Wie kommt eine Juristin dazu, sich ausgerechnet mit Steuerrecht zu beschäftigen? Tanja Maria Beck schreibt im karriereführer über die Faszination Steuerrecht und ihren Berufseinstieg bei der internationalen Anwaltssozietät Shearman & Sterlin.
Zur Person
Tanja Maria Beck studierte von 1993 bis 1998 an der Uni Göttingen und arbeitete als Rechtsanwältin im Steuerrecht von Shearman & Sterling in Düsseldorf.
Ich kann nicht behaupten, dass es schon immer mein Traum war, als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Steuerrecht tätig zu werden. Die Juristerei hätte mich zwar schon nach dem Abitur gereizt, aber ich hatte zunächst kein Interesse daran, wieder in einem Klassenzimmer oder Hö-saal zu sitzen und nur vor mich hin zu lernen. Daher beschloss ich, zunächst eine Ausbildung zur Bankkauffrau zu machen. Die wirtschaftlichen Aspekte des Bankgeschäftes haben mich bereits damals in ihren Bann gezogen. Als reine Bankkauffrau ist man jedoch von den eigentlich interessanten Geschäften ausgeschlossen. Um also an diesen Transaktionen mitarbeiten zu können, begann ich nach dem Abschluss meiner Ausbildung mit dem Jurastudium.
„Steuerrecht?“ – „Faszinierend!“
Während des Studiums und den obligatorischen Praktika merkte ich schnell, dass mich Steuerrecht fasziniert. Aufgrund meiner Ausbildung hatte ich einen ersten Eindruck von Buchführung bzw. Bilanzsteuerrecht gewonnen. Daher entschloss ich mich, im ersten Staatsexamen Steuerrecht als Wahlfach anzugeben und besuchte die üblichen Steuerrechtsvorlesungen und -seminare. Viele Studierende lassen sich leider allein durch den Begriff „Steuern“ abschrecken (bei nicht wenigen meiner Kollegen hat sich das bis heute nicht geändert) und besuchen nicht einmal die Standardvorlesungen. Am Steuerrecht kommt jedoch niemand vorbei. Gerade für Juristen hat es mehr zu bieten als die Fähigkeit, lediglich eine Einkommensteuererklärung auszufüllen (obwohl das im späteren Berufsleben natürlich nicht zu verachten ist!).
Steuerrecht sollte auch im zweiten Staatsexamen mein Wahlfach bleiben. So habe ich schon bei der Planung der einzelnen Stationen nach dem ersten Staatsexamen darauf geachtet, soweit möglich, eine breite Palette des Steuerrechts kennen zu lernen, um endlich erste praktische Erfahrungen zu sammeln und damit letztlich eine Entscheidung für das spätere Berufsleben treffen zu können. Während der Anwaltsstation arbeitete ich in einer kleinen Kanzlei, welche mit einem Steuerberater kooperierte, die Wahlstation absolvierte ich bei einem Finanzgericht. Die Erfahrungen, die ich während meiner Ausbildung sammeln konnte, bestärkten mich darin, auch nach dem zweiten Staatsexamen „irgendwie“ steuerrechtlich tätig zu werden.
„Dienstschluss 15.30 Uhr?“ – „Nein danke.“
Möglichkeiten hierzu bieten sich reichlich. Zunächst dachte ich daran, eine verwaltungsrechtliche Laufbahn einzuschlagen, das bedeutet, zunächst bei einer Oberfinanzdirektion zu arbeiten, um später an das Finanzgericht zu wechseln. Da kam Shearman & Sterling auf mich zu und bot mir an, in der Steuergruppe in Düsseldorf zu arbeiten. Nun musste ich mich entscheiden. Ein Charakteristikum des Anwaltsberufs ist gerade für Anfänger gewöhnungsbedürftig: die Arbeitszeit. Im Gegensatz zu einem Kollegen, der als Sachbearbeiter bei einem Finanzamt tätig ist, endet meine Arbeitszeit nicht um 15.30 Uhr.
Steuerrecht – ein Querschnittsthema
Die Entscheidung, statt in einer Beamtenlaufbahn als Rechtsanwältin bei einer internationalen Kanzlei zu arbeiten, habe ich trotzdem nicht bereut. Im Rahmen meiner Tätigkeit bin ich hauptsächlich, jedoch nicht ausschließlich, mit steuerrechtlichen Sachverhalten beschäftigt, wobei die Arbeit nicht auf einzelne Steuerrechtsgebiete begrenzt ist. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen aus den Bereichen „Mergers & Acquisitions“ sowie dem „Capital Markets“ habe ich die Möglichkeit, auch in anderen Gebieten zu arbeiten, die häufig einen Auslandsbezug haben. Bei Unternehmenskäufen oder –zusammenschlüssen ist immer auch die steuerliche Seite der Transaktion zu beurteilen. Sofern die vom Mandanten bevorzugte Struktur steuerliche Nachteile aufweist, sind Lösungsalternativen zu entwickeln, welche die vom Mandanten gewünschten Ziele erreichen. Hierbei arbeite ich auch häufig in einem internationalen Team mit den Kollegen aus London, Paris, New York usw. zusammen. Daneben eröffnet die Kanzlei mir die Möglichkeit, in unseren ausländischen Büros tätig zu werden.
Im Gegensatz hierzu hat ein Mitarbeiter der Finanzverwaltung einen feststehenden Sachverhalt zu begutachten. Für Kreativität bleibt dabei nicht viel Raum. Und gerade im Steuerrecht wird kreatives Arbeiten verlangt. In jedem Jahr werden Steuergesetze geändert. Eine Struktur, die in diesem Jahr noch als Steuersparmodell gilt, ist bereits im nächsten Jahr überholt. Daher kann das Steuerrecht weder langweilig noch trocken sein. Es fordert die ständige Fortbildung. Hierbei bieten große Kanzleien einem jungen Anwalt die Möglichkeit, durch die Teilnahme an internen und externen Fortbildungsveranstaltungen seine Kenntnisse ständig zu erweitern.
Für mich wird das in naher Zukunft eine neue Prüfung nach sich ziehen: die zur Steuerberaterin. Obwohl ich in der Steuergruppe der Kanzlei arbeite, ist die Prüfung zur Steuerberaterin nicht zwingend vorgeschrieben. Die Entscheidung, sich auf diese Prüfung vorzubereiten und sie abzulegen, wird jedoch von der Kanzlei begrüßt: Unterstützt wird mein Ent-schluss zum einen finanziell, zum anderen durch die Gewährung von (unbezahltem) Urlaub.