Der Polymer-Chemiker Dr. Kalie Cheng (35) und der Kunststofftechniker Abiye Dagew (42) haben 2018 das Start-up Plastic2Beans gegründet. Ihre Ziele: in Äthiopien die erste PET-Recyclingfabrik des Landes aufzubauen und in Deutschland das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen. Wie es dazu kam, berichtet Kalie Cheng. Das Interview führte Sabine Olschner
Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem Start-up?
Abiye Dagew und ich haben uns kennengelernt, als ich in Elternzeit war und er sich für seinen Sohn die Schwimmflügel meiner Tochter ausgeliehen hat. Ich hatte großes Interesse daran, mein Wissen aus der Polymer-Chemie nachhaltig einzusetzen – was in der Kunststoffbranche etwas schwierig ist, denn sie ist nicht unbedingt dafür bekannt, besonders nachhaltig zu sein. Abiye, der damals bei einem Maschinenbauunternehmen arbeitete, erzählte mir von den Chancen in Äthiopien, aber auch von den Problemen des Landes mit dem Recycling angesichts der wachsenden Kunststoffindustrie. Rund sechs Milliarden PET-Flaschen werden pro Jahr in Äthiopien verkauft, aber es gibt keine Möglichkeit, den Kunststoff wiederzuverwerten. Gebrauchte Plastikflaschen werden in Äthiopien nur geschreddert, gewaschen, exportiert und im Ausland wieder aufgearbeitet. Die Wertschöpfung findet also im Ausland statt, und Äthiopien muss teuer neues PET einkaufen, um daraus vor Ort wieder Flaschen herzustellen. Das wollen wir ändern. Also überlegten wir uns, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, und gründeten das Start-up Plastic2Beans.
Woran arbeiten Sie konkret?
Wir haben mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und dem Bundesministerium für Wirtschaft, Entwicklung und Zusammenarbeit Studien über den Recycling-Sektor in Äthiopien erstellt. Nun treiben wir gemeinsam ein konkretes Projekt voran: das PET-Recycling im Land. Wir bringen das Know-how für diese Technologie mit, schreiben den Business Case und erstellen den Finanzplan. Damit überzeugen wir Investoren aus Äthiopien und aus Deutschland, dieses Projekt umzusetzen. Wir suchen Fördergelder und internationale Funding-Projekte sowie Maschinenhersteller, die für das Projekt infrage kommen. Dazu stehen wir im Austausch mit dem Umweltministerium der äthiopischen Regierung, die das Projekt stark unterstützt. Es ist schon ein seltsames Gefühl, dass wir als kleines sechsköpfiges Start-up aus Deutschland in Gespräche zur Gestaltung der neuen Gesetzgebungen für PET-Recycling in Äthiopien mit einbezogen werden.
Was sind die größten Herausforderungen in dem Projekt?
Äthiopische Unternehmen haben zu wenig US-Dollar als Fremdwährung. Aufgrund des Devisenmangels können wir also nicht einfach den Technologietransfer durchführen, weil wir von den Unternehmen vor Ort nicht dafür bezahlt werden können – zumindest nicht in US-Dollar. Daher bieten wir unsere Leistungen gegen Bezahlung in der Landeswährung Birr an. Von diesen Birr kaufen wir im Land fair gehandelten Bio-Kaffee direkt von den Kleinbauern. Wir zahlen das Zwei- bis Dreifache des Börsenpreises und erhalten dadurch eine extrem gute Qualität, den sogenannten Specialty Coffee. Diesen verkaufen wir an deutsche Unternehmen für ihre Kaffeeküchen. Unter unseren Kunden befinden sich namhafte Organisationen und Unternehmen wie Aktion Mensch, Spies Packaging, Wildling und das Gründungszentrum der Uni Köln.
Haben Sie noch weitere Absatzmärkte für Ihren Kaffee?
Wir sind eines der ersten Unternehmen, das Kaffeebohnen in Mehrwegflaschen anbietet. Mit dieser Besonderheit gehen wir gerade in den Lebensmitteleinzelhandel hinein. Außerdem haben wir in Köln das Café Impact eröffnet. Wir haben schnell gemerkt, dass wir eine Anlaufstelle brauchen, an der die Menschen unseren Kaffee erleben können. Denn Specialty Kaffee kostet etwa das Doppelte eines normalen Kaffees. Dieser Preis lässt sich schwer vermitteln, wenn man diesen besonderen Kaffee nicht vorher probiert hat.
Nachhaltigkeit ist Ihnen dabei auch in Deutschland ein wichtiges Anliegen?
Ja, in Deutschland wollen wir die Bevölkerung über einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen aufklären. Dazu gehen wir unter anderem in Schulen und erklären den Kindern, welche möglichen gesundheitlichen Probleme es beim Kunststoff geben kann und welche Klimaprobleme entstehen können. Wir zeigen Möglichkeiten auf, was Konsumenten und Konsumentinnen tun können, um die Plastikschwemme zu verringern. Dazu geben wir auch Workshops zum Thema Zero Waste. In unserem Café nutzen wir zum Beispiel die Hafermilch-Verpackungen, um daraus Teller oder To-go-Boxen für Essen zu machen.
Bei so vielen unterschiedlichen Ideen und Projekten: Wie stellen Sie sicher, dass Sie sich nicht verzetteln?
Wir machen Sprints. Dabei konzentrieren wir uns für ein paar Wochen nur auf ein Thema. Das heißt: nicht alles gleichzeitig abarbeiten, sondern nacheinander. Aber auch wir kommen manchmal ins Rotieren …
Nachhaltigkeit ist ja ein Thema, das viele junge Leute bewegt. Wenn sich jemand wie Sie mit einer sozialen Idee selbstständig machen möchte: Was wären Ihre Tipps?
Wir haben uns direkt zu Beginn ans Gateway Exzellenz Start-up Center der Universität zu Köln gewendet. Die haben uns beraten, welche Fördermittel für uns infrage kommen. Bei uns haben leider nicht die klassischen Förderungen gegriffen, weil wir keine technische oder digitalen Innovationen entwickelt haben. Wir haben ja eine soziale Innovation, die es den äthiopischen Unternehmen ermöglicht, Technologien anzuwenden. Hier sind andere Fördertöpfe zuständig. Außerdem haben wir uns bei Inkubatoren-Programmen angemeldet. Social Impact ist zum Beispiel eine sehr gute Anlaufstelle für Social Start-ups. Hier kann man sich austauschen und die eigenen Ideen voranzubringen. Und wenn die Idee gut ist, man sein Herzblut in das Projekt hineingibt und dazu auch noch die richtigen Leute hat, dann funktioniert so etwas auch.
Kaffee für den guten Zweck
Den Fairtrade-Kaffee, den Plastic2Beans aus Äthiopien importiert, können Kaffeeliebhaber im Kölner Impact Café probieren.
Impact Café
Luxemburger Straße 190
50937 Köln