Klemens Haselsteiner ist Vorstandsmitglied und Chief Digital Officer der Strabag SE. Im Interview mit dem karriereführer erklärt er, wie sein Unternehmen den Transformationsprozess angeht, welche Technologien dabei eingesetzt werden und welche Auswirkungen dies auf den Beruf von Bauingenieur*innen hat. Die Fragen stellte Christoph Berger
Zur Person
Klemens Haselsteiner beendete ein betriebswirtschaftliches Bachelor-Studium an der DePaul University, Chicago. Er startete seine Karriere 2004 bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Österreich. Nach Absolvierung des Zivildiensts und Berufserfahrung bei einem russischen Industriekonzern trat er 2011 in den Strabag-Konzern in Russland ein. Dort war er u. a. mit dem zentralen Controlling betraut. Ab 2015 war er bei der deutschen Strabag-Konzerngesellschaft Ed. Züblin AG, Direktion Stuttgart, tätig – zunächst als kaufmännischer Bereichsleiter für den Schlüsselfertigbau, ab 2018 als kaufmännischer Direktionsleiter. Klemens Haselsteiner ist seit 1.1.2020 Mitglied des Vorstands der Strabag SE.
Herr Haselsteiner, mit Ihnen als CDO der Strabag SE wurden die Themen Digitalisierung, Innovation und Unternehmensentwicklung 2020 auf Vorstandsebene gehoben. Welche Strategie verfolgt Ihr Unternehmen seitdem?
In jedem international agierenden Konzern gibt es engagierte Mitarbeitende mit jeder Menge innovativen Ideen und Initiativen. Diese ließen sich schneller realisieren, wenn sich diese klugen Köpfe frühzeitiger interdisziplinär und länderübergreifend vernetzen und austauschen könnten. Und wenn sie schnell und unkompliziert interne Ansprechpersonen für alle Innovationsthemen fänden – vom Fachsupport bis zur Unterstützung beim Initiieren von Forschungsprojekten. Unser Zentralbereich Innovation & Digitalisation setzt genau hier an: Seine Expertenteams agieren als Enabler für unsere Digitalisierungs- und Innovationsprojekte. Unser Fokus liegt auf der Koordination und Steuerung der Projekte sowie auf der vernetzten Entwicklungsarbeit, die einen konkreten Nutzen für derzeitige und zukünftige Baustellen und Dienstleistungstätigkeiten stiftet. Damit stärkt Strabag ihre Position als führende Technologiepartnerin für das Bauen von morgen.
Auf welche Technologien setzen Sie?
Im Hinblick auf die Digitalisierung und Automation sehen wir großes Potenzial in BIM 5D® sowie in Geoinformationssystemen (GIS) und Robotik – vor allem, wenn wir diese Technologien intelligent miteinander vernetzen.
Und was ist derzeit noch Zukunftsmusik, wird in den nächsten Jahren aber die Baubranche erreichen?
Künstliche Intelligenz und Automation stecken in der Baubranche heute noch in den Kinderschuhen. Wir nutzen bereits eine Vielzahl an Technologien, aber deren Einsatz ist bislang kein Standard.
Welche Rolle wird der Mensch dabei zukünftig in Bauprojekten einnehmen, wird er noch auf Baustellen zu finden sein?
Der Mensch wird weiterhin auf Baustellen zu finden sein, aber in weniger arbeitsteiligen Prozessen. Der Mehrwert der KI und der Robotik besteht darin, dass sie Arbeiten erfüllen, die für Menschen nicht mehr sinnstiftend sind. Das führt dann dazu, dass sich Bauleiterinnen und Bauleiter stärker auf ihre eigentliche Tätigkeit konzentrieren können und sich nicht mit bürokratischen Prozessen aufhalten.
Wie würden Sie den Digitalisierungsgrad Ihres Unternehmens derzeit beschreiben?
Die Bauindustrie ist in großen Teilen nicht mit anderen, digitalisierten Branchen wie der Automobilbranche vergleichbar, denn in der Regel bauen wir Unikate. Einen individuellen Bauprozess zu digitalisieren, ist grundsätzlich schwieriger als eine Fabrikation unter kontrollierten, standardisierten Rahmenbedingungen. Aber wir sind führend bei der Digitalisierung der Baubranche. Dafür arbeiten wir in erster Linie an der notwendigen Infrastruktur. Eine vernetzte Welt setzt Konnektivität voraus. Auch die Themen Sicherheit, Daten und Standardisierung spielen eine entscheidende Rolle. Nur im Einklang dieser Faktoren können neue digitale Projekte vorangetrieben werden.
Die Bauindustrie ist in großen Teilen nicht mit anderen, digitalisierten Branchen wie der Automobilbranche vergleichbar, denn in der Regel bauen wir Unikate. Einen individuellen Bauprozess zu digitalisieren, ist grundsätzlich schwieriger als eine Fabrikation unter kontrollierten, standardisierten Rahmenbedingungen.
Sie arbeiten bei Bauprojekten mit vielen anderen Unternehmen zusammen. Stellt ein unterschiedlicher Digitalisierungsgrad da ein Problem dar?
Unterschiedliche Standards sind generell ein Thema. Das hat erst einmal nichts mit Digitalisierung zu tun. Dennoch ist es speziell bei digital abgewickelten Bauprojekten eine Herausforderung, wenn zwei gänzlich unterschiedliche Parteien miteinander kooperieren. Gerade in der Kommunikation mit kleineren Nachunternehmen sind leider noch vielmals Medienbrüche zu finden.
Wie lassen sich diese dann in der Praxis überwinden?
Auch hier sind wir wieder bei den gemeinsamen Standards. Wenn wir über Digitalisierung sprechen, dann sind wir nur dann effizient, wenn wir vor dem Digitalisieren und Automatisieren im ersten Schritt standardisieren. Generell gibt es in der Bauindustrie eine breite Software-Palette und nur wenige globale Standards. Daher werden oftmals große Aufwände in Systemintegration und die Definition von Schnittstellen gesteckt. Hier liegt wohl das größte bisher nicht voll ausgeschöpfte Potenzial.
Welche Rolle spielen bei der Digitalisierung der großen Bauunternehmen Start-ups, die sogenannten ConTechs?
Die dynamische Veränderung der Märkte durch die digitale Transformation erfordert Agilität und Innovationskraft. In diesem Zusammenhang spielen Start-ups eine wichtige Rolle. Sie treiben neue Entwicklungen und stellen mutig bestehende Lösungen und Prozesse in Frage. Durch strategische Partnerschaften mit ConTechs will Strabag als starke Partnerin Synergien heben, die uns langfristig einen Wettbewerbsvorteil sichern.
Die Anzahl der ConTechs steigt an, oft handelt es sich allerdings um digitale Einzellösungen. Wie schafft man es als Großunternehmen, derartige Lösungen zu integrieren bzw. ein gut funktionierendes Ganzes zu schaffen?
Die steigende Anzahl ConTechs zeigt zunächst, dass sich die Bauindustrie in einem Umbruch befindet. Sonst würde es die Anzahl an ConTechs nicht geben – aus unserer Sicht eine positive und hoffnungsvolle Entwicklung. Was die Auswahl von Produkten, Partnerinnen und Partnern angeht, sind wir selektiv, so setzen wir nur die besten Lösungen für unsere operativen Einheiten sowie Kundinnen und Kunden ein. Eine erfolgreiche Integration benötigt aber weit mehr als nur eine intelligente technische Lösung – Professionalität bei Organisation und Prozessen sind ebenso Grundvoraussetzung wie ein gewisses Verständnis für Enterprise-Lösungen.
Wie verändert sich die Unternehmenskultur durch diese technologischen Entwicklungen – Strabag bezeichnet sich ja auch nicht mehr als Bauunternehmen, sondern als Technologiekonzern für Baudienstleistungen?
Intern erleben wir derzeit einen Transformationsprozess der Horizontalisierung – mit absolutem Fokus auf die Wertschöpfung. Damit überwinden wir Silos und Insellösungen, um noch stärker an einer gemeinsamen Vision des Konzerns zu arbeiten. Das verändert natürlich auch die Führungskultur innerhalb des Unternehmens.
Was erfordert dieser Wandel von Bauingenieurinnen und Bauingenieuren, welche Skills benötigen sie, und suchen Sie auch neue bzw. andere Abschlüsse, beispielsweise verstärkt IT-Fachkräfte?
Das Wissen und die Anwendung von BIM, LEAN und agilen Arbeitsmethoden sind wesentlicher Bestandteil des Skillsets unserer Bauingenieurinnen und Bauingenieure. Der Transfer der Digitalisierungsprojekte in die Praxis erfordert einerseits tiefes technisches, andererseits aber auch fundiertes ITVerständnis. Gleichzeitig benötigt man die Fähigkeit, Veränderung zu begleiten und die richtigen Maßnahmen zur erfolgreichen Umsetzung zu treffen. Das setzt auch ein neues Verständnis von Führung voraus. In Bereichen wie Application Services, Data Science oder Software Development suchen wir zudem vermehrt IT-Fachkräfte, um unsere Digitalisierungsprojekte voranzutreiben und weiterzuentwickeln.