Als Geschäftsführer von Implenia Deutschland und Aufsichtsrat der Initiative „planen-bauen 4.0“ gehört Dr.Ing. Matthias Jacob zu den führenden Verfechtern eines vernetzten und digitalen Arbeitens in Bauunternehmen. Im Interview erklärt der promovierte Bauingenieur, welche neuen Job-Profile die BIM-Methode entstehen lässt und warum partnerschaftliches Arbeiten wichtiger denn je ist. Das Gespräch führte André Boße.
Herr Dr. Jacob, wenn Sie sich an Ihre erste Managementfunktionen in der Bauindustrie ab Ende der 1980er-Jahre zurückerinnern, was war damals komplett anders als heute und was hat sich hingegen überhaupt nicht geändert?
Ich bin seit 1987 in der Bauindustrie tätig, ab Mitte der 1990erJahre in Managementfunktionen. Gebaut wurde auf der Baustelle seit jeher mit 2D-Plänen und separaten Leistungsbeschreibungen, mal mehr, oft weniger stimmig und aktuell. E-Mails und Internet waren noch nicht vorhanden. Das heißt, es wurde noch mehr miteinander gesprochen.
Welche Eigenschaften und welche Qualitäten haben Ihnen auf dem Weg nach oben besonders geholfen?
Neben einer fundierten Ausbildung an der TU Dortmund mit der Vertiefungsrichtung Baubetrieb und Bauwirtschaft haben mir insbesondere praktische Erfahrungen auf Baustellen dabei geholfen, die Besonderheiten der Bauproduktion zu verstehen. Daneben waren Kompetenzen wie Teamfähigkeit, schnelle Auffassungsgabe und besonnenes Handeln in Krisensituationen sehr wichtig.
Die digitalen Möglichkeiten in der Industrie und nun auch in der Bauwirtschaft sind allgegenwärtig.
Wie würden Sie aktuell die Stimmung in der Baubranche beschreiben? Herrscht dank der neuen digitalen Möglichkeiten eine Aufbruchstimmung?
Die digitalen Möglichkeiten in der Industrie und nun auch in der Bauwirtschaft sind allgegenwärtig. Die rasante Weiterentwicklung scheint uns sogar teilweise zu überrennen. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass sie ohne den Einsatz digitaler Methoden in den nächsten Jahren nicht mehr konkurrenzfähig sein werden. Allerdings schürt diese Entwicklung auch Ängste: vor technologischem Wandel und den Geschäftsmodellen, die sich als Folge daraus verändern werden. Die Frage, wie die Digitalisierung letztlich das jeweilige Unternehmen beeinflusst und im Idealfall noch wirtschaftlicher machen soll, schafft bei einigen Akteuren große Unsicherheit.
Sie plädieren für einen stärkeren interdisziplinären Austausch bei Bauprojekten. Wenn Sie sich diesen Austausch in der Praxis anschauen, wo liegen die Herausforderungen, warum tun sich manche schwer mit diesem Austausch?
Interdisziplinärer Austausch bedeutet immer auch, eigene Arbeitsabläufe umzustellen und offenzulegen. Zu Beginn der Umstellung auf eine engere und kooperativere Zusammenarbeit entsteht zum einen ein gewisser Mehraufwand, weil man den anderen Projektbeteiligten Informationen kontinuierlich zukommen lassen und sich regelmäßig absprechen muss. Zum anderen ist die daraus abgeleitete Transparenz nicht jedem recht, da die eigene Arbeitsweise hierbei ständig durch die anderen Projektbeteiligten auf dem Prüfstand steht.
Es steht außer Frage, dass BIM den Bau verändert hat und weiter verändern wird. Welche Vorzüge der digitalen Methode werden Ihrer Meinung nach zu selten kommuniziert?
Der größte Vorzug von BIM ist meines Erachtens der partnerschaftliche, integrale Ansatz dieser Arbeitsmethode. Alle Projektbeteiligten arbeiten interdisziplinär mit einem gemeinsamen Projektverständnis zusammen. Dies reduziert Missverständnisse, fördert den Informationsfluss und damit schnellere Entscheidungen.
Viel eher wird es in Zukunft auf Kommunikations- und Management-Qualitäten ankommen, welche im Projekt unter Beweis gestellt werden müssen.
Für Bauingenieure brechen mit BIM zweifellos neue Zeiten an. Welche neuen Kompetenzen sind unabdingbar, um fit fürs Thema BIM zu sein? Gibt es darunter Skills, die man zunächst gar nicht auf dem Schirm hat – die aber dennoch unverzichtbar sind?
Mit Sicherheit, denn Softwarekenntnisse sind nur ein Teil der Voraussetzungen, um in einem BIM-Projekt erfolgreich zu sein. Viel eher wird es in Zukunft auf Kommunikations- und Management-Qualitäten ankommen, welche im Projekt unter Beweis gestellt werden müssen. Der Fokus liegt bei BIM auf der Vernetzung und Bereitstellung der projektbezogenen Daten, was zwingend eine kooperative und strukturierte Projektarbeit des ganzen Teams voraussetzt. Wer sich neuen Technologien und Veränderungen in der eigenen Arbeitsweise nicht verschließt, kann als junger Bauingenieur bedenkenlos in die Zukunft blicken.
Der Weg zum komplett digitalen Bau ist noch lang, dennoch: Was glauben Sie, wie digital kann ein Bauprojekt in naher Zukunft werden?
Die Entwicklung der technologischen Möglichkeiten geht rasend schnell voran, was einen Blick in die Zukunft sehr schwer macht. Allerdings gibt es heute schon Anzeichen dafür, dass sich der Bau wesentlich verändern wird. Möglichkeiten wie der Einsatz von Betondruckern und Fertigungsrobotern auf der Baustelle werden bereits in Pilotprojekten umgesetzt. Aber auch die digitale Bau-Dokumentation wird ein wesentlicher Bestandteil eines ganzheitlichen BIM-Projektes werden.
Was zeichnet diese digitale Bau-Dokumentation aus?
Alle wesentlichen Projektdaten werden über die gesamte Planungs- und Bauzeit gesammelt und mit dem BIM-Modell verknüpft. Zusätzlich zum real gebauten Bauwerk wird dem Bauherrn somit auch ein digitaler Zwilling übergeben, der für die lange Zeit des Gebäudebetriebs genutzt werden kann.
Wie wird die Digitalisierung auch die Arbeit in den großen Bauunternehmen verändern? Werden beispielsweise ganz neue Job-Profile entstehen?
Derzeit wird die Projektabwicklung mit BIM durch zwei neue Rollen ergänzt: Der BIM-Manager treibt die BIM-Implementierung im Unternehmen voran und überwacht den BIM-Prozess im Projekt. Der BIM-Koordinator organisiert den Informationsfluss zwischen den Projektbeteiligten, führt die einzelnen Fachmodelle in einem Koordinationsmodell zusammen und ist für die Vorgaben und Einhaltung eines projektspezifischen BIM-Abwicklungsplans verantwortlich. Diese neuen Job-Profile werden in Zukunft jedoch wieder mit den Rollen des bestehenden Projektteams verschmelzen, wenn in einigen Jahren der Einsatz von BIM obligatorisch geworden ist.
Zur Person
Dr.-Ing. Matthias Jacob leitet seit Januar 2018 den Geschäftsbereich Implenia Hochbau Deutschland. Seit seiner Promotion als Bauingenieur und nachfolgender universitärer Tätigkeit an der TU Dortmund ist Matthias Jacob seit 1987 in verschiedenen Managementfunktionen in der Bauwirtschaft tätig, unter anderem ab 2005 als Mitglied und von 2007 bis 2010 als Vorsitzender der Geschäftsführung der Bilfinger Hochbau GmbH. Vor seinem Einstieg bei Implenia hatte er ab 2011 als Technischer Geschäftsführer die Leitung der Wolff & Müller Holding übernommen. Neben seiner Mitgliedschaft im Beirat des Masterstudiengangs Real Estate Management und Construction Project Management sowie eines Lehrauftrags an der Bergischen Universität Wuppertal ist er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Initiative „planen-bauen 4.0“.
Zum Unternehmen
Implenia Hochbau Deutschland entstand, als der führende Baudienstleister in der Schweiz, Implenia, vom deutschen Baukonzern Bilfinger die Sparten Hoch- und Ingenieurbau übernahm. Heute ist Implenia im Bereich Hoch- und Ingenieurbau in ganz Deutschland mit rund 3000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro tätig. Der Hauptsitz von Implenia Deutschland ist in Raunheim, gelegen zwischen Mainz und Frankfurt. Der Mutterkonzern mit seinen 8000 Mitarbeitern in 14 Ländern hat seine Zentrale in Dietlikon bei Zürich.