden zu erkennen?
Endlich Erkenntnisse aus Big Data ziehen!
Wenn es um die digitale Transformation von Unternehmen geht, also die Umstellung von analogen auf digitale Prozesse in allen Bereichen, schwirren seit Jahren immer andere Buzzwords durch den Raum. Besonders häufig fiel der Begriff „Big Data“: Ein Unternehmen müsse Daten sammeln, je mehr Daten über Kunden, Lieferanten sowie alle internen und externen Prozesse desto besser. Heute sitzen viele Unternehmen auf ihren Datenbergen, wissen aber nicht so recht, was sie damit anstellen können. Einen ambitionierten Einsteiger beauftragen, er solle mal die gespeicherten Kundenprofile der vergangenen fünf Jahre nach geografischen oder demografischen Auffälligkeiten durchsuchen – das kann es ja auch nicht sein.
Deutlich sinnvoller ist es da, Einsteiger ein System nach diesen Auffälligkeiten fragen zu lassen. Dieses sucht sich rasend schnell durch die Daten und präsentiert sie innerhalb weniger Stunden: priorisiert, mit richtigen Kontexten und vielleicht sogar schon mit Handlungsoptionen. Die jungen Mitarbeiter haben dann die Chance, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das ist doch ein guter Job – und deutlich mehr als Fleißarbeit. Diese kann man getrost der künstlichen Intelligenz überlassen: Roboter klagen eben nicht.
Buchtipp
Diplom-Wirtschaftsinformatiker Ingo Radermacher: Digitalisierung selbst denken – Eine Anleitung wie die Transformation gelingt. Business Village 2017, 24,95 Euro.
Nun wird seit einigen Jahren davon geredet, dass solche intelligenten Maschinen nicht nur in den Produktionshallen stehen und Autos zusammenschrauben, sondern auch in die Büros ziehen werden, dorthin, wo Akademiker ihre Geistesarbeit verrichten. Die Digitalisierung ist bereits im vollem Gange, immer neue Arbeitsbereiche werden digital geprägt. Doch der neue KI-Kollege ist in vielen Fällen immer noch nicht da. Da stellt sich die Frage: Kommt er überhaupt?
Computer können nichts – außer lernen
Ja, das sagen die Experten einhellig. Dass es ein wenig länger dauert, als es die digitalen Optimisten geglaubt haben, liegt an der komplizierten Lernstruktur der KI. Im lateinischen Begriff „Intelligenz“ stecken die Wörter „zwischen“ und „wählen“. Eine KI ist also nur dann intelligent, wenn sie nicht einfach nur das tut, was man ihr per Knopfdruck befiehlt, sondern wenn sie in der Lage ist, zwischen Dingen zu wählen. Dem Menschen gibt das Gehirn die Intelligenz, daher ist es die Aufgabe der Informatiker, ein menschliches Gehirn mit Hilfe von Rechnern nachzubauen. Denn nur dann können Computer, die zunächst einmal von sich aus überhaupt nichts wissen, zu künstlichen Intelligenzen werden.
Einer dieser Informatiker ist Damian Borth, Direktor des Kompetenzzentrums Deep Learning am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI). Er sagt: „Das Gehirn besteht aus Neuronen, das Ziel lautet daher, diese Neuronen mathematisch abzubilden und dann zu Netzwerken zu verknüpfen.“ Ideen, wie das funktionieren kann, gibt es seit den 1960er-Jahren. 2012 gelang dann der Methode des AlexNet der Durchbruch.
„Dieses Netzwerk verfügte über deutlich mehr Neuronen, die miteinander verknüpft waren sowie über Computer, die diese Verknüpfung auch performen konnten“, sagt Borth. Mithilfe dieser neuronalen Netzwerke können diese Computer heute schon fast alles lernen. Eben auch, einem Unternehmen dabei zu helfen, Kunden und Märkte besser zu verstehen, Geschäftsmodelle oder Strategien zu entwickeln, Entwicklungen zu erkennen, die auf so vielen Daten beruhen, dass die menschliche Auffassungsgabe scheitern muss.
Zuletzt hat die KI also große Fortschritte gemacht, jetzt geht es los: SAP hat mit der Plattform HANA ein System entwickelt, das agil und flexibel große Datenmengen in Hochgeschwindigkeit verarbeiten kann; mithilfe des Deep Learnings und seinen selbstlernenden Algorithmen können enorme Datenmengen nach Mustern, Korrelationen und Auffälligkeiten durchsucht werden. „Die Flut an Daten schwillt weiter an“, heißt es bei SAP. „Daten sind das Öl unseres Zeitalters, wenn wir sie richtig priorisieren, kombinieren und nutzenorientiert analysieren. Ohne maschinelle Hilfe ist das unmöglich geworden.“
Chatbots: Bloß keine Ironie
Wer dem Chef eine schlechte Nachricht übermittelt und der diese mit „na, super“ kommentiert, weiß: Das ist ironisch gemeint. Chatbots, also automatisierte Gesprächs- oder Kommunikationspartner, verstehen keine Ironie. Ein KI-System würde die Aussage des Chefs so werten, dass die Nachricht eine gute sein muss. Die Ironiefalle ist nur ein Beispiel für die Kinderkrankheiten der Chatbots. Während man als privater Nutzer damit umzugehen lernt, sind Unternehmen noch nicht soweit. Aber ihre Zeit wird kommen: Eine Studie der britischen Marktforscher Juniper kommt zu dem Schluss, dass gerade in Branchen wie Gesundheit und Finanzen Chatbots Kundenanfragen deutlich effizienter beantworten können – wodurch die Branchen weltweit jährlich acht Milliarden Dollar sparen.
Quelle: www.juniperresearch.com
Mensch ist Sherlock, KI ist Watson Auch der Computerkonzern IBM hat ein KI-System für Unternehmen entwickelt. Watson heißt es, eine kluge Namenswahl: Doctor Watson ist der ewige Partner des genialen Detektivs Sherlock Holmes. Er ist zuverlässig da, wenn man ihn braucht. Was er nicht besitzt, ist die geniale Intuition von Holmes. Was er aber kann, ist dem Meisterdetektiv immer dann zur Seite zu stehen, wenn es brenzlig wird. Kurz gesagt: Sherlock ist der Mensch, Watson die KI.
IBM bezeichnet die Watson-Plattform als „digitale Intelligenz fürs digitale Business“: Das kognitive System ist in der Lage, große Datenvolumen zu analysieren. Es versteht komplexe, in natürlicher Sprache gestellte Fragen und liefert auf Evidenz basierende Antworten. „Watson lernt kontinuierlich anhand vorausgegangener Interaktionen und steigert so mit der Zeit sein Wissen“, heißt es bei IBM. Zum Einsatz kommt die Plattform schon jetzt an vielen Orten, zum Beispiel im Büro, wo das System die ein- und ausgehende digitale Kommunikation analysieren kann: Mails, SMS, Whatsapp, Facebook, Twitter – alles.
Watson ist auch in der Medizin tätig, und zwar dort, wo es auf die Diagnose ankommt, in der Krebsbehandlung: „Durch den wachsenden Anstieg an medizinischen Daten wird es für Experten nahezu unmöglich, das weltweit vorhandene Wissen vollständig zu erfassen, zu verstehen und miteinander abzugleichen.“ Watson hat mit vielen Daten keine Probleme, laut IBM empfiehlt der kognitive Assistent bereits in bis zu 96 Prozent der Fälle dieselbe Therapie wie Experten in den Tumorboards, wo eine Reihe von Medizinern über die Behandlung beraten.
Zum Einsatz kommt Watson auch in den Fabrikhallen: Mittels hochauflösender Kameras entdeckt eine kognitive visuelle Inspektion selbst kleinste Kratzer oder nadelstichgroße Beschädigungen an Werkstücken. „Das spart bis zu 80 Prozent Zeit bei der Qualitätskontrolle ein und verspricht Herstellern höhere Erträge durch weitgehende Automatisierung“, heißt es bei IBM. Dabei gehe es nicht darum, Experten die Arbeit abzunehmen: Der Fokus liege auf der Entlastung. Wer weniger Zeit für die Suche nach dem Problem verliert, kann mehr Zeit in das Finden einer Lösung investieren.
Sinnvolle Roboter
Die Angst vor einer künstlichen Intelligenz ist so alt wie der Begriff, und sie ist ja auch verständlich: Roboter nehmen uns Jobs weg – und wenn sie uns Menschen immer ähnlicher werden, dann kommen sie auch auf ähnlich dumme Gedanken. Oder? Na ja, einigen menschlichen Blödsinn wird die Maschine nicht machen. Die Welt der künstlichen Intelligenz kennt keine Ellbogengesellschaft, man muss keine Angst haben, dass ein Roboter Mobbing betreibt.
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Und was die Konkurrenz zwischen Mensch und Maschine betrifft, hat der Trendforscher Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts, geschrieben: „Wenn eines Tages tatsächlich ein menschengleiches künstliches Wesen das Licht eines Labors erblickt, würden wir erkennen, dass dieses Wesen vollkommen sinnlos ist. Sinnvolle Roboter umgeben uns heute schon – Waschmaschinen, Geschirrspülmaschinen, Autos, die demnächst selbst fahren können. Sie tun das, was wir nicht können oder wollen.“
Das Problem liegt also weniger darin, dass die künstliche die menschliche Intelligenz ersetzen könnte. Die eigentliche Gefahr ist, dass die Integration der neuen digitalen Kollegen gerade bei der jungen Generation zu einem Druck führt, selbst immer maschineller und roboterhafter zu arbeiten. Diesen Kampf wird der Mensch verlieren. Es wird daher in den Unternehmen darum gehen, Strukturen für ein gesundes Verhältnis zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln. Damit es nicht dazu kommt, dass der neue Kollege montags genauso neutraler Stimmung ist wie freitags, ich als Mitarbeiter jedoch schon schlechte Laune bekomme, wenn ich die künstlich-intelligente Oberfläche nur sehe.
Digitalisierte Wirtschaft
Laut einer aktuellen Digital-Studie von BCG spaltet sich die Wirtschaft hinsichtlich der Digitalisierung in Vorreiter und Nachzügler. Bedenklich ist: Ein Viertel der Unternehmen droht bei der Digitalisierung den Anschluss zu verlieren. Doch: Deutsche Unternehmen zeichnen sich durch klar definierte digitale Zielbilder aus. Und: Die Telekommunikationsbranche ist gut aufgestellt, Maschinenbauer stehen vor dem Einstieg in digitale Services. Mehr Infos unter: www.bcg.com Predictive Analytics Experten von PwC haben die Predictive Analytics Suite entwickelt, um zu einer fundierten Planungs- und Entscheidungssicherheit zu kommen. Die Suite filtert aus einer großen Menge an Treibern die wesentlichen heraus und stellt sie entsprechenden Planungsgrößen gegenüber, um so nachhaltig mehr Planungssicherheit für Unternehmen zu generieren.
Quelle: www.pwc.de