Künstliche Intelligenz (KI), Audit Bots und Algorithmen: Laut einer Studie planen die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften massive Investitionen für die Umsetzung ihrer Digitalstrategien. Eine gesteigerte Effizienz ist ein Ziel dieser Maßnahmen, ein zweites betrifft direkt die Arbeit der Prüfer*innen. Von Christoph Berger
Die Budgets der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für ihre digitale Transformation steigen von Jahr zu Jahr. Derzeit, so das Ergebnis der zusammen von Lünendonk und RSM erstellten Sonderpublikation „Digitalisierung in der Wirtschaftsprüfung“, planen die Unternehmen, durchschnittlich 3,7 Prozent ihres Umsatzes in diesen Bereich zu stecken. Im Hinblick auf deren Strategie bedeutet dieses Mehr, dass es vor allem um die Optimierung von digitalen Prozessen, den Ausbau der IT-Infrastruktur, Business Analytics und Business Intelligence (BI) sowie den Einsatz von Prüfungssoftware geht. Dass dies zu nachhaltigen Veränderungen in der Arbeitsweise der Wirtschaftsprüfer führen wird, steht außer Frage. So erwarten immerhin 25 der führenden WP-Gesellschaften aus der aktuellen Lünendonk-Studie 2020, dass bereits im Jahr 2026 mehr Prüfungsleistungen mittels Maschinen erbracht werden als durch Menschen.
Legt man im Vergleich dazu den Fokus auf die zu prüfenden Unternehmen, so ist auch dort ein ähnlicher Trend festzustellen – PwC befragte hierzu für die Studie „Digitalisierung im Finanz- und Rechnungswesen 2020“ im letzten Jahr mehr als 100 mittelständische und Großunternehmen unterschiedlicher Branchen. Demnach werden für immer mehr und immer komplexere Aufgaben im Accounting moderne Technologien eingesetzt. Stichworte sind hier KI und Robotic Process Automation, abgekürzt RPA. Bei RPA bearbeiten Software-Roboter strukturierte Prozesse automatisiert. Es geht dabei also vor allem um das Abarbeiten von immer wiederkehrenden Standardaufgaben.
Die Studie beleuchtete auch die Erfahrungen der befragten Entscheider mit und ihre Erwartungen an eine zunehmend digitale Abschlussprüfung. So glauben zehn Prozent (2019: fünf Prozent) von ihnen, dass sie dadurch „in erheblichem Umfang“ bis dato unbekannte Informationen über ihr Unternehmen erhalten. Und mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) erwartet einen Automatisierungsgrad von 40 Prozent und mehr in den nächsten fünf Jahren.
Ein derartiges Ergebnis ordnet PwC als Appell ein, die Automatisierung der Abschlussprüfung auch zu ermöglichen. Doch genau dabei gibt es laut der Lünendonk-Untersuchung noch einige Hürden zu überwinden. Denn: Nicht nur die Menge an gesammelten Daten spielt bei der Digitalisierung der Abschlussprüfung eine zentrale Rolle, sondern auch deren Qualität. Und bei der scheint es auf Seite der Mandanten noch Nachholbedarf zu geben. So hätten Studienteilnehmer die mangelnde Datenqualität auf Mandantenseite als größtes Hindernis für die digitale Transformation in der Prüfung identifiziert: 91 Prozent bewerteten diese Aussage mit „zutreffend“ beziehungsweise „auf jeden Fall zutreffend“. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die „schwere Umsetzung von Erfahrungswissen in automatisierte Prozesse“ und die „Zurückhaltung oder Unkenntnis auf Mandantenseite“.
„Die Wirtschaftsprüfung braucht künftig Experten, die einerseits neben einer ausgewiesenen IT-Expertise auch statistische Fähigkeiten haben und andererseits in der Verbindung zwischen Wirtschaftsprüfung und Informationstechnologie ihre Berufung sehen.“
Trotz dieser noch zu bewältigenden Herausforderungen setzen die Prüfer und Berater laut Lünendonk und RSM „verstärkt auf Big Data Analytics, Process Mining und Künstliche Intelligenz“. 83 Prozent der Studienteilnehmer würden sich mit diesen Themen im Hinblick auf eine digitalisierte Abschlussprüfung beschäftigen, heißt es. Die Vorteile des Technologieeinsatzes klar vor Augen: die Vermeidung von Fehlern in der Abschlussprüfung und die Möglichkeit, die Konzentration auf komplexere Aufgaben zu legen. Was genau diese komplexeren Aufgaben sein könnten und wie sich überhaupt das Berufsbild der Prüfer*innen durch die Digitalisierung verändern könnte, auch diesen Fragen gingen die Studienautoren von Lünendonk und RSM nach. Eine Erkenntnis: „Verantwortliche im HR-Bereich müssen nicht nur zukünftig, sondern bereits heute Mitarbeiter finden, die Kenntnisse sowohl in der Rechnungslegung als auch in der Informatik mitbringen.“ So hätten immer mehr Mitarbeiter in den WP-Gesellschaften einen Studienabschluss einer technischen Hochschule. Außerdem würden die Kooperationen mit Start-ups und IT-Unternehmen zunehmen.
In der von der Wirtschaftsprüfungskammer herausgegebenen Broschüre „Wirtschaftsprüfer“ wird außerdem erläutert, dass sich neben dem klassischen Karrierepfad im Accounting und Audit aufgrund der vielfältigen Herausforderungen ein Spezialisten-Karrierepfad etablieren wird: IT-Spezialist, IFRS-Spezialist. Diese Kenntnisse seien „für ein klares Verständnis der zu analysierenden Daten und vor allem der dahinterliegenden selbstständigen Prozesse unabdingbar, um Daten effektiv und verlässlich analysieren zu können. Die Wirtschaftsprüfung braucht daher künftig Experten, die einerseits neben einer ausgewiesenen IT-Expertise auch statistische Fähigkeiten haben und andererseits in der Verbindung zwischen Wirtschaftsprüfung und Informationstechnologie ihre Berufung sehen.“
Aufgrund der vermehrten Entbindung von einfachen und sich wiederholenden Tätigkeit durch den Technikeinsatz, würden laut Lünendonk und RSM zudem Kapazitäten für Bewertung und Beratung sowie für Sach- und Sonderthemen frei. All dies führe im Ergebnis zu einer ansteigenden Attraktivität des Berufsbildes. In eine ähnliche Kerbe schlug bereits 2019 Gerhard Ziegler, Präsident der Wirtschaftsprüferkammer. Im Rahmen der damaligen Versammlung der Wirtschaftsprüferkammer sagte er: „Unsere Chance wird sein, die Künstliche Intelligenz zu unserem unterstützenden Partner zu machen. Unser Berufsstand wird weiterhin gefordert sein, die uns gelieferten Analyseergebnisse im wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld des Mandanten einzuordnen.“ Und auch in diesem Jahr wird der Leitgedanke der im November stattfindenden bundesweiten Kammerversammlung das Thema „Wirtschaftsprüfung und Digitale Zukunft“ sein. Und so kommen schließlich auch die Autoren von Lünendonk und RSM zu ihrem klaren Fazit: „Die Arbeit der klassischen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften wird durch die Digitalisierung in der Zukunft auch nicht überflüssig, sondern abwechslungsreicher.“
Buchtipps
Ralf Laue, Agnes Koschmider, Dirk Fahland: Prozessmanagement und Process-Mining. De Gruyter Studium 2020, 39,95 Euro
IDW (Hrsg.): Data Analytics in der Wirtschaftsprüfung. IDW Verlag 2021, 49 Euro.