Informatik gilt als trockene Wissenschaft: Zu Unrecht: Ihre zentralen Fragen entpuppen sich als Fragen des Lebens bis hin zur Philosophie oder dem großen Ganzen an sich. Professor Dr. Eckart Zitzler, Vizedirektor der Hochschule Luzern – Informatik zeigt auf, dass es sich um eine Querschnittsdisziplin handelt, die viele weitere Disziplinen beeinflusst und voranbringt. Von Gabriela Bonin und Prof. Dr. Eckart Zitzler, Hochschule Luzern
Die Informatik durchdringt in immer mehr Bereichen unseren Alltag. Und dies nicht nur im Sinne der Technik: Alle Menschen haben vermehrt mit Themen zu tun, bei denen die Informatik eine Rolle spielt. Etwa mit Fragen rund um ihre Privatsphäre, um sichere politische Wahlen oder um Assistenzsysteme beim Autofahren. Zudem steht sie auch immer mehr in Beziehung zu den anderen Disziplinen und zu Fragen des Lebens an sich. Sie schafft stetig neue Querverbindungen; ihre Natur ist interdisziplinär; ihre Themen reichen in viele Fachgebiete hinein. Daher ist es spannend, sie auch querzudenken.
So greift die Informatik beispielsweise uralte Fragen der Menschheit auf, sie beschäftigt sich mit weit mehr als mit Programmieren und Technik. Ihre zentrale Aufgabe ist die Informationsverarbeitung: Es geht also um die Fragen, was Informationen sind, wie wir sie darstellen, ablegen und wiederfinden, wie wir mit Informationen umgehen und was sich mit diesen machen lässt. Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Mensch seit Jahrtausenden – es geht um Sprache, Ordnung, Codes und Kommunikation.
Informatik befasst sich weiterhin mit theoretischen Möglichkeiten. Informatiker* innen kümmern sich nicht nur um die praktische Umsetzung mittels Maschinen und vernetzten Computersystemen, sie denken auch darüber nach, was sich mit Computern eigentlich berechnen lässt, warum einige Anwendungen schwieriger zu handhaben sind als andere.
Die Informatik verändert zudem die Sicht auf uns selbst: Da Computer immer genauere medizinische Diagnosen stellen, in einigen Bereichen sogar Ärzten und Ärztinnen überlegen sind, kommt es zu den Fragen, was Intelligenz eigentlich ist und was uns als Menschen ausmacht.
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Ein weiterer Aspekt ist, dass die Informatik wie die Mathematik zunehmend als Hilfswissenschaft dient. Der bekannte Informatiker Christos Papadimitriou stellte 2008 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich die These auf, die Informatik sei die neue Mathematik: Sie dient in vielen Gebieten als Hilfswissenschaft und treibt damit deren Fortschritte voran. So nutzen beispielsweise Ingenieurinnen oder Naturwissenschaftler, Molekularbiologen oder Klimaforscherinnen häufig die Hilfe des Computers, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Die Perspektive der Informatik beeinflusst das wissenschaftliche Denken, wodurch sich die verschiedenen Disziplinen verändern. So wie in vielen Fächern Mathematikkenntnisse vorausgesetzt werden, brauchen Forscherinnen und Wissenschaftler nun auch ein Grundlagenwissen in Informatik. Und: Durch die ständige Begleitung des Menschen durch die Informatik gehören zentrale Informatikkonzepte inzwischen zur Allgemeinbildung. Ebenso gewinnen Informatikthemen in politischen und öffentlichen Fragen an Bedeutung: Viele informatische Problemstellungen sind gesellschaftlich wichtig.
So kann man staunen und davon fasziniert sein, welche neuen Gedankengänge Informatikkonzepte auslösen. Schließlich landet man bei der Philosophie. Auf einmal geht es um das große Ganze, den großen Bogen. Spätestens dann lernen wir etwas über uns selbst.