Biotech-Unternehmer Wolfgang Klein hat als Finanzchef die Anfangszeit des Biopharmazie- Unternehmens CureVac miterlebt. Sein Buch „Die CureVac-Story“ erzählt vom revolutionären Potenzial der mRNA-Technik und dem Risiko, das man als biomedizinisches Unternehmen bei der Forschung und Entwicklung eingeht. Gerade in einem Land wie der Bundesrepublik, wo das Scheitern keinen guten Ruf besitzt. Zu Unrecht, wie Wolfgang Klein findet. Von André Boße
Zur Person
Wolfgang Klein ist promovierter Naturwissenschaftler, Mitgründer und CEO des Augenmedikamente entwickelnden Unternehmens Katairo. Von 1999 bis 2001 hat er ein MBAStudium in Krems absolviert, zusammen mit Ingmar Hoerr, dem Gründer von CureVac. Von 2002 bis 2010 war er Finanzund Personalchef bei CureVac. Auch nach seiner aktiven Zeit hat er den Draht zu den führenden Personen im Unternehmen nie verloren und die mRNA-Entwicklung aufmerksam verfolgt. Sein Buch „Die CureVac-Story: Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren“ ist vor einigen Monaten im Campus- Verlag erschienen.
Herr Klein, Ihr Buch „Die CureVac Story“ trägt den Untertitel „Vom Risiko, die Medizin zu revolutionieren“. Dass die Daten des mRNA-Impfstoffs von CureVac gegen Covid-19 die Erwartungen nicht erfüllt hat, belegt diese These Ihres Buches erst recht, oder?
Absolut. Gerade mein Kapitel über „The Risking Pledge“, also das Versprechen, ein Risiko einzugehen, verdeutlicht, wie wichtig ich es finde, bei Investitionen mehr zu riskieren. Es zeigt aber eben auch: Was folgt, ist nicht immer ein Home Run. Klar, die Sache kann so funktionieren: Ein Investment führt zu medizinischen Entwicklungen, die zu Produkten werden, die wiederum Arbeitsplätze schaffen, die Steuern generieren und soziale Sicherung gewährleisten. Das ist der Erfolgsfall. Wer ins Risiko geht, muss aber natürlich auch damit rechnen, dass dieser nicht eintritt. Das weiß man als Investor, weshalb man auf verschiedene Pferde setzt. Für junge Menschen, die sich für Karrieren in diesem Risikobereich interessieren, zählt die Devise: Schert euch nicht darum. (lacht)
Gibt es diese oft zitierte deutsche Angst vorm Risiko?
Ich glaube schon, dass es diese Mentalität gibt, nach der einem das Scheitern am Stiefel kleben bleibt. Das ist in den USA definitiv anders, da gehört Scheitern in der Vita fast dazu. Gescheitert zu sein – das klingt nach Erfahrung, nicht danach, es nicht draufzuhaben. Wobei ich glaube, dass die Angst vorm Scheitern an Macht verlieren würde, wenn mehr Menschen von ihrem Scheitern erzählen würden. Noch sind „Scheiter- Karrieren“ in Deutschland die große Ausnahme.
Scheitern-by-doing.
So ungefähr, ja. Man würde dann sehr schnell sehen, dass Menschen, die gescheitert sind, sehr viele Erfahrungen gesammelt haben. Ich bin nach meinem Weggang bei CureVac auch mehrfach gescheitert. Heute lache ich darüber. Im jeweiligen Moment war das freilich schwer. Aber natürlich hat dieses Scheitern auf meine Erfahrungsbilanz eingezahlt.
Wie war das zur Gründerzeit von CureVac, die Sie ja – etwas später dazugekommen – mitgeprägt haben, welche Stimmung herrschte 2002 in diesem jungen Unternehmen?
Wir waren unbekümmert. Sogar naiv. Und das war okay. Denn in der Naivität liegt auch Kreativität, liegt die Chance, mit Risiken so umzugehen, dass man, wenn es schiefgeht, fragt: Okay, wie geht’s nun weiter? Statt zu sagen: Oh je, da kommen ja noch weitere Hürden, wie soll das nun alles werden?
Wie kommt Naivität bei Investoren an, die ja extrem wichtig sind, um ein medizinisches oder pharmazeutisches Start-up ans Laufen zu bekommen?
Es gab schon welche, die gesagt haben: Eure Ideen sind klasse, aber was uns bei euch im Team fehlt, sind Erfahrungen. – Das ist sehr schade, weil Teams ja schnell wachsen können, man kann sich Erfahrung dazu holen.
Die Revolution wird angetrieben von Menschen, die ins Risiko gehen. Paradoxerweise erhöht sich das Risiko aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen heraus. Je sicherer etwas werden muss, um so höher die Kosten, der Zeitaufwand und das Risiko für die Entwickler.
Wenn wir von der Revolution der Medizin sprechen, was passiert da aktuell in diesem Bereich?
Wenn neue Produkte auf den Markt kommen, dann wollen die Leute sicher sein, dass sie erstens nutzen und zweitens nicht schaden. Also muss ein Unternehmen sehr viel Zeit und Geld in die medizinische Entwicklung stecken, damit diese Sicherheit überhaupt entstehen kann. Wobei Sicherheit bedeutet: Das Verhältnis aus Nutzen und Nebenwirkungen muss positiv eingeschätzt werden. Nun weiß aber niemand, der mit einem medizinischen oder pharmazeutischen Unternehmen ins Risiko geht, am Start, ob die Sache funktionieren wird oder nicht. Es ist eine Wette auf die Zukunft. Auf zehn Jahre oder sogar weitaus mehr. CureVac-Co-Gründer Ingmar Hoerr widmete seine Karriere seit Ende der 1990er-Jahre der Entwicklung von mRNA-Vakzinen, also ein halbes Berufsleben lang. Andererseits: Geht die Idee auf, dann hat man etwas Großes entwickelt. Dann kann man sehr vielen Menschen helfen. Was natürlich ein riesiger Ansporn ist. Die Revolution wird angetrieben von Menschen, die ins Risiko gehen. Paradoxerweise erhöht sich das Risiko aus dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen heraus. Je sicherer etwas werden muss, um so höher die Kosten, der Zeitaufwand und das Risiko für die Entwickler.
Wenn, wie aktuell beim Corona-Impfstoff von CureVac, die Wirkung zu gering ist: Was muss man für ein Typ sein, um das wegzustecken?
Eine gewisse Rationalität ist wichtig, überschäumende Emotionen helfen an diesem Punkt nicht. Es geht darum, nüchtern zu fragen: Wo liegt das Problem – und was bedeutet das? Dabei muss es auch eine Option sein, zu sagen: Es ist klüger, jetzt aufzuhören. Der Kampf gegen Windmühlen ist kein Erfolgsrezept. Bei CureVac gab es bereits 2017 einen Rückschlag, eine Studie zur Bekämpfung eines Prostata-Karzinoms lieferte keine guten Ergebnisse, viele Jahre Arbeit und viele Millionen an Investitionen waren dahin. Unser Hauptinvestor Dietmar Hopp hat das Unternehmen allerdings nicht fallen lassen. Er hat sich als Nicht-Mediziner erklären lassen, dass diese mRNA-Technik viel mehr bietet als diese eine, zunächst einmal gescheiterte Applikation beim Prostatakrebs. Und er hat es verstanden.
mRNA-Vakzine kennen wir nun. Was wäre der nächste Durchbruch für diese revolutionäre Technik?
Das wäre in meinen Augen die Proteinersatztherapie: Ein Patient hat eine genetische Krankheit, weil sein Körper ein benötigtes Protein nicht herstellt. Ziel ist es, durch eine Injektion von mRNA den Organismus dazu zu bringen, dieses Protein doch herzustellen. Bei Tieren gibt es da schon großartige Erfolge. Nun kommt es darauf an, diese Therapie an den Menschen zu bringen, um zum Beispiel bestimmte Stoffwechselerkrankungen zu bekämpfen. Was darauf folgt, wäre das dickste Brett: die Krebsimmuntherapie, die ganz sicher das Potenzial einer enormen medizinischen Revolution besitzt.