Christian Pape ist einer von Deutschlands Top-Personalberatern, passionierter Koch und Autor von „Traum! Job! Now!“. Wir wollten von ihm wissen, was Rezepte und Lebensläufe gemeinsam haben, warum man bei Restaurantbesuchen eine Menge über Erfolg versprechende Bewerbungen lernen kann und welche Zutaten im Anschreiben an ein Unternehmen so unpassend sind wie fettiger Backfisch im Gourmet-Lokal. Das Interview führte André Boße.
Zur Person
Christian Pape, 53 Jahre, studierte Elektrotechnik und arbeitete zunächst und wenig glücklich als Hardware-Entwickler für Siemens. Danach war er für einige Jahre in Vertrieb und Management für japanische Konzerne tätig, bevor er den Geist amerikanischer Unternehmen im Management eines Chipherstellers aus den USA kennenlernte.
1992 machte er sich zusammen mit seiner Frau selbstständig, als er die Marktlücke für eine branchenorientierte Personalberatung erkannte. Seitdem agiert Pape als Vorstand seines Unternehmens und als Top-Headhunter und Karrierecoach für Klienten, die sich beruflich verändern möchten. Christian Pape, Vater von zwei erwachsenen Söhnen, joggt und taucht, spielt Gitarre und Klavier und ist ein leidenschaftlicher Koch. Er ist zudem Autor des humorvollen Tippgebers und Jobführers „Traum! Job! Now!“.
Weitere Informationen: www.pape.de
Herr Pape, Sie bezeichnen sich selber als leidenschaftlichen Koch. Kommt es vor, dass Sie beim Kochen auf neue Impulse für Ihr berufliches Leben kommen?
Kochen hat für mich beinahe etwas Spirituelles. Ich entspanne, gerate ins Nachdenken und bekomme Abstand zu den Themen, die mich im Tagesgeschäft beschäftigen. Dinge, die vorher groß waren, werden ganz klein – und diese andere Perspektive hilft ungemein. Es heißt nicht ohne Grund: Ein Problem zu lösen heißt, sich vom Problem zu lösen.
Kochen Sie eher nach Rezept oder frei?
Ich lasse mich von den Dingen inspirieren, die ich gerade habe. Daher ist der Kühlschrank bei mir immer voll. Das ist zwar ein wenig aufwendig, aber es lohnt sich, weil ich beim Kochen dann aus dem Vollen schöpfen kann. Es kommt auch vor, dass ich nach einer tollen Erfahrung in einem Restaurant versuche, Gerichte nachzukochen – aber immer mit einer eigenen Note.
Es gibt Rezepte, die ihren Job verfehlen: Man liest sie, hat aber nachher keine Ahnung, was das Gericht auszeichnet. Ist das ein Problem, das Sie als Personalberater von Lebensläufen einiger Bewerber kennen?
Wenn ich für andere Menschen koche, geht es in erster Linie darum, vorher herauszufinden, was meinen Gästen schmeckt. Und genauso sollte es auch sein, wenn ich einen Lebenslauf formuliere oder eine Bewerbung angehe: Es ist nicht entscheidend, was ich selber toll finde, sondern was der andere gerne mag. Ein guter Koch weiß sehr genau, was seine Gäste wollen – und auf diese Bedürfnisse zugeschnitten zeigt er dann sein Können. Genau das leistet auch ein guter Lebenslauf. Stattdessen bieten aber viele Bewerber wild durcheinander ihre gesamte Speisekarte an und hoffen, dass da schon irgendwas dabei sein wird, was dem potenziellen Arbeitgeber gefällt.
Nach dem Motto: Viel hilft viel.
Ja, aber genau diese Volle-Teller-Mentalität ist Käse. Stellen Sie sich jemanden vor, der in ein Restaurant geht, um richtig gut zu essen. So ein Gast will nicht unglaublich viel in sich reinschaufeln. Er will ausgesuchte Qualität, die genau das bedient, worauf er in diesem Moment die größte Lust hat.
Also sollte ein Bewerber nicht nur einen Lebenslauf parat haben, sondern mehrere?
Als Bewerber sollte ich einen Werkzeugkasten besitzen, den ich zu Beginn bestücke: Was zeichnet mich aus, welche Erfahrungen habe ich gesammelt und welche spannenden Geschichten habe ich zu erzählen? Gerade direkt nach dem Studium, wenn ich noch nicht so viele Berufserfahrungen vorweisen kann, ist es wichtig, diesen Werkzeugkasten mit anderen Dingen als Zeugnissen zu füllen. Dafür ist es sinnvoll, eine Art Tagebuch mit allen Projekten, Erlebnissen oder Engagements zu führen. Wenn ich mich beim Unternehmen X oder Y bewerbe, muss es mir gelingen, aus der Stellenanzeige und dem Unternehmensprofil das herauszulesen, was der Anbieter sucht.
Wie gelingt es einem Bewerber, die Qualitäten aufzuspüren, die ein Unternehmen tatsächlich sucht?
Bleiben wir im Restaurant: Wer einen Gast nur aus der Entfernung betrachtet, kann vielleicht ungefähr beurteilen, was er möchte – aber es bleibt bei Vermutungen, und das Essen wird zum reinen Glücksspiel. Die einfache Lösung ist: Ich rede mit ihm und frage nach. Das kostet Zeit, daher bedeutet das für den Bewerber zunächst einmal: Weniger ist mehr. Lieber verzichte ich auf die große Bewerbungsaktion und wähle pro Tag nur eine Stellenanzeige aus, die mich wirklich interessiert – aber bei dieser Bewerbung gebe ich mir richtig Mühe. Ich recherchiere auf der Homepage, für was das Unternehmen steht. Und ich rufe dort auch an und stelle Fragen.
Sind solche Anrufe bei den Unternehmen tatsächlich gerne gesehen?
Angenehme Telefonate hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Das sind akustische Visitenkarten, die das Interesse des Bewerbers zeigen und die zielführend sind, weil ich als Bewerber am Telefon Dinge erfahre, die andere nicht wissen. Und diesen Wissensvorsprung kann ich dann für das Anschreiben und den Lebenslauf nutzen. Na ja, und wenn ich bei dem Anruf merke, dass sich die Personalabteilung vom Anruf genervt zeigt und nichts erzählt, dann erfahre ich natürlich auch etwas über das Unternehmen – und sollte mich fragen, ob ich denn dort tatsächlich arbeiten möchte.
Sprich: Auch Bewerber dürfen nicht zu unkritisch sein.
Man darf heute als Bewerber selbstbewusst sein. Einen besseren Arbeitsmarkt für qualifizierte und ambitionierte Akademiker als den aktuellen kann man sich kaum vorstellen. Das Verhältnis ist heute nicht mehr: oben die Firma, unten der Bewerber, der alles tut, um da reinzukommen. Am Ende des Tages suchen sich heute die Bewerber das richtige Unternehmen aus – und nicht mehr umgekehrt. Um wieder die Analogie zum Restaurantbesuch zu ziehen: Wer Hunger hat, geht heute nicht einfach irgendwohin, sondern sucht sich ein Lokal aus, bei dem in seinen Augen das Ambiente und die Kultur passen. Diese Dinge sind letztlich wichtiger als das Essen, das dann schließlich auf dem Teller ist.
Christian Pape: Traum! Job! Now! Die Geheimnisse der erfolgreichen Jobsuche. Heyne Verlag 2010. ISBN 978-3453680098. 12, 95 Euro
Ändert sich dadurch die Suchperspektive?
Ja, denn man sollte sich nicht zu sehr auf die Jobbeschreibungen fokussieren. Der erste Blick gehört dem Unternehmen. Handelt es sich um einen großen Konzern oder um eine mittelständische Firma? Wie liest sich die Hierarchiestruktur, wie viele Abteilungen gibt es? Ist es ein junges Start-up- Unternehmen oder ein traditionsreicher Familienbetrieb? Hat die Firma eine Muttergesellschaft im Ausland und ist sie international tätig? Es kann vorkommen, dass Unternehmen mit den verschiedensten Merkmalen eine sehr ähnliche Jobbeschreibung formulieren – und doch werden jeweils ganz andere Talente gesucht. Entscheidend ist dann die Frage: Kann ich das, will ich das? Handelt es sich zum Beispiel um die deutsche Abteilung einer amerikanischen Firma, darf ich davon ausgehen, dass ich extrovertierter auftreten muss – bei einer japanischen Mutter ist eher Geduld gefragt.
Stimmt der Eindruck, dass das Spektrum an unterschiedlichen Unternehmen heute wesentlich größer ist als vor 20 Jahren?
Absolut. In der Unternehmenswelt hat sich Multikulti längst etabliert. Das typische deutsche Unternehmen, das man früher kannte, gibt es heute nicht mehr. Jede Firma hat ihre eigenen Geschichten, regionalen Eigenarten und Strukturen.
Können Sie Skeptiker beruhigen, die sich denken: Unternehmenskultur und passgenaue Bewerbung schön und gut – aber am Ende bekommt doch der den besten Job, der den besten Abschluss vorlegen kann?
Ich mache jetzt seit 20 Jahren Personalberatung und suche im Auftrag von Unternehmen neue qualifizierte Mitarbeiter. Ich stelle den Firmen dann Kandidaten vor, und in den allerseltensten Fällen bekommt der Bewerber den Job, der am Idealbild des Jobprofils am dichtesten dran ist. Kein Unternehmen entscheidet heute nach einer Matrix. Daher kann man auch die Bedeutung der Soft Skills gar nicht unterschätzen. Für Unternehmen ist die Frage „Was bin ich?“ unwichtiger als die Frage „Wie bin ich?“. Ich rate jedem Einsteiger daher, die Zeit vor den Bewerbungen zu nutzen, um diese Soft Skills noch einmal zu schleifen – und das gelingt am besten durch praktische Erfahrungen.
Bleiben denn die Soft Skills im Verlauf einer Karriere wichtig, oder kommt ab einer bestimmten Position der Punkt, an dem es doch nicht ohne exzellente Noten und besondere theoretische Zusatzqualifikationen weitergeht?
Wenn erfahrene Leute für Führungspositionen gesucht werden, fragt erst recht keiner mehr nach Zeugnissen oder ähnlichen Dingen. Dann geht es nur noch darum, den Menschen kennenzulernen, um zu schauen, ob er zum Unternehmen und zur Aufgabe passt. Je weiter es auf der Karriereleiter nach oben geht, desto mehr treten die Hard Skills in den Hintergrund. Klingt verrückt – ist aber so.
Noch einmal zurück in die Küche: Wer gerne und gut kocht, weiß, dass zu viel Salz jedes Essen ungenießbar macht. Welchen oft gemachten Fehler beobachten Sie bei Einsteigern, die ihre Karriere planen?
Ein großer Fehler ist es, einem Idealbild von Karriere hinterherzuhecheln. Die Einsteiger denken, man müsse eines Tages Personalverantwortung tragen und es sei Pflicht, im Laufe einer Karriere auch Dinge zu können, die ihrer Persönlichkeit nicht entsprechen. Aber das ist Quatsch. Natürlich gibt es fraglos Defizite, an denen man arbeiten sollte. Jähzorn zum Beispiel. Aber wenn jemand introvertiert ist, sollte er sich nicht das Ziel setzen, in spätestens fünf Jahren ein extrovertierter Manager zu sein. Das verlangt keiner von ihm. Der Marktwert eines Mitarbeiters definiert sich heute anders als früher. Die Geschwindigkeit, mit der jemand eine Karriereleiter hochsteigt, ist nur noch ein Aspekt unter vielen – und er ist gleichberechtigt mit einer Karriere, bei der ein Mensch früh ein Zuhause im Unternehmen findet, in dem er sich wohlfühlt. Jeder Koch kocht anders.
Wenn Bewerbungsschreiben die Aufgabe haben, dass ein Unternehmen Appetit auf mich bekommt: Was kommt besonders gut an – und mit welchen Zutaten verdirbt man jeder Personalabteilung den Appetit?
Ein Appetitanreger ist ja ein Amuse-Gueule, mit dem der Koch seine erste Visitenkarte abgibt. Im Idealfall trägt es die Botschaft: „Das war schon mal gut, ich bleibe sitzen, da kommt noch einiges nach.“ Das Amuse-Gueule einer Bewerbung ist das Anschreiben, und hier muss ich dem Leser genügend Anreize geben, damit er am Ball bleibt. Es gibt eine Menge Dinge, die man nicht schreiben sollte, weil der Leser sonst wegdriftet. Dazu zählen diese typischen Plattitüden, die kein Mensch mehr hören möchte: Ich bin motiviert, ich bin teamfähig, ich bin dynamisch – alles blödsinnige Allgemeinplätze, die jeder von sich behaupten kann und die deshalb keine Aussage haben. Das ist, als servierte ich als Amuse-Gueule eine Erbsensuppe, die es genauso auch auf dem Dorffest oder im Supermarkt gibt. Stattdessen muss es darum gehen, individuell und mit wenigen Worten überzeugend zu argumentieren, warum man sich für dieses Unternehmen interessiert – wobei mir alle Dinge einen Vorteil verschaffen, die ich nicht nur behaupte, sondern durch konkrete Maßnahmen auch belegen kann.