Dr. Alexander Meyer, Informatiker und Mediziner in Ausbildung zum Facharzt für Herzchirurgie am Deutschen Herzzentrum Berlin, hat ein System entwickelt, das Komplikationen nach einer Herzoperation voraussagen kann, noch bevor es zu ersten Symptomen kommt. Von Christoph Berger
Zur Person
Dr. Alexander Meyer wurde bereits 2017 in das „Clinician Scientist Program“ am Berlin Institute for Health (BIH) der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin aufgenommen. Außerdem gehört er zu den Studienleitern (PI) des durch das Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderten neuen Berliner Zentrums für Maschinelles Lernen (BZML). Das Förderprogramm ermöglicht Ärztinnen und Ärzten eine strukturierte Facharztweiterbildung mit genug „geschützter Zeit“ für klinische und grundlagenorientierte Forschung. Dabei geht es vor allem um Translation, also die Umsetzung von Ergebnissen der Grundlagenforschung in der klinischen Anwendung. Weitere Infos zum Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen:
https://bit.ly/2E4RUUb
Speziell bei der intensivmedizinischen Nachbehandlung von Patienten, die am Herzen operiert wurden, gibt es eine Reihe bekannter postoperativer Komplikationen. Je früher diese erkannt werden, desto besser können sie behandelt werden. Doch gerade in Phasen besonders hoher Arbeitsbelastung und angesichts einer Vielzahl unterschiedlicher Überwachungsdaten kommt es immer wieder zu Fällen, in denen Komplikationen erst spät diagnostiziert werden.
Diese Situation im Hinterkopf, haben Dr. Alexander Meyer und sein Team ein Monitoring-System entwickelt, das sämtliche Messwerte in Echtzeit in Bezug zueinandersetzt und sie hinsichtlich erster Anzeichen drohender Komplikationen auswertet. Die Ergebnisanalysen basieren dabei auf Messwerten von über 11.000 intensivmedizinischen Behandlungen am Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB), mit denen das System gefüttert wurde. Bei ihm handelt sich somit um eine künstliche Intelligenz.
Anhand des Datenabgleichs kann die Software Symptome identifizieren, noch lange bevor sie für Ärzte und Pflegekräfte ersichtlich werden. Potenziell lebensbedrohliche Zustände können somit vorausgesagt und rechtzeitig durch entsprechende therapeutische Maßnahmen vermieden werden. Das System wird dabei immer besser – denn es lernt anhand immer neuer Messdaten und entsprechender Verläufe immer weiter.
Derzeit läuft das System am DHZB allerdings noch im Textbetrieb – und ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken. Doch ein vorläufiges Fazit hat Meyer bereits gezogen: „Stark vereinfacht gesagt, zeigen unsere Daten, dass postoperative Komplikationen mit Hilfe der neuen Software tatsächlich früher und zuverlässiger vorausgesagt werden konnten, als es dem Menschen im klinischen Alltag möglich wäre – und dass das System immer besser wird, je mehr es lernt.“
Zudem fügt er an, dass Big Data und künstliche Intelligenz in der Medizin zwar großes Potenzial hätten, bislang allerdings nur wenige praktische Anwendungen entwickelt und retrospektiv evaluiert worden seien. Dabei sei das Interesse der Fachwelt groß. So sind auch seine Auswertungen und Ergebnisse in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht worden.
Und, so Meyer: 2019 könne das System in Serie gehen. Er sagt: „Wir können und wollen dem Intensivmediziner die Entscheidungen nicht abnehmen. Aber wir wollen ihm dabei helfen, die richtige Entscheidung sehr früh zu treffen – und dem Patienten damit vielleicht das Leben zu retten.“