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Dr. med. Lukas Fierz im Interview

Der Schweizer Lukas Fierz ist Neurologe, Politiker – und Schriftsteller. In seinem Buch widmet er sich in Reportagen dem „Leibhaftigen“. Im Gespräch lobt er seine Roboter- Kollegen, beklagt das Ende der Virtuosität im medizinischen Alltag und erklärt, was Medizin und Politik gemeinsam haben. Die Fragen stellte André Boße.

Herr Dr. Fierz, immer häufiger gibt es Nachrichten, dass Roboter die Arbeit von Ärzten übernehmen: Sie operieren, erstellen Diagnosen, behandeln. Was denken Sie, wenn Sie von diesen technischen Entwicklungen hören?
Davor habe ich keine Angst. Nach dem Studium besuchte ich 1969 Vorlesungen über Computertechnik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Ich lernte etwas programmieren und habe seit 1974 mit Computern gearbeitet. Anfang der 90er-Jahre kam ein älterer Dachdecker in die Praxis wegen invalidisierendem Schwindel. Er hatte auch leichte Gedächtnisstörungen, etwas Spastik, eine Spur Parkinson. Die Ursache war ganz unklar. Ich gab seine Symptomatik in das damals schon verfügbare amerikanische Computer-Diagnostikprogramm „DXplain“ ein – die einzige Antwort: Hirntrauma. Ich stellte den Mann zur Rede. Tatsächlich war er vor 40 Jahren Amateurboxer gewesen, dabei sogar mehrmals Kärntner Meister, hatte mehrere Knockouts durchgemacht – eine klassische Boxer-Enzephalopathie. Ich war von dieser Computerdiagnose doch recht beeindruckt.

Ich würde immer den Roboter verwenden, wenn dieser besser ist.

Unter welchen Umständen würden Sie sich als Patient von einem Medizin- Roboter behandeln lassen?
Ich würde immer den Roboter verwenden, wenn dieser besser ist. Für gewisse Prostatektomien ist der DaVinci- Roboter eindeutig besser. Gewisse lokalisierte Prostatakarzinome lassen sich mit der computerisierten Focal- One-Technik völlig atraumatisch mit Ultraschall entfernen. Gewisse Herzrhythmusstörungen lassen sich mit dem magnetgesteuerten Stereotaxis- Roboter besser behandeln als von Hand. Roboter sind einfach erweiterte Werkzeuge. Sie sind aber nur so gut, wie derjenige, der sie benutzt.

Zur Person

Lukas Fierz (76) ist Neurologe, er studierte in der Schweiz, Frankreich und England. Ab 1980 betrieb er eine neurologische Praxis in Bern, zeitweilig saß er für die Partei der Grünen im Schweizer Parlament, dem Nationalrat. Als Publizist schrieb er unter anderem für DIE ZEIT und die NZZ. In seiner ärztlichen und politischen Tätigkeit ist er auf Probleme und Geschichten gestoßen, die seiner Meinung nach in die öffentliche Diskussion gehören. Davon erzählt er in seinem Buch „Begegnung mit dem Leibhaftigen“

Wie gut können Ärzte noch sein in dieser Zeit, in der Effizienz so wichtig ist?
Bezüglich Ausbildung kann ich nur für die Schweiz sprechen. Hier haben 44-Stundenwoche und Teilzeitarbeit Einzug gehalten. Die angewiesene Schlafzeit während der Dienste zählt als Arbeitszeit. Mehrarbeit wird vom Arbeitsinspektorat verboten, arbeitspolizeilich erfasst und mit hohen Bußen für Chefärzte und Spitäler bestraft, sogar mit Eintrag ins Strafregister. Unter solchen Randbedingungen kann man vielleicht noch ein guter Dermatologe oder Ohrenarzt werden. Aber es ist mir schleierhaft, wie man durch diese strengen Arbeitszeitregulierungen die Virtuosität erwerben wollte, die nötig ist, um in den großen Fächern wie der Inneren Medizin oder der Chirurgie mit Kompetenz, Freude sowie mit sicherer Hand zu arbeiten.

Ich wurde bei einem Chef an der Internmedizinischen Universitätsklinik in Genf ausgebildet. Wir hatten eine 70-Stundenwoche. Der Chef, ein hochvirtuoser Mediziner, vor dem wir alle Respekt bis Angst hatten, rechnete uns vor, dass es diese Arbeitszeit brauche, damit man innerhalb von vier Jahren alle wichtigen Krankheitsbilder des Inneren wenigstens einmal gesehen habe. Wir haben begeistert mitgemacht.

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