Digitale Technologien können zu Einsparungen von Kohlenstoffdioxid, CO2, beitragen. Parallel dazu erzeugen digitale Geräte und Infrastrukturen auch CO2. Doch reicht es aus, mögliche Einsparpotenziale dem Verbrauch gegenüberzustellen? Von Christoph Berger
Die Ergebnisse der Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“, erstellt von Umwelt- und Digitalisierungsexperten des Beratungsunternehmen Accenture, scheinen eindeutig. Diese hatten für ihre Untersuchung den von digitalen Technologien ausgehenden CO2-Ausstoss möglichen Einsparpotenzialen gegenübergestellt – anhand von sieben Anwendungsbereichen, in denen ein besonders großer CO2-Einspareffekt durch digitale Technologien erzielt werden kann: die industrielle Fertigung, Mobilität, Energie, Gebäude, Arbeit und Business, Landwirtschaft sowie Gesundheit. Demnach können die CO2-Emissionen in Deutschland durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen in den kommenden zehn Jahren um bis zu 151 Megatonnen CO2 verringert werden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Waagschale werden 16 Megatonnen CO2 pro Jahr erzeugt, schreitet die Digitalisierung in moderatem Tempo voran.
22 Megatonnen wurden für eine beschleunigte Digitalisierung berechnet. Hierbei verursachen laut den Autoren insbesondere die Herstellung und der Betrieb von Endgeräten wie Bildschirmen, Computern oder Tablets, aber auch der Betrieb der Netzinfrastruktur und der Rechenzentren mittelbar CO2-Emissionen. Das Fazit der Autoren lautet: Das CO2-Einsparpotenzial der für die Studie betrachteten digitalen Technologien ist mehr als sechs Mal höher als ihr eigener Ausstoß.
Die Hoffnung, dass die Digitalisierung den Gesamtenergieverbrauch senkt, erfüllt sich derzeit nicht.
So vielversprechend diese Ergebnisse sind, die Digitalisierungsexperten des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin kamen in ihrem im Herbst 2020 veröffentlichten Artikel „Digitalization and energy consumption. Does ICT reduce energy demand?“ zu dem Ergebnis, das steigende Energieverbräuche des Informations- und Kommunikationstechnologie-Sektors (IKT) und höheres Wirtschaftswachstum eine Reduktion des Energiebedarfs konterkarieren. „Zwar kann durch die Digitalisierung Energie eingespart werden – durch Effizienzsteigerungen in verschiedenen Wirtschaftssektoren, aber auch bei technischen Geräten des täglichen Gebrauchs. Legt man diese Einsparungen in die eine Waagschale und vergleicht sie mit den Effekten des wachsenden IKT-Sektors und den Auswirkungen des durch gesteigerte Produktivität ausgelösten Wirtschaftswachstums, wiegen die letzteren deutlich schwerer. „Die Hoffnung, dass die Digitalisierung den Gesamtenergieverbrauch senkt, erfüllt sich derzeit nicht“, erläutert Wirtschaftsforscher Steffen Lange vom IÖW.
Doch immerhin: In Zukunft könne die Digitalisierung nur nachhaltiger werden, wenn sie gezielt für Energieeffizienzsteigerungen eingesetzt würde oder um Sektoren energiesparend zu verändern. Gleichzeitig müssten aber auch Maßnahmen greifen, die den Energiebedarf des Sektors selbst eindämmen und Rebound- und Wachstumseffekten entgegensteuern. Insgesamt müssten die digitalen Möglichkeiten in den Dienst einer ökologischen Transformation der Ökonomie gestellt werden. „Anstatt die Nebenwirkungen der Digitalisierung zu bekämpfen, sollten alle ökonomischen Sektoren transformiert werden, insbesondere Industrie, Landwirtschaft, Energie, Bau und Verkehr. Hierbei könnten digitale Technologien – richtig eingesetzt – eine wichtige Rolle spielen.“
Buchtipp
Klaus Simon: Warum Klimaschutz bisher verpufft und wie er gelingt. Büchner-Verlag 2021, 24 Euro