Leila Summas Welt tickt digital. Seit vielen Jahren begleitet die gebürtige Schweizerin digitale Veränderungsprojekte in verschiedenen Branchen. Tätig war sie für Facebook und XING, heute holen Unternehmen sie ins Boot, um bei der digitalen Transformation Speed aufzunehmen. Im Interview verrät sie, warum in diesem Fall Tempo vor Gründlichkeit geht und warum die Digitalisierung keine Welt der Kompromisse ist. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Leila Summa verantwortet und begleitet seit 22 Jahren digitale Transformations- und Pionierinitiativen im Bereich Medien, IT, HR, Marketing & Sales. Von 2011 bis 2015 war sie in unterschiedlichen Positionen im Vertriebsteam von Facebook Germany tätig und war mitverantwortlich für Umsatzwachstum im DACH-Markt. Von 2015 bis 2017 baute sie als Geschäftsführerin die XING-Tochter XING Marketing Solution auf. Seit Dezember 2016 arbeitet sie in unterschiedlichen Rollen (Co-Founder, Advisor, Mentor, Beirat und Verwaltungsrat) für diverse Unternehmen. Nebenberuflich hat die gebürtige Schweizerin 22 Semester studiert, u.a. Publizistik und Sozialpädagogik an der Universität Zürich, ein Master in Mobile Application an der Zürcher Hochschule der Künste sowie ein Master in Business Administration mit Fokus auf International Management Consulting an der Fachhochschule Nordwestschweiz/ Universität Ludwigshafen.
Frau Summa, Sie sind seit mehr als 20 Jahren in digitale Innovationsprozesse involviert. Die Digitalisierung ist also längst volljährig. Wird Sie mittlerweile von den Unternehmen ernst genug genommen?
Ja, von einer Mehrheit wird sie das. Hierbei hat COVID-19 einen massiven Entwicklungsschub geleistet. Selbst digitalaverse Führungskräfte wurden aufgrund der Alternativlosigkeit über Nacht dazu gezwungen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Viele von ihnen haben nicht nur die digitale Kluft im eigenen Unternehmen schmerzhaft erlebt. Sie haben auf der anderen Seite auch die Vorteile erkannt, die sich durch die Haltung „einfach mal machen“ aber auch durchs digitale Improvisieren in einer Zeit des Social Distancing und des Home-Office ergeben haben. Meine Hoffnung ist, dass wir dieses großartige digitale Momentum beibehalten.
Bei Ihnen geht es immer auch um Speed und Shortcuts bei der digitalen Transformation. Warum ist das Tempo so wichtig?
Es geht nicht darum, Dinge schneller zu machen, sondern darum, sie anders zu tun, um schneller zu sein. Geschwindigkeit ist kein Selbstzweck.
Aber sie ist nötig.
Ich denke schon, ja. Der Markt, die technologischen Fortschritte und die Kundenbedürfnisse verändern sich kontinuierlich und gefühlt immer schneller. Unternehmen, die diesen Veränderungen Schritt halten können, sind im Vorteil. Ich nenne diese Eigenschaften „Reaktionsfähigkeit“ und „Reaktionsschnelligkeit“, um den Begriff „agile“ nicht zu überstrapazieren. Konkret heißt das: Bin ich als Unternehmen zu langsam, verpasse ich es heute, an den Lösungen zu bauen, die morgen den Bedürfnissen meiner Kunden entsprechen werden. Was man dabei wissen muss: Es wird immer andere Player geben, die das besser, respektive schneller hinbekommen.
Wie lässt sich verhindern, dass durch das hohe Tempo die Gründlichkeit leidet?
Das lässt sich wohl – zumindest zu Beginn – nicht verhindern.
Damit haben die Deutschen scheinbar ein Problem.
Ich als Schweizerin durchaus auch. Das Motto von Facebook lautet „Better done, than perfect” – und ich als Perfektionistin empfand das zunächst als extrem befremdlich. Ich habe dann aber gemerkt, dass es in fast allen Situationen besser ist, „etwas zu liefern“ und früh zum Beispiel am Kunden zu vertesten, als monatelang im Keller Konzepte zu schreiben, die letztlich am Ziel vorbeigehen. Die Gründlichkeit ergibt sich schließlich iterativ: Baut man kurze Phasen mit kontinuierlichen Feedback-Loops ein, wird es idealerweise so sein, dass man mit der Zeit immer besser wird.
Ich persönlich bin der Meinung, dass heute folgende Dinge zählen: das individuelle Potential und Engagement, die Fähigkeit, Netzwerke zu bilden und zu pflegen, das schon beschriebene „growth mindset“, dazu Zielstrebigkeit, Leidenschaft sowie Hartnäckigkeit und Ausdauer.
Die junge Generation kann dieses hohe Tempo mitgehen, einige Ältere werden wohl vor Herausforderungen gestellt. Wie lässt sich hier Balance herstellen?
„Reaktionsfähigkeit“ und „Reaktionsschnelligkeit“ sind meines Erachtens keine Frage des Alters, sondern eines „growth mindset“. Das heißt: Menschen, die der Welt mit offenem Mindset begegnen – also gerne auch eine Herausforderung annehmen, aus Fehlern lernen – denen fällt es einfacher. Eine Balance zu suchen, ist dabei immer schwierig, weil eine solche immer einen Kompromiss darstellt. Wichtig ist, dass sehr oft und intensiv kommuniziert wird, wohin die Reise geht. Und dass man den Mitarbeitenden dementsprechend auf diesem Weg Unterstützung anbietet, in Form von Trainings, der Vermittlung neuer Methoden, Mentoren- Programmen oder der Förderung von Learning-by-doing-Ansätzen.
Was sind die zentralen Hebel, um Digitalisierungsprozesse in Unternehmen mit hoher Dynamik in Gang zu bringen?
Erster Schritt, starte mit dem Weshalb – also mit der Definition eines klaren und transformativen Purpose: Weshalb tun wir heute und in drei bis fünf Jahren als Unternehmen das, was wir tun? Was treibt uns an? Zweiter Schritt: Wie möchten wir diesen Purpose zum Leben erwecken? Wie also gehen wir vor, um ihn zu erreichen? Dritter Schritt: Was genau tun wir, und was tun wir, um zukünftig anders zu sein? Optimalerweise werden die Antworten auf diese Fragen gemeinsam mit den Teams erarbeitet.
Digitalisierung fängt beim Menschen an. Welches digitale Mindset ist wichtig, um Shortcuts zu finden und ihnen zu folgen?
So einfach es klingt: Schneller anderes zu tun, als wir denken können. Also anstatt „think different“ „act different“: einfach starten, ausprobieren, improvisieren, reflektieren, adaptieren – und Fehler als gewünschte Entwicklungsschritte auf dem Weg zur Veränderung zu sehen.
Es ist an der Zeit, den Homo Ludens, also den spielenden Menschen, in uns wiederzuentdecken und unseren Mut und Optimismus wieder zuzulassen. „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, sagte schon Friedrich Schiller.
Sie plädieren dafür, die Art, wie Kinder auf dem Spielplatz spielen, also das Impulsgesteuerte und Neugierige, auf die Welt des Managements zu übertragen.
Haben Sie schon mal Kinder auf einem Spielplatz beobachtet? Sie werfen ihr Fahrrad auf den Boden und rennen lachend auf das nächstbeste Spielgerüst zu. Ohne nachzudenken klettern, rutschen und schaukeln sie. Je wilder, desto besser. Sie bauen Sandburgen, konstruieren Staudämme und tauchen in Phantasiewelten ab. Lassen Sie uns das auf unsere erwachsene Welt des Managements übertragen! Der Homo Oeconomicus ist ein Feigling! Es ist an der Zeit, den Homo Ludens, also den spielenden Menschen, in uns wiederzuentdecken und unseren Mut und Optimismus wieder zuzulassen. „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, sagte schon Friedrich Schiller. Zu viel denken, bremst uns dagegen aus und verstärkt psychologisch die Ängste und die negativen Biases, die sowieso in uns schlummern. Der Homo ludens hingegen kann im geschützten Rahmen Dinge ausprobieren, über die eigenen Grenzen gehen, fantasievoll und mit weniger Denkbarrieren Neues erleben. Wenig beurteilend, sondern erlebend – so, wie es uns die Kinder vormachen. Und falls etwas nicht auf Anhieb funktioniert, dann halt nochmals und nochmals üben, bis es klappt.
Mit Blick auf Nachwuchskräfte, die mit ihrem digitalen Mindset in Unternehmen kommen, die aktuell im Wandlungsprozess stecken: Welche Eigenschaften sind wichtig, um direkt zu helfen, diesen Prozess voranzubringen?
Es ist eine Kombination aus unterschiedlichen Eigenschaften. Ich persönlich bin der Meinung, dass heute folgende Dinge zählen: das individuelle Potential und Engagement, die Fähigkeit, Netzwerke zu bilden und zu pflegen, das schon beschriebene „growth mindset“, dazu Zielstrebigkeit, Leidenschaft sowie Hartnäckigkeit und Ausdauer.