Als Partner beim Consultingunternehmen Ebner Stolz Management Consultants setzt Dr. Jens Petersen auf eine Beratung, die digitale Möglichkeiten nutzt, ohne das psychologisch-individuelle Element zu vernachlässigen. Denn trotz Big Data und KI bleibt für ihn die Betriebswirtschaftslehre eine Sozialwissenschaft.
Zur Person
Dr. Jens Petersen begann seine Laufbahn als Unternehmensberater 1995 bei Roland Berger in München. Von 2003 bis 2010 war er erstmals Partner und Mitglied einer Geschäftsleitung bei RölfsPartner in Düsseldorf, bevor er 2010 als Partner bei Ebner Stolz Management Consultants in Köln einstieg. Dort ist Jens Petersen in Branchen wie Gesundheit, Groß- und Einzelhandel sowie Agrar- und Ernährungsindustrie tätig, seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Restrukturierung/Sanierung, Corporate Development und Strategie. Zu seinen persönlichen Leidenschaften zählen Literatur, klassische Musik und Sport.
Herr Dr. Petersen, Ihr Beratungsunternehmen bietet seit Herbst vergangenen Jahres die Web-App „Ebner Stolz To Go“ an. Lässt sich Beratung automatisieren?
Das glaube ich nicht, nein. Bei der App geht es eher darum, Informationen, die es bereits gibt, jemandem nutzenorientiert zur Verfügung zu stellen. Aber an dieser Stelle beginnt noch nicht die eigentliche Beratung, denn diese ist immer etwas sehr Individuelles, meistens auch etwas sehr Persönliches. Und das lässt sich über ein solches Tool praktisch nicht organisieren.
Wo können denn Lösungen mit künstlicher Intelligenz helfen?
Bei Analysen. Beratung umfasst in einem frühen Schritt ja erst einmal, dass man das Problem versteht. Hier sind Analysen gefragt, und dabei spielen Techniken wie KI oder auch Data Mining eine wichtige Rolle. Aber dabei handelt es sich wirklich nur um einen kleinen Ausschnitt dessen, was Beratung auszeichnet. Um es konkret zu machen: Wenn Sie sich in einem Handelsunternehmen die Analysedaten des Käuferverhaltens anschauen, wann kauft wer wo was, dann helfen digitale Daten dabei, Öffnungszeiten, Angebote oder die personelle Besetzung zu optimieren.
Sie können aus Daten systematische Fehler, aber auch systematische Chancen erkennen.
Sprich: Das Problem wird erkannt, mögliche Lösungen ergeben sich.
Genau, hier sind digitale Tools beteiligt. Sie können aus Daten systematische Fehler, aber auch systematische Chancen erkennen. Geht es nun aber in die tatsächliche Umsetzungsphase, dann wird die Beratung individuell und persönlich. Denn die Schlüsse, die man aus der Analyse zieht, die zieht man nicht alleine und die zieht schon gar nicht eine KI, sondern das geschieht im Team, sprich: zusammen mit dem Kunden. Wobei dann Data Mining und KI weiter eine große Rolle spielen, wenn es darum geht, die Wirkung der Veränderungen zu verfolgen – oder zu tracken, wie man neudeutsch sagt. Haben Sie zum Beispiel ein Unternehmen mit vielen Buchungsprozessen und haben sie Veränderungen umgesetzt, dann lässt sich mit Hilfe der digitalen Daten sehr genau sagen, welche Auswirkungen diese Schritte haben. Sprich: Ist es besser geworden – oder eben nicht?
Wie ändert sich Beratung dadurch? Handelt man freier, weil Transparenz herrscht? Oder ängstlicher, weil es möglich wird, jede nicht gelungene Umsetzung offenzulegen?
Sagen wir es so, Beratung wird chancenorientierter, weil die Daten die Fehleranalyse deutlich erleichtern. Wir erhalten dadurch viel schneller und offener Hinweise über das, was wir besser machen können – und das ist allemal besser, als lange im Dunkeln zu tappen. Nehmen Sie das Thema Pricing: Ohne digitale Analysetools war lange unklar, welche konkreten Auswirkungen höhere oder niedrigere Preise haben. Heute lässt sich das Kundenverhalten quasi in Echtzeit analysieren, die Auswirkung sehen Sie in den Superoder Elektromärkten, wo es digitale Preisschilder gibt, deren Anzeige sich ständig ändert. Für mich sind diese digitalen Anzeigen ein Symbol dafür, dass uns die Digitalisierung dabei hilft, schneller und flexibler reagieren zu können – durchaus auch unter dem Leitgedanken „Trial & Error“. Ja, Beratung ist sprechende Medizin und hat viel mit Psychologie und Kategorien wie Vertrauen zu tun. Das ist die eine Seite der Medaille. Jedoch hat gute Beratung immer auch einen Bezug zu Daten und Fakten. Und hier helfen uns die digitalen Datentools.
Ihr Werkzeugkasten ist also besser ausgerüstet denn je.
Bei bestimmten Themen ist das so, ja. Voraussetzung dafür ist natürlich immer ein Mindestmaß an Daten über Abläufe, Buchungen und Kunden.
Wird sich die Beratung auch mit Blick auf die Job-Profile aufteilen, einmal in psychologisch-individuelles Consulting sowie einmal mit Schwerpunkt technisch-analytischer Beratung?
Das wird weiterhin zusammengehen, denn Sie können eine Beratung, die motivieren soll, ja nicht unabhängig von Fakten angehen. Sagen zum Beispiel Führungskräfte in einem Unternehmen, sie sähen sich nicht in der Lage, die vom Chef-Management ausgegebenen Wachstumsziele zu erfüllen, dann schlägt das negativ auf die Stimmung im Unternehmen – wobei die Grundlage dafür die Zahlen sind, die den Führungskräften Recht geben, weil sie besagen: Die Ziele sind nicht realistisch. Die beiden Aspekte hängen also zusammen, wobei wir früher die Situation hatten, dass manche Schlussfolgerungen beinahe faktenfrei waren, weil jemand ausschließlich aus der Erfahrung heraus argumentiert hatte. Nach dem Motto: Wenn wir den Preis so und so setzen, dann wird dieses und jenes passieren…
Nun zählt die Betriebswirtschaft zu den Sozialwissenschaften, woran sich ablesen lässt, dass es eben nie nur um Zahlen geht, sondern immer auch um einen allumfassenden und gesellschaftlichen Aspekt.
… das war nämlich schon immer so.
Genau. Und dann musste man versuchen, diese Erfahrung mit Messungen zu bestätigen oder zu widerlegen, was nicht besonders effizient war. Heute ist das anders. Wobei die neuen Möglichkeiten der Datenanalyse auch nicht dazu führen dürfen, dass man glaubt, Zahlen würden einem alles sagen. Dann tritt das psychologische Moment zu sehr in den Hintergrund, und die Beratung verliert eine ihrer Stärken, nämlich das individuell-persönliche Element. Die Chance wiederum ist, dass ich sehr viel genauer arbeiten kann, dass beim Prinzip „Trial & Error“ deutlich weniger Streuverluste auftreten, weil ich sehr schnell gegensteuern kann.
Wenn Beratung heute bedeutet, die beiden Seiten der Medaillen immer im Blick zu haben – steigt dadurch der Anspruch an den Consultant?
Was wir leisten, ist eine betriebswirtschaftliche Beratung. Nun zählt die Betriebswirtschaft zu den Sozialwissenschaften, woran sich ablesen lässt, dass es eben nie nur um Zahlen geht, sondern immer auch um einen allumfassenden und gesellschaftlichen Aspekt. Hier geht es um Themen wie Motivation oder Führung – und diese psychologischen Bereiche sind eben auch ein Teil der Betriebswirtschaftslehre. Es ist ein möglicher Ansatz, ein Unternehmen über seine Jahresbilanz zu verstehen. Dieser Weg ist völlig okay. Ich muss mir nur klarmachen, dass ich damit die Chance, links und rechts von den Daten und Fakten auch andere Dinge zu erkennen, nicht wahrnehme.
Zum Unternehmen
Ebner Stolz zählt zu den größten unabhängigen mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften in Deutschland. Tätig ist das Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung und Unternehmensberatung. Angeboten wird dieses Spektrum von den rund 1.600 Mitarbeitern in einem multidisziplinären Ansatz in allen deutschen Großstädten und Wirtschaftszentren. Als Marktführer im Mittelstand betreut das Unternehmen überwiegend mittelständische Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen aller Branchen und Größenordnungen.