Anna-Katharina Horns berufliche Laufbahn verlief ein wenig anders, als sie sich das einst vorgestellt hatte. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften, einem Auslandsaufenthalt und der Arbeit in einer Anwaltskanzlei hatte sie vor, im PR-Bereich zu arbeiten. Doch da kam die Anfrage ihrer beiden ehemaligen Kommilitonen Stefan Bessling und Dr. Clas-Steffen Feuchtinger: „Hast du nicht Lust, bei uns ins Unternehmen einzusteigen“. Von Christoph Berger
Zur Person
Anna-Katharina Horn, Ausbildung zur Verlagskauffrau, Jurastudium mit Schwerpunkt Medienrecht, Arbeit in einer Anwaltskanzlei, Start bei reThinkLegal als Senior Projektmanagerin im Jahr 2014, seit 2016 Abteilungsleiterin des Bereichs Legal Services & E-Discovery
Die beiden hatten reThinkLegal gegründet, ein Unternehmen, das an der Schnittstelle von IT und Recht Produkte und Services anbietet. „Ich sagte zu und war die vierte Mitarbeiterin im Unternehmen. Und damals wusste noch keiner von uns genau, worauf er sich einlässt. Doch die Anfragen im Bereich Legal Services nahmen zu und der Markt hat sich entwickelt“, fasst Horn die Entwicklung kurz zusammen.
Horns Aufgabe bestand darin, die Abteilung Legal Services & E-Discovery mit aufzubauen, deren Leiterin sie seit 2016 ist. „Beim Einstieg war ich ganz gut mit Excel“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. Inzwischen habe sich ihr technisches Verständnis allerdings enorm ausgeweitet. Mit ihrem Team unterstützt sie Kanzleien und Rechtsabteilungen von Unternehmen bei internen Untersuchungen. Dabei geht es zum Beispiel um wirtschafts- oder kartellrechtliche Vorwürfe, die durch eine behördliche Anfrage entstanden sein können. Oder der Mandant befindet sich bereits in einem Zivilprozessverfahren. „In solchen Situationen müssen bestimmte Informationen meist schnellstmöglich ans Licht kommen, um herauszufinden, was tatsächlich passiert ist“, sagt Rechtsanwältin Horn. Und genau an solchen Stellen kommt sie mit ihren Teams zum Einsatz.
Da sich die relevanten Informationen meist in riesigen Datensätzen verbergen, setzt Horn mit ihrem Projektmanager- Team Analyse-Tools ein, die diese Massen digital durchsuchen und auswerten. Die existierenden Daten werden von den in den Fall involvierten Abteilungen gespeichert und mit Suchbegriffen belegt. „Stellen wir fest, dass die Daten dann tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen, dann lernen die eingesetzten Tools selbst hinzu. Das nennt man ,predictive coding’ / ,technology assisted review‘“, sagt Horn. Oder vereinfacht erklärt: Die Software sagt: „Wenn Sie dieses Dokument interessant fanden, dann könnte Sie jenes ebenfalls interessieren.“
Horns Team besteht trotz des massiven Technikbezugs vor allem aus Juristen. „Bei mir arbeiten Juristen mit 1. Staatsexamen und 2. Staatsexamen sowie Wirtschaftsjuristen und auch meine Managerinnen und Manager sind allesamt ausgebildete Juristen.“ Trotzdem gilt für alle, sowohl in der Welt des Rechts als auch in der der IT up-to-date zu bleiben. Die Teamleiterinnen und Teamleiter nehmen an jährlich stattfindenden Weiterbildungen teil, besuchen Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen – auch, um zu erfahren, welche Themen die Rechtsanwälte bewegen. Horn selbst besuchte zum Beispiel gerade eine Veranstaltung von Wirtschaftsstrafverteidigern, auf der es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Jones Day-Fällen ging. Zum Hintergrund: Jones Day, eine Wirtschaftskanzlei, hatte interne Untersuchungen bei VW/Audi im Rahmen des Dieselskandals durchgeführt. Die dabei gesammelten Daten waren von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Jones Day hatte gegen Teile dieser Beschlagnahmung Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Parallel dazu gilt es für Horn und ihre Kollegen, auch technisch am Puls der Zeit zu bleiben. Sie nehmen an den Schulungen der IT-Unternehmen teil, um beispielsweise zu lernen, wie die Daten aus den Unternehmen abgezogenen und in die Analysetools gelangen. Schnittstellentechnik also. Doch bei aller benötigten Fachkompetenz in zwei komplexen und sich schnell verändernden Themenbereichen: „Das, was ich an meiner Arbeit wirklich spannend finde, sind die Kommunikation und das Arbeiten mit Menschen“, sagt Horn. „Durch mein Studium verstehe ich, in welchen Prozessen wir uns befinden, welche Sprache sowohl die Kanzleien als auch die Rechtsabteilungen sprechen. Ich kann nachvollziehen, warum wann etwas getan werden muss und wo manche Dinge nicht getan werden dürfen.“ Für all das ist das Jurastudium noch heute ihre Basis.
Prinzipiell wünsche ich mir, dass das Geschlecht irgendwann überhaupt keine Rolle mehr spielt, und nur die Kompetenz bei der Jobvergabe entscheidend ist.
Was die Technik hingegen betrifft, so sei es bei weitem nicht so, dass jede oder jeder im Legal Tech-Bereich Arbeitende auch programmieren kann. Eine Neugier an Neuem reiche oftmals schon aus. Denn es gibt nach Horns Aussage noch viel zu tun: „Wenn man sich die Arbeitsabläufe in den Kanzleien anschaut, dann sieht man, dass es noch recht wenig digitale Prozesse gibt.“ Daher komme es vielmehr auf Kommunikations- und Teamfähigkeiten an – nicht nur, um zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Ländern zu vermitteln, sondern auch zwischen den Vertretern der unterschiedlichen Fachdisziplinen. „In der Kommunikation von Juristen und IT‘lern kann es schon mal zu Missverständnissen kommen“, weiß sie.
Und wie fühlt es sich als Frau an, in den stark von Männern dominierten Branchen Recht und IT zu arbeiten? Horn stimmt zu, dass sowohl die Legal- als auch die IT-Branche sehr von Männern dominiert wird. Noch. Denn sie nimmt auch Bewegung diesbezüglich wahr. Immer mehr Frauen würden sich mit IT-Themen auseinandersetzen, immer mehr ein Informatikstudium aufnehmen, sodass es ihrer Meinung nach nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich Frauen in den Bereichen viel präsenter bewegen würden. „Prinzipiell wünsche ich mir, dass das Geschlecht irgendwann überhaupt keine Rolle mehr spielt, und nur die Kompetenz bei der Jobvergabe entscheidend ist“, sagt sie.
Derzeit sei es aber sicher noch sinnvoll, sich ein Netzwerk aufzubauen. Inzwischen gebe es an vielen Universitäten Legal Tech-Labs. Auch wurde letztes Jahr die Auszeichnung „Women of Legal Tech“ ins Leben gerufen, um die Arbeit von Frauen im Bereich Legal Tech sichtbar zu machen und anzuerkennen. Horn gehört zu den Preisträgerinnen. Doch letztlich hat sie nur einen Tipp an angehende Juristinnen, die sich vorstellen können, an der Schnittstelle von Recht und IT zu arbeiten: „Meine Empfehlung ist einfach und lautet: Machen Sie sich weniger Gedanken darum, was schiefgehen könnte. Einfach machen!“
Leitlinien für den Umgang mit technologiegestützter Überprüfungssoftware, kurz: Technology Assisted Review (TAR) Das Bolch Judical Institute der Duke Law School hat im Januar 2019 die „Technology Assisted Review (TAR) Guidelines“ herausgebracht. An deren Formulierung haben mehr als 50 Experten und Praktiker mitgewirkt. In den Leitlinien werden die grundsätzlichen Komponenten des Ablaufs beim Einsatz der Methode beschrieben.
www.edrm.net/wp-content/uploads/2019/02/TAR-Guidelines-Final.pdf