Die Faszination, selbst ein bauingenieurwissenschaftliches Studium aufzunehmen, lag für Hans Helmut Schetter in den vielfältigen Aufgabenstellungen, die am Bau und seinem gesamten Umfeld auftreten. Schnell stieg er die Karriereleiter hinauf, 1995 wurde er in den Vorstand der Bilfinger Berger AG berufen. Im karriereführer spricht er über die sich wandelnde Branche, neue Herausforderungen, Anforderungen an Absolventen und seinen eigenen Berufseinstieg. Die Fragen stellte Christoph Berger.
Zur Person
Hans Helmut Schetter wurde 1949 im württembergischen Albstadt geboren. Von 1968 bis 1974 studierte er Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt konstruktiver Ingenieurbau in Karlsruhe. Nach dem Abschluss ging er zur Ed. Züblin AG, wo er bis zum Niederlassungsleiter aufstieg.
1990 kam der Bauingenieur zur Bilfinger Berger AG in die Hauptniederlassung nach Frankfurt am Main, deren Leitung er ein Jahr später übernahm. 1995 folgte der Ruf in den Vorstand. Seine Verantwortungsbereiche liegen heute bei Personal, Technik, Hochbau sowie europäischen und außereuropäischen Beteiligungen. Darüber hinaus lehrt er als Honorarprofessor am Institut für Baubetrieb an der TU Darmstadt. Hans Helmut Schetter ist verheiratet und hat drei Kinder.
Wie sind Sie zu Bilfinger Berger gekommen?
Nach dem Studium des Bauingenieurwesens kam ich 1974 über die Direktansprache eines Vorstandes zur Ed. Züblin AG. Ich stieg in den technischen Innendienst ein und übernahm nach Ende meines zweiten Jahres Bauleitungsaufgaben im Spezialtiefbau. Nach einiger Zeit wurde ich dann Niederlassungsleiter in Frankfurt am Main, bevor ich 1990 zu Bilfinger Berger in die Hauptniederlassung kam, deren Führung ich 1991 übernahm. 1995 wurde ich in den Vorstand berufen. Meine Schwerpunkte sind das operative Baugeschäft, das Polen- Geschäft und der Hochbau in Deutschland. Seit drei Jahren bin ich zudem für den Bereich Personal verantwortlich.
Besuchen Sie bei all den Aufgaben noch hin und wieder selbst die Baustellen?
Es ist natürlich schwierig, ich besuche aber immer wieder selektiv die Baustellen, ausgewählte Projekte, schon allein um mein Auge für die Produktion wachzuhalten.
Welche Einstiegsmöglichkeiten bietet Bilfinger Berger Hochschulabsolventen?
Einsteiger fangen bei uns normalerweise in einer unserer Niederlassungen im Innendienst an. Dort legen wir über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren großen Wert auf die Einarbeitungsphase. Danach wird anhand der Eignung und des Bedarfs über die weitere Entwicklung entschieden.
In Ihrem Brückenbauprojekt in Vancouver wurde gezielt auch Hochschulabsolventen eingesetzt. Ist das normal?
Leitungsaufgaben erfordern natürlich eine gewisse Berufserfahrung, deshalb setzen wir auf den bereits erwähnten klassischen Einstieg: erst Innendienst und dann die Baustelle. Dort haben junge Leute die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu übernehmen.
Was verlangen Sie von Bewerbern?
An erster Stelle steht eine gute Ausbildung, die sich in den Zeugnissen widerspiegelt. Doch da wir in einem sogenannten People-Business arbeiten – der Kontakt zu Menschen ist enorm wichtig – achten wir auch stark auf das Persönlichkeitsprofil der Bewerber, den Charakter. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist immer wichtiger geworden. Darüber hinaus verlangen wir aufgrund unserer dezentralen Projekte Mobilität und im Sinne der beruflichen Spezialisierung Flexibilität, die sich im Laufe des Beruflebens immer mal verändern kann. Da in unserem Metier ständig Entscheidungen getroffen werden müssen, sollten die Kandidaten davor nicht zurückscheuen und den nötigen Durchsetzungswillen mitbringen.
Wie sieht es mit internationaler Erfahrung aus? Ihre Projekte sind weltweit gestreut.
Während des Studiums sollte jede Gelegenheit genutzt werden, ins Ausland zu gehen, dort Erfahrungen zu sammeln und Sprachen zu lernen. Allerdings sollten die Einsätze so gestaltet sein, dass sie das Studium nicht signifikant über die Regelstudienzeit hinaus verlängern.
Wie haben sich die Anforderungen an Absolventen seit Ihrem Berufseintritt verändert?
Zu meiner Zeit lag der Schwerpunkt vor allem auf Technik und Baubetrieb. In einer stabilen Welt haben wir ausschreibungsorientiert angeboten. Heute geht es dagegen mehr und mehr um ganzheitliche, nachhaltige Lösungen. So werden etwa Infrastrukturprojekte in einem Gesamtpaket nachgefragt. In einem solchen Umfeld haben die Anforderungen an das Vertragsmanagement stark zugenommen. Wir brauchen heute gutes Rüstzeug im Umgang mit Bauverträgen, ohne dabei den Juristen ersetzen zu wollen. Steigende Projektgrößen verlangen fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse.
Welches sind die entscheidenden Herausforderungen, denen sich die Branche heute zu stellen hat, und wie begegnen Sie Ihnen?
Die Branche hat in einer langen Rezession einen bitteren Aderlass erlebt. Heute stehen wir vor der Aufgabe, die Profitabilität im Baugeschäft zu verbessern. Chancen bietet das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein, allerdings brauchen wir einen Wechsel vom Preiswettbewerb hin zu einem Kompetenzwettbewerb. Die Kernfrage wird dabei sein: Wie schaffen wir es, die Kosten im Lebenszyklus einer Immobilie zu optimieren. Dies sind die operativen Herausforderungen. Natürlich stehen wir aber, wie alle Unternehmen, auch vor den Herausforderungen des demographischen Wandels und der veränderten Lebensarchitekturen der jungen Generation. Aufgrund veränderter Prioritäten – man denke etwa an das Thema Familie und Kinder – stehen auch wir als Arbeitgeber vor neuen Aufgaben. Wir verlangen nicht nur von den Mitarbeitern Flexibilität, wir wollen als Unternehmen selbst flexibel sein. In meinen Vorlesungen sind heute etwa 30 Prozent der Studierenden weiblich, dieser wichtigen Zielgruppe wollen wir uns nicht verschließen.
Welches sind die momentan herausragenden Bauprojekte von Bilfinger Berger?
Wir haben natürlich viele große Projekte. Zwei möchte ich hier aber hervorheben. Zum einen handelt es sich um unser sechs Kilometer langes Kernstück des Gotthard-Basistunnels. Dort ist eine Welt im Berg mit modernster Technik entstanden. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Baustelle über 800 Meter tiefe Schächte mit allem Nötigen zu versorgen. Von dort aus werden jeweils zwei Tunnelröhren nach Norden und Süden bergmännisch aufgefahren. 2017 soll der Tunnel in Betrieb genommen werden. Bei dem zweiten Projekt mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro handelt es sich um einen neuen Stadtteil mit 6000 Wohnungen für 20.000 Menschen in Katar. Innerhalb von nur drei Jahren bauen wir Barwa City auf einer Fläche von rund 2,7 Millionen Quadratmetern. An dem Projekt arbeiten bis zu 4500 Menschen.
Ihr Tipp an Bauingenieurabsolventen für eine erfolgreiche Karriere?
Fach- und Sozialkompetenz sind gleichermaßen wichtig. Unverzichtbar ist auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dazu sind Entscheidungsfreude und Durchsetzungswille erforderlich. Ein Mitarbeiter, der sich voll und ganz auf sein Projekt konzentriert, wird die besten Ergebnisse erzielen. Und das ist immer eine Empfehlung für weitergehende und nach und nach auch höhere Aufgaben.
Zum Unternehmen
Bilfinger Berger ist ein führender international tätiger Bau- und Dienstleistungskonzern. Als Multi Service Group bietet das Unternehmen im In- und Ausland ganzheitliche Lösungen in den Bereichen Immobilien, Infrastruktur und Industrieservice. Das Leistungsspektrum reicht von Beratung, Entwicklung, Planung und Finanzierung über betriebsfertige Erstellung bis hin zu Instandhaltung und Betrieb.
Entstanden ist das Unternehmen 1975 durch die Fusion traditionsreicher Baugesellschaften, deren Wurzeln bis ins Jahr 1880 zurückreichen. Dazu zählten die Grün & Bilfinger AG, die Julius Berger Tiefbau AG und die Berlinische Boden-Gesellschaft. Damals hieß das Unternehmen noch Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft. Im Zuge der strategischen Neuausrichtung zur Multi Service Group änderte das Unternehmen im Jahr 2001 den Namen zur Bilfinger Berger AG.