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Interview mit Marc Andre Schüler: Von der Sonne geladen

Fahrzeuge, die autark mit Solarenergie fahren: Vision oder bereits Wirklichkeit? Marc Andre Schüler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Modultechnologie für fahrzeugintegrierte Photovoltaik am Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme ISE, berichtet über den Stand der Dinge. Die Fragen stellte Sabine Olschner

Marc Andre Schüler, Foto: Conny Ehm

Gibt es bereits Autos, die mit Hilfe einer eigenen Photovoltaik-Anlage fahren?
Toyota und Hyundai produzieren bereits Serienfahrzeuge, bei denen Solardächer optional verfügbar sind. Diese erbringen aber bisher nur eine relativ geringe Leistung im Bereich zwischen 200 und 300 Watt. Auch der Prototyp „Vision EQXX“ von Mercedes besitzt ein Solardach. Die Energie wird in der Batterie zwischengespeichert und kann auch zum Antrieb genutzt werden, wird aber in der Realität eher für zusätzliche Aggregate verwendet, etwa zur Kühlung. Des Weiteren hat das Start-up Lightyear kürzlich den „Lightyear 0“ vorgestellt, der nächstes Jahr vom Band laufen soll. Auch Sono Motors hat ein Modell entwickelt, den „Sion“. Beide Fahrzeuge haben Solarmodule in der kompletten Außenhaut des Fahrzeugs, nicht nur auf dem Dach. Dadurch können sie mehr Leistung generieren. Es gibt also bereits erste Autos mit fahrzeugintegrierter Photovoltaik.

Sind die Techniken vergleichbar?
Der Unterschied liegt vor allem in der Solarzelltechnologie. Lightyear benutzt zum Beispiel rückkontaktierte Zellen, auch IBC-Zellen genannt, die zwar teuer, aber sehr effizient sind und einen hohen Solarertrag generieren. Beim Hyundai Sonata werden monokristalline Solarzellen, der heutige Stand der Technik, verarbeitet. Diese sind weniger effizient, aber dafür günstiger und weniger aufwendig in der Produktion. Ein weiterer Unterschied besteht in der Einkapselung der Zellen: Man kann sie zum Beispiel in ein Glaspanoramadach integrieren. Das Glas schützt die Zellen sehr gut vor Feuchtigkeit, UV-Strahlung und mechanischen Einflüssen. Sono Motors setzt auf leichtere Materialien und kapselt die Zellen in Polycarbonat ein. Eine Herausforderung ist hier die thermische Ausdehnung, woran unter anderem auch unser Institut in Kooperation forscht. Wenn wir hier erfolgreich sind, hat diese Lösung einen hohen Rückgewinnungswert. Lightyear verwendet ein Dünnglas zum Verkapseln. Das ist deutlich leichter als ein Standardglas, muss aber mechanisch stabilisiert werden. Darüber hinaus gibt es Unterschiede in der elektrischen Anbindung: Für Lkw oder Busse nutzen manche Start-ups semiflexible Solarmodule, die sich auf die Außenhaut des Fahrzeugs aufkleben lassen und die 12-Volt-Batterie speisen. Daraus kann zum Beispiel das Bordsystem betrieben werden, was auch die Lichtmaschine schont und den Dieselverbrauch senkt. Fahrzeuge wie der Lightyear 0 oder der Sion hingegen möchten die Energie auch zum Fahren nutzen und müssen sie daher in das Hochvoltsystem des Fahrzeugs einspeisen.

Das heißt: Allein mit Solartechnik lässt sich ein Auto bislang nicht fahren?
Für die meisten genannten Beispiele ist das richtig. Lightyear nutzt ein Photovol taik-System, das bereits einen Großteil der Energie für den Antrieb liefert. Auch das US-amerikanische Unternehmen Aptera hat ein sehr effizientes Fahrzeug entwickelt, das einen Großteil der benötigten Energie aus Solarzellen generiert. Natürlich unterscheidet sich die Leistung je nach Jahreszeit, im Winter muss bei allen Fahrzeugen der Elektromotor hinzugeschaltet werden. Auch an unserem Institut haben wir das Dach eines 18-Tonnen-Lkws mit einer PV-Anlage versehen. Über das Jahr gesehen spart man da auf jeden Fall eine ganze Menge Kilowattstunden an Ladeleistung ein.

Wie wird sich die fahrzeugintegrierte Photovoltaik Ihrer Ansicht nach weiterentwickeln?
Einige Autohersteller forschen derzeit zum Thema „Bidirektionales Laden“. Hier kann ein Elektrofahrzeug mit einer großen Hochvolt-Batterie dazu genutzt werden, als Energiespeicher das Netz zu stabilisieren. Über die Wallbox kann das Fahrzeug dann mit Energie be- oder entladen werden. Solch ein bidirektionales Ladesystem kann mit einem fahrzeugintegrierten Photovoltaik-System ergänzt werden. Ein weiterer Zukunftsausblick: Statt monokristalline Lithium-Zellen zu nutzen, könnte man Tandem-Technologien einsetzen, die zwei oder mehr Teilbereiche des Lichtspektrums einfangen. Solche Technologien sind allerdings noch nicht marktreif, auch das Fraunhofer ISE forscht noch daran. Sollten sie sich durchsetzen, könnte man auf kleinerer Fläche mehr Energie generieren und Solarmodule verstärkt auch auf Autos einsetzen.

Wo liegen die größten Herausforderungen? Zum einen ist die Politik gefragt. Wird es in Zukunft Vergünstigungen für Solar Electric Vehicles, kurz SEV, geben? Zum anderen sind die Steuerkreise der einzel nen Automobilhersteller unterschiedlich. Das bringt Probleme für die einzelnen Photovoltaik-Ausstatter, die ihre Leistung auf die Batterie speisen wollen. Hier müssten die Steuerkreise standardisiert werden, damit dies flächendeckend funktioniert. Große OEM sind auf jeden Fall interessiert an dem Thema. Bei den oben genannten Tandem-Technologien braucht es noch Forschung auf der Materialebene, um die Langlebigkeit des Systems zu gewährleisten.

Welche Art von Ingenieur*innen braucht es, um die Technologien weiterzuentwickeln?
Die unterschiedlichsten Fachrichtungen sind gefragt. Auch am ISE sind wir sehr interdisziplinär aufgestellt, von Biologie und Chemie bis zu Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. Wer sich auf erneuerbare Energien und regenerative Energiesysteme spezialisiert hat, ist ebenfalls nah am Thema.

Woran forscht das ISE derzeit auf diesem Gebiet?
Unter anderem führen wir Fahrzeuganalysen für Automobilhersteller durch. Anhand der Fahrzeuggeometrie können wir die Leistungen von integrierten Photovoltaik- Anlagen berechnen. Intern forschen wir daran, Photovoltaik-Module für diesen Bereich immer leichter und effizienter zu gestalten.

Wären die solarbetriebenen Fahrzeuge die Lösung für alle Mobilitätsprobleme?
Ich denke, dass wir künftig neu denken müssen. Warum sollten Fahrzeuge, die die meiste Zeit ungenutzt herumstehen, nicht dazu beitragen, unser Energiesystem zu unterstützen? Der Ansatz des bidirektionalen Ladens ist also ein spannendes Thema, das wir weiterverfolgen sollten. Um CO2 zu reduzieren, braucht es aber noch viel mehr Sharing-Konzepte für den Individualverkehr. Im Nutzfahrzeugsektor und im öffentlichen Verkehr kann fahrzeugintegrierte Photovoltaik einen Beitrag dazu leisten, CO2 zu reduzieren. Dabei steht fahrzeugintegrierte Photovoltaik nicht im Wettbewerb zu anderen Anwendungen, sondern ist als Ergänzung zu sehen.

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