Susanne Mitschke hat einen Bachelor-Abschluss in „Business, Economics and Social Sciences“ (Wirtschaftsuniversität Wien) erworben und das Master-Studium „International Management, Leadership & Business Growth“ abgeschlossen – mit Auszeichnung. Sie arbeitete für mehrere Unternehmensberatungen und gründete 2015 das Start-up MindMate, eine App, die in 17 Ländern kontinuierlich auf Rang 1 der Gesundheits-Apps gelistet wird. 2018 wurde die heute 28-Jährige, die in Kaiserslautern geboren wurde und heute in Los Angeles, USA, lebt, in die Liste „30 zukunftsweisende Menschen unter 30“des US-Magazins „Forbes“ aufgenommen. Die Fragen stellte Christoph Berger
Frau Mitschke, herzlichen Glückwunsch – Sie wurden von Forbes in die Liste „30 Under 30“ in der Kategorie „Soziales Unternehmen“ aufgenommen! Was bedeutet es für Sie, in dieser Liste aufgeführt zu werden?
Vielen Dank für die Glückwünsche. Von einem Magazin wie Forbes ausgezeichnet zu werden, ist natürlich ein super Gefühl. Als ich von der Nominierung erfuhr, habe ich mir nur gedacht: ‚Wow – Forbes weiß, was MindMate ist und was wir machen?!‘ Als ich mich dann mit meinen zwei Mitgründern auf der Liste gefunden habe, war das natürlich ein sehr großer Moment für uns, da Forbes international das Wirtschaftsmagazin Nummer 1 ist!
Beflügelt so eine Auszeichnung den geschäftlichen Erfolg Ihres Start-ups MindMate, einer App für ältere Menschen und Menschen mit Gedächtnisschwierigkeiten?
Eine solche Auszeichnung hilft natürlich bei der Glaubwürdigkeit. Leider gibt es einige Menschen, vor allem in Europa, die neuen Technologien erst einmal sehr skeptisch gegenüberstehen und nach Gründen suchen, warum eine Idee nicht funktioniert. Wenn man dann beiläufig bei einem ersten Gespräch erwähnt, dass man eine Auszeichnung vom Forbes Magazin bekommen hat, hilft das natürlich. Abgesehen davon, finden es unsere derzeitigen Firmenkunden natürlich auch super, mit „young potentials“ zusammenzuarbeiten. Und es hilft auch dabei, neue Kunden zu gewinnen.
Was können Nutzer mit der App alles machen?
Die App ist dazu designed, die Gehirnfitness von älteren Menschen zu unterstützen und im besten Fall zu fördern. Unsere Nutzer haben Zugriff auf einen Aktivitätenplan, der sich jeden Tag ändert und verschiedene Übungen für Körper und Geist beinhaltet, sowie Tipps und Tricks und Rezepte rund um das Thema gesunde Ernährung bereitstellt. Die Nutzer können dann auch ihren Fortschritt sehen, zum Beispiel, wie viele Minuten oder gar Stunden sie körperlich aktiv waren. Oder, wie sich ihre geistigen Fähigkeiten entwickeln.
Sie haben in Schottland studiert und leben derzeit im US-Bundesstaat Kalifornien. Ist es im angelsächsischen Bereich leichter, ein Unternehmen zu gründen oder hätten Sie sich eine Gründung auch in Deutschland vorstellen können?
Die Unternehmensgründung in Großbritannien beziehungsweise in den USA ist um einiges einfacher als in Deutschland. Vor allem der bürokratische Aufwand und die Kosten der Unternehmensgründung sind viel geringer. Was noch dazu kommt: Leute einzustellen und wieder gehen zu lassen, ist ebenfalls wesentlich einfacher im angelsächsischen Bereich. Sehr viele Dinge, bei denen in Deutschland noch Stift, Papier und Amtsgänge benötigt werden, sind in UK und den USA automatisiert und online verfügbar – ohne großen Aufwand.
Ältere Menschen sind nicht gerade die bevorzugte Zielgruppe von App-Entwicklern – so scheint es zumindest auf den ersten Blick. Was veranlasste Sie dazu, trotzdem in dem Bereich eine App zu entwickeln?
Ältere Menschen sind die am stärksten wachsende Gruppe, wenn es um Technologie geht. Die American Association of Retired People hat neulich eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass 70 Prozent aller Leute über 50 und 55 Prozent der über 70-Jährigen in den USA ein Smartphone besitzen und nutzen. Zudem sind ältere Menschen sehr loyal. Wir haben sogar mitbekommen, dass MindMate häufig die einzige App ist, die die Menschen benutzen – abgesehen von den vorinstallierten Apps natürlich. Und, zumindest in den USA, ist „Grey Tech“ gerade sehr im Kommen, gerade weil die Verbreitung von Technologie in der Generation 50+ oder sogar 60+ sehr stark zunimmt.
Wie wichtig war für die MindMate-Gründung der private Hintergrund eines Ihrer Mit-Gründer, Roger Arellano, dessen Großvater an Alzheimer erkrankt war und von ihm gepflegt wurde?
Roger war quasi unsere Inspiration und der Grund, warum wir in diesem Bereich angefangen haben. Allerdings hat sich die App in den drei Jahren sehr geändert und verfolgt inzwischen eher die proaktive Herangehensweise an Demenz oder Alzheimer. Wir wissen, dass viele Menschen MindMate zusammen mit ihren Angehörigen, die an Demenz erkrankt sind, benutzen. Allerdings ist Demenz sehr komplex. Menschen in frühen Stadien haben oft gar kein Problem, unsere App zu benutzen, sofern sie vorher schon einmal Technologie benutzt haben. Bei Menschen in späteren Stadien ist das eher schwieriger. Hierfür haben wir Musik eingeführt, die den Zweck einer sogenannten Remeniszenztherapie hat. Damit lassen sich längst vergessene Erinnerungen wiederentdecken. Die Mehrheit unsere Nutzer ist jedoch gesund oder habt leichte Gedächtnisprobleme.
Sehen Sie Ihre App somit auch als einen Beitrag zur Kommunikation zwischen „Jung“ und „Alt“ – und kommt die Kommunikation zwischen Generationen Ihrer Meinung nach oftmals zu kurz?
Ich erwische mich selbst dabei, dass ich mit meiner Familie hauptsächlich „Texte“ – also SMS schreibe, statt anzurufen. Wenn man dann keine „Technik“ benutzt oder benutzen kann, ist das natürlich ein großer Nachteil in der Kommunikation.
Meiner Meinung nach fördert MindMate absolut die Kommunikation zwischen Jung und Alt. Wir hören oft von Nutzern, dass die App ihnen dabei geholfen hat, einen besseren Draht zu ihren Enkelkindern aufzubauen. Wenn Oma und Opa jetzt auch ein Tablet oder Smartphone benutzen können und man gemeinsam Spiele spielen kann, oder sich durch ein technisches Gerät austauschen kann, fördert das natürlich die Beziehung, da die Großeltern doch nicht so „uncool“ sind wie gedacht.
Welchen Beitrag können digitale Lösungen hier beitragen?
Vor allem in der globalisierten Welt, in der man nicht mehr in der gleichen Stadt wohnt wie die Familie, sind digitale Lösungen nicht zu unterschätzen. Ein Telefonat ist toll. Aber ist es nicht besser, wenn man sich dabei noch sehen kann? Vor allem auch, um gemeinsame Themen zu finden mit der „Jungen Generation“, den „Digital Natives“. Und es ist natürlich super, wenn man sich ein bisschen auskennt und mitreden kann.
Auf was kommt es im stark zunehmenden Markt der Gesundheits- und Trainings-Apps vor allem an, was braucht es, um mit einer App erfolgreich zu sein?
Erst einmal ist es wichtig die Entwicklung einer App nicht zu unterschätzen. Viele Leuten denken, dass es sehr einfach ist, eine App zu entwickeln und damit schnell reich zu werden. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben in drei Jahren viele Apps gesehen, die uns kopiert haben oder etwas sehr Ähnliches gemacht haben, die es nun aber alle nicht mehr gibt. Oft wenden sich auch Menschen an mich, die mich um Rat fragen bezüglich ihres Technologieunternehmens. Wenn dann keiner der Gründer programmieren kann, ist das immer schwierig. Im Markt der Gesundheits- und Trainings-Apps ist es wichtig, die Nutzer regelmäßig zu motivieren, sie zu erinnern, warum sie die App überhaupt erst runtergeladen haben, was ihr Ziel ist. Ein benutzerfreundliches und intuitives Design ist dabei genauso wichtig wie das richtige Branding. Und um ehrlich zu sein, gehört wie überall, natürlich auch eine Portion Glück dazu, erfolgreich zu sein.
Weitere Infos unter:
www.mindmate-app.com