Außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren wie Mediationen und Schiedsverfahren nehmen zu. Und werden daher auch bei Kanzleien immer häufiger angefragt. Dr. Andreas Hacke erklärt im Gespräch, welche Unterschiede es zwischen den Verfahren gibt und welche Voraussetzungen Anwälte mitbringen sollten, um in diesem Segment ihre Mandantschaft erfolgreich zu beraten und zu begleiten. Für ihn ist außerdem klar: Mit außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren sollten sich Anwältinnen und Anwälte möglichst schon im Studium beschäftigen. Die Fragen stellte Christoph Berger
Zur Person
Dr. Andreas Hacke ist seit 2002 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2005 Partner der Sozietät Zwanzig Hacke Meilke & Partner. Er ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Zudem ist Andreas Hacke regelmäßig als Schiedsrichter (Vorsitzender, Einzelschiedsrichter oder parteibenannt) sowie als Wirtschaftsmediator und Schlichter mit der Lösung komplexer wirtschaftsrechtlicher Konflikte betraut. WhosWhoLegal führt ihn als „Thought Leader Germany“ (2020) und empfiehlt ihn in den Bereichen Schiedsverfahren und Mediation (zuletzt als „National Leader- Arbitration“ (2020), „National Leader – Mediation“ (2020) und „Global Leader Mediation“ (2019). Er hält Vorträge und unterrichtet in Schulungen und Workshops zu den Themen Schiedsverfahren, Wirtschaftsmediation, Verhandlungsführung und Konfliktmanagement. www.zhmp.de
Herr Dr. Hacke, Sie sind Experte für Schiedsverfahren und Mediation. Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung?
Das sind zwei ganz unterschiedliche Verfahren. Der wesentliche Unterschied lässt sich an der Rolle des jeweils eingesetzten neutralen Dritten festmachen. Ein Schiedsverfahren ist letztlich vergleichbar mit einem Gerichtsverfahren. Und zwar in der Weise, dass das Schiedsgericht eine verbindliche Entscheidung über die Streitigkeit trifft – ein Urteil sozusagen, den Schiedsspruch. In der Mediation ist das anders. Die Mediatorin oder der Mediator haben nicht die Macht, verbindlich über die Streiterledigung zu entscheiden, sondern sie unterstützen die Parteien dabei, selbst die Lösung eines Konflikts zu verhandeln.
Auch wenn das Urteil im Schiedsverfahren verbindlich ist, findet es außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit statt?
Ja, genau. Das Schiedsverfahren ist eine echte Alternative zum staatlichen Gerichtsverfahren. Das heißt: Da, wo Parteien sich auf ein Schiedsverfahren verständigt haben, kann kein Gerichtsverfahren mehr stattfinden. Das Verfahren mündet in einem Urteil des Schiedsgerichts. Der Schiedsspruch hat die gleiche rechtliche Wirkung wie das Urteil eines staatlichen Gerichts. Es handelt sich um ein adversielles, ein gegensätzliches Verfahren, in dem Parteien ihre Rechtsstandpunkte durch Schriftsätze deutlich machen und in dem es eine mündliche Verhandlung vor dem Schiedsgericht gibt. Natürlich ist es denkbar, dass sich die Parteien auch im Rahmen eines Schiedsverfahrens, teilweise mit Unterstützung durch das Schiedsgericht, einvernehmlich auf einen Vergleich verständigen und damit das Schiedsverfahren vorzeitig beenden – ganz ähnlich, wie dies oft auch vor einem staatlichen Gericht passiert. Aber das ist nicht der Kern des Schiedsverfahrens. Der Kern ist eine streitige Auseinandersetzung, die auf einen Schiedsspruch hinausläuft.
Wie setzt sich ein solches Schiedsgericht zusammen?
Da gibt es unterschiedliche Varianten. Es gibt Schiedsgerichte, die nur aus einer Person bestehen, also einer Schiedsrichterin oder einem Schiedsrichter. Die meisten Schiedsgerichte bestehen aber aus drei Personen. Zudem ist die Zusammensetzung davon abhängig, nach welchen Regeln das Schiedsverfahren organisiert ist. Sehr häufig sehen die vereinbarten Schiedsregeln aber vor, dass jede Streitpartei berechtigt ist, eine Schiedsrichterin oder einen Schiedsrichter eigenmächtig zu benennen – gleichwohl müssen diese Personen neutral sein. Die beiden Schiedsrichter* innen haben dann die Aufgabe, eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden auszuwählen und ihrerseits zu benennen. Diese Person ist dann das sogenannte „Zünglein an der Waage“. So haben wir ein Schiedsgericht, das ausschließlich für den jeweiligen Fall zusammenkommt und nach dessen Erledigung auch wieder auseinandergeht. Es handelt sich demnach nicht um eine Institution, wie das bei einem staatlichen Gericht der Fall wäre.
Und wie ist es bei der Mediation?
Die Mediation ist im Grund nichts anderes als eine Verhandlung von Streitparteien. Mit dem Unterschied, dass diese Verhandlung durch einen Mediator geleitet und moderiert wird, der oder die aber keine Entscheidungsgewalt über die Sache hat.
Gibt es für die beiden Verfahren jeweils typische Fälle, bei denen sie eingesetzt werden?
Das lässt sich so nicht voneinander abgrenzen. Die Verfahren sind potenziell hintereinandergeschaltet. Führt die Mediation nicht zu einer Lösung, steht den Parteien frei, dasjenige Verfahren zur verbindlichen Streitbeilegung anzusteuern, das eben zugänglich ist. Ohne eine Verabredung wäre das immer das zuständige staatliche Gericht. Treffen die Parteien aber eine Schiedsvereinbarung, auch nach einer gescheiterten Mediation oder in deren Vorfeld, dann wäre das Schiedsverfahren das Forum, in dem der Fall verbindlich entschieden wird.
Allerdings kann gesagt werden, dass Mediation da besonders sinnvoll ist, wo möglicherweise eine Zusammenarbeit der Parteien in Rede steht. Die Mediation ist darauf ausgerichtet, eine interessengerechte Zukunftslösung zu verhandeln – obwohl es genauso Mediationen zwischen Parteien gibt, die keine weitere Zusammenarbeit anstreben. Schiedsverfahren kommen häufig in internationalen Geschäftsbeziehungen zur Geltung. Warum? Weil die Parteien in Verträgen mit internationalem Gehalt sich nicht auf die Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts in dem jeweiligen Staat der anderen Vertragspartei einigen können. Das wäre für die betroffene Partei dann fremdes Terrain. Da das für beide Parteien gleichermaßen gilt, einigen sie sich auf ein Schiedsgericht.
Welche Rolle nehmen diese beiden außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren in der anwaltlichen Praxis ein?
In meiner Wahrnehmung nehmen sie eine zunehmende Bedeutung ein. Hintergrund dafür ist, dass die Kenntnis über solche Verfahren in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Gleichzeitig sind die Unternehmen nicht mehr bereit, voreilig in sehr langwierige und kostspielige Gerichtsverhandlungen hineingezogen zu werden. Die Anwaltschaft sieht sich damit stärker als früher der Nachfrage ausgesetzt, welche anderen Verfahren und Mittel es denn gäbe. Die Mandanten wünschen sich diesbezüglich dann auch Rat und fachkundige Begleitung in diesen Verfahren.
Als Mediator*in sind Sie in einer ganz anderen Rolle als Anwält*in: Sie sind angehalten die Interessen der Beteiligten zu ergründen und diese zu motovieren, auf Basis dieser Interessen eine Lösung zu finden.
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen Mediator*innen, um erfolgreich die Vermittler*innen-Position einzunehmen?
Das sind sehr viele und unterschiedliche. Die Grundvoraussetzung ist Neugier – auch als Mensch: Man muss an dem Konflikt anderer und deren Ursachen interessiert sein. Und es braucht ein Eigeninteresse, an der Lösung von Konflikten konstruktiv mitzuwirken. Darüber hinaus erfordert es ein Umdenken hinsichtlich der eigenen Rolle. Als Mediator*in sind Sie in einer ganz anderen Rolle als Anwält*in: Sie sind angehalten die Interessen der Beteiligten zu ergründen und diese zu motivieren, auf Basis dieser Interessen eine Lösung zu finden. Das setzt ein Beherrschen von ganz bestimmten Techniken voraus – vor allem Kommunikations-, Frage-, Moderations- und Visualisierungstechniken. Das ist Handwerkszeug auf Basis eines klaren Rollenverständnisses, das erlernt werden kann, aber auch etwas mit Neigung und Talent zu tun hat.
Wer darf sich Mediator nennen bzw. braucht es dafür eine spezielle Ausbildung?
Das ist etwas eigenwillig. Nicht-Jurist* innen brauchen keine weitere Ausbildung. Wer als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt agiert, braucht für die Tätigkeit als Mediator*in eine Mediationsausbildung. Die gibt es dann noch in Abstufungen.
Ab welchem Punkt im Lebenslauf sollte man beginnen, sich mit außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zu beschäftigen?
Man kann nicht früh genug damit anfangen. Sinnvoll ist es, sich mit den Verfahrensarten und Techniken durchaus schon im Studium, spätestens im Referendariat oder beim Berufseinstieg intensiv zu beschäftigen – einfach auch, um auf die Anfragen der Mandantschaft vorbereitet zu sein.