Im Oktober 2021 wurde in Berlin der KI Park gegründet. Dieser will bis 2030 Deutschlands und Europas Rolle als globaler KI-Technologieführer sichern. Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Sabina Jeschke erklärt, wie diese Ziele erreicht werden sollen. Die Fragen stellte Sabine Olschner
Wann wurden die Grundlagen für den KI Park gelegt?
2019 war Deutschland in vielen der aufstrebenden technologischen Bereiche, etwa bei der Batterietechnik, beim autonomen Fahren und auch bei der künstlichen Intelligenz, nicht mehr führend. Es gab zu wenige Start-ups, die sich mit dem Thema befassten, zu wenige Treffpunkte, an denen KI-Expert*innen zusammenkommen konnten, und zu wenig Risikokapital für neue Gründungen. So entstand bei Deloitte und Investa Real Estate der Wunsch, einen „Campus für KI“, den KI Park, ins Leben zu rufen. Die Berater*innen von Deloitte wollten das Thema Künstliche Intelligenz in Deutschland mit einem ganz neuen Schwung nach vorn bringen. Und der Immobilienentwickler Investa hatte mit dem Marienpark in Berlin die passende Immobilie, aus der man einen Campus machen konnte. Zusammen wollten sie ein Ökosystem für Menschen aus der KI-Szene schaffen.
Welche großen Themen in der künstlichen Intelligenz müssen wir heute bearbeiten, wenn wir in den nächsten Jahren weltweit vorne mit dabei sein wollen?
Was hat sich seit 2019 getan?
Im Jahr 2021, als ich den Vorsitz für den KI Park übernahm, sah es mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz in Deutschland bereits anders aus. Inzwischen gibt es in vielen Universitäten und größeren Städten Acceleratoren mit dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz, die Start-ups unterstützen und fördern. Daher stehen jetzt andere Fragen im Mittelpunkt: Welche großen Themen in der künstlichen Intelligenz müssen wir heute bearbeiten, wenn wir in den nächsten Jahren weltweit vorne mit dabei sein wollen? In welchen Bereichen wird der Technologiekampf wirklich entscheidend? Dazu gehören zum Beispiel die Felder Quantencomputing, Mobilfunkstandards 5G und 6G oder Explainable AI. Diese Themen wollen wir mit dem KI Park pushen. Wir streben einen großen Wurf an, einen wirklich bedeutenden Schritt nach vorn.
Wie soll das konkret funktionieren?
Fast alle Start-ups stehen vor den gleichen Problemen: Sie benötigen vernünftige und finanzierbare Flächen für ihre Geschäftsräume, die bei Bedarf schnell und unkompliziert vergrößert werden können. Sie brauchen Rechtsbeistand, Steuerberater, eine Infrastruktur für die Telekommunikation, Zugang zu Bibliotheken, zu Software, zu Clouds und High Perfomance Computing. Weil jedes Start-up bei all diesen Fragen wieder von vorn beginnen muss, geht viel Kraft und Zeit nicht in die Produktentwicklung – da aber gehört sie hin. Unsere erweiterten Services unterstützen die Start-ups dabei, dass sie fokussiert an ihrem Produkt arbeiten und es weiterentwickeln können. Dadurch werden sie schneller, weil sie weniger administrativen Aufwand haben, um ihr Unternehmen überhaupt erst einmal ans Laufen zu bekommen. Künftig wollen wir auch bei der Finanzierung helfen, indem wir einen Pool an Investoren schaffen, mit denen sich unsere Start-ups in einem effizienten Prozess verknüpfen können. Darüber hinaus bieten wir Weiterbildungen, Schulungen und Netzwerkveranstaltungen an. Die Startfinanzierung ist durch die zwölf Gründungsmitglieder gesichert. Derzeit bauen wir weitere Partnerschaften auf, insbesondere auch für die Finanzierung der Start-ups.
Der Einfluss künstlicher Intelligenz auf die Gesellschaft
Die Volkswagenstiftung fördert sieben Projektkonsortien aus den Gesellschafts- und Technikwissenschaften mit insgesamt 9,8 Mio. Euro. In Projekten wie „Towards Responsible AI in Local Journalism“, „The Answering Machine“ oder „From Machine Learning to Machine Teaching (ML2MT) – Making Machines AND Humans Smarter“ antizipieren die Forschenden die Auswirkungen der KI auf die Gesellschaft und wie man diese positiv gestalten könnte.
Was muss ein Start-up tun, um dieser Unterstützung profitieren zu können?
Wichtig ist uns, dass es sich um ein wirkliches KI-Start-up handelt, mit einem ambitionierten Programm im Bereich KI. Solche Start-ups können sich einfach informell über unsere Website melden, und wir laden sie zu einem Kennenlerngespräch ein. Da der KI Park erst im Oktober 2021 an den Start gegangen ist, sind wir noch aufnahmefähig und können unser Gelände in Berlin oder auch weitere Satellitenflächen noch ausbauen. Der erste Satellit wird derzeit in Nürnberg-Erlangen gebaut, und wir planen einen weiteren in Norddeutschland. Denn es gibt auch außerhalb von Berlin interessante Start-ups, die es wert sind, gefördert zu werden. Wir wollen perspektivisch viele Plätze in Europa finden, an denen sich Universitäten und Forschungseinrichtungen befinden, die weniger im Fokus stehen wie bekannte Einrichtungen etwa in Berlin, Frankfurt oder München. Wir wollen uns nicht nur auf große Ballungsgebiete konzentrieren, sondern auch KI-Expert*innen aus anderen Orten für die KI-Community gewinnen.
Was glauben Sie, wo wird Deutschland in fünf oder zehn Jahren beim Thema KI stehen?
Ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren gelernt haben, wieder schneller zu sein und kritischer auf uns selbst zu schauen. Zu oft und in zu vielen Feldern haben wir den technologischen Vorsprung, für den wir in Deutschland und Europa bekannt waren, verloren. Mittlerweile ist es aber wieder besser geworden, weil wir gemerkt haben, dass wir anderen Ländern das Feld überlassen haben. Die vorherige Bundesregierung hat bereits damit begonnen, das Thema Quantencomputing – eins der wichtigsten Felder überhaupt – mit hohen Summen zu fördern. Schon jetzt gibt es Förderungen für den 6G-Standard, der voraussichtlich im Jahre 2027/28 zur Anwendung kommt. Es haben sich mehr KI-Start-ups gegründet, die Großunternehmen setzen auf KI. Langsam kommen wir wieder vor die Welle. Wenn wir die Luft nicht wieder rauslassen, haben wir als Deutschland und Europa die Chance, auf diesem Gebiet perspektivisch ganz vorne mitzuspielen.
Wie nachhaltig ist künstliche Intelligenz?
Erstmals ist ein Forschungsteam von AlgorithmWatch, dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Distributed Artificial Intelligence Laboratory der Technischen Universität Berlin mit Förderung durch das Bundesumweltministerium der Frage nachgegangen, wie soziale, ökologische und ökonomische Wirkungen von KI-Systemen systematisch und vergleichbar analysiert werden können . Darauf aufbauend hat das Team einen Kriterien- und Indikatorenset für nachhaltige KI entwickelt.