StartRechtChat GPT in der anwaltlichen Praxis

Chat GPT in der anwaltlichen Praxis

Um von ChatGPT noch nichts gehört zu haben, bedarf es schon einiges an Erklärung. Einsiedelei, Exerzitien, monatelang kein Internet, dann kann das sein. Ansonsten spricht jede und jeder über ChatGPT. Seit die Software freigegeben wurde, haben Millionen von Menschen ausprobiert, wie es ist, wenn man einer Software in natürlicher Sprache eine Frage stellt und Sekunden danach eine in verständlicher Sprache verfasste Antwort erhält. Die Antworten sind, soweit man das sagen kann, oft verblüffend richtig. Manchmal abstrus falsch, manchmal sind sie nur allgemein nichtssagend. Aber gefühlt sind die Antworten meistens richtig. Für die Rechtsberatung in der Anwaltskanzlei stellen sich sofort spannende Fragen. Von Markus Hartung und Jörg Tepper

Über die Autoren

Markus Hartung, Rechtsanwalt, ist geschäftsführender Gesellschafter der Chevalier Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Jörg Tepper ist Rechtsanwalt und Co-Leiter der dortigen arbeitsrechtlichen Praxis. Chevalier ist eine auf innovativer Software basierende Kanzlei in Berlin, die ausschließlich Arbeitsrecht für Arbeitnehmer* innen unter der Marke Chevalier Rechtsanwälte anbietet sowie Verkehrsrecht unter der Marke freem.

Kann man ChatGPT in der Kanzlei einsetzen? Kann man Bearbeitungszeiten verkürzen? Kann man sich den langen Ausbildungsaufwand sparen, weil auch schon Green Beans (Berufsanfänger:innen) schwierige Fragen mit dem gesamten und von OpenAI aufgearbeiteten Weltwissen beantworten können? Dass dieses Wissen in der Regel von anderen Menschen geschaffen wurde, von ChatGPT aber ohne Angaben von Quellen aufgegriffen und anderweitig verwendet wird… nun ja, Urheberrecht und Internet, das ist eine andere Geschichte. Aber braucht man uns Anwält:innen denn noch, wenn doch im Moment jede und jeder juristische Fragen an eine Software stellen kann und vernünftig und überzeugend klingende Antworten erhält? Dass man die Richtigkeit als Laie nicht überprüfen kann, ist natürlich ein Problem, aber wir erleben häufig, dass Mandant:innen bereits genau wissen, was wir zu tun haben, weil sie es im Internet gefunden haben. Sie werden uns jetzt auch ChatGPT-Ergebnisse präsentieren, von deren Richtigkeit sie überzeugt sind.

Dies hängt vor allem mit dem aus Sicht der Mandant:innen zunächst verständlichen Wunsch nach Bestätigung der eigenen interessenwahrenden Auffassung, nämlich wie ein bestimmter Sachverhalt zu bewerten ist, zusammen.

ChatGPT juristisch getestet

Wir haben ChatGPT natürlich juristisch getestet. Arbeitsrechtliches Grundlagenwissen auf niedrigem Niveau ist vorhanden. Bei spezielleren Fragen gibt es so überzeugend klingende wie nichtssagende Antworten, manche Antworten sind schlichtweg falsch – ehrlich gesagt, fast wie von einem Anwalt, der keine Ahnung hat, so etwas soll es ja auch geben. So beantwortet Chat-GPT die Frage, ob Ansprüche auf Urlaub bei langer Krankheit verfallen können und wenn ja, wann sie dann verfallen würden. In der Antwort von Chat-GPT ist lediglich die erste und die letzte Aussage richtig, der Rest ist unzutreffend bzw. undifferenziert:

„Ja, Ansprüche auf Urlaub können bei langer Krankheit verfallen. Nach dem Bundesurlaubsgesetz müssen Urlaubstage spätestens bis zum Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entsteht, genommen oder abgegolten werden. Bei einer längeren Krankheit kann es vorkommen, dass dieser Zeitraum verstreicht und somit die Urlaubstage verfallen. Allerdings gibt es Ausnahmen: Wenn ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, kann er den Urlaub auf das Folgejahr übertragen. In einigen Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen kann es auch Regelungen geben, die den Verfall von Urlaub bei Krankheit verhindern.”

Im Rahmen einer Rechtsberatung, die mit dem Prinzip der berufsausübungslangen Fortbildung der Anwält*innen einhergeht, kann man den Ausbildungsaufwand von Berufsanfänger*innen vielleicht etwas minimieren, ganz sicher jedoch nicht darauf verzichten. In diesem Zusammenhang stellen sich auch einige interessante berufsrechtliche Fragestellungen, über die es sich lohnt nachzudenken.

Haftung verbleibt bei Berufsträger*innen

Unter anderem ergibt sich die Frage, ob die Rechtsberatung hier tatsächlich von Anwält*innen durchführt worden ist, wenn die Quelle ein Chatbot ist. Wer überprüft die Verlässlichkeit und Richtigkeit der durch die von OpenAI generierten Antworten und Ergebnisse, was die Frage hinsichtlich der weiterführenden Ausbildung von Berufanfänger*innen beantwortet. Die weitere wesentliche Frage nach der Haftung im Falle einer etwaigen Falschberatung hängt eng mit der zuvor gestellten Frage zusammen und ist eindeutig zu beantworten. Sie verbleibt bei den Berufsträger*innen.

Chatbots werden Freiräume schaffen

Viele Dinge kann die Software jetzt schon erstaunlich gut. Ignorieren dürfen wir sie keinesfalls. Unsere Kreativität für deren Einsatz ist gefragt.

Chatbots ermöglichen Kanzleien, Prozesse wie die der Mandatsannahme, der grundlegenden Informationsbeschaffung und die Herausarbeitung der maßgeblichen Frage(n) zu automatisieren, effizient zu gestalten und abzuwickeln. In diesem Zusammenhang sind virtuelle Assistenten denkbar, die als initialer Kontakt die Mandant:innenkommunikation führen. Wobei die Abfrage und spätere Eingabe der Daten und Informationen der Mandant*innen in ChatGPT die Frage nach der Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften der Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) sowie der berufsrechtlichen Schweigepflicht aufwirft, die künftig beantwortet werden muss.

Im Übrigen wird Chat GPT grundsätzlich aber Freiräume schaffen, die es den Anwält:innen gestattet, sich der eigentlichen juristischen Bearbeitung und Problemlösung zu widmen, wodurch sich die Bearbeitungszeiten des Mandats verkürzen dürften. Für uns heißt das, dass wir künftig die Anwendungsmöglichkeiten von ChatGPT (und dessen Wettbewerbern, die am Horizont bereits zu sehen sind) mitdenken und uns immer fragen werden, welche Arbeiten von so einer Software schneller als von einem Menschen erledigt werden können. Juristisch wird die Software besser werden, da haben wir keine Zweifel. Viele Dinge kann die Software jetzt schon erstaunlich gut. Ignorieren dürfen wir sie keinesfalls. Unsere Kreativität für deren Einsatz ist gefragt.

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