StartBauingenieureMax Bögl: Vorstand Markus Richthammer im Interview

Max Bögl: Vorstand Markus Richthammer im Interview

Der bayerische Baukonzern Max Bögl steht für innovative serielle Baukonzepte, man ist sich sicher: Neuen Ansätze wie der Digitalisierung und BIM sowie Lean Management gehört die Zukunft. Markus Richthammer ist als Vorstand Industrie in der Firmengruppe für viele dieser Zukunftsbereiche verantwortlich. Im Interview verdeutlicht er, warum diese Trends für die Branche so bedeutsam sind und welches revolutionäre Potenzial sich aus ihnen ergibt. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Markus Richthammer ist seit Juli 2017 als Mitglied im Vorstand der Firmengruppe Max Bögl tätig. Als Vorstand Industrie verantwortet er die Bereiche Modulbau, Stahl- und Anlagenbau, Roh- und Baustoffe sowie die Unternehmensentwicklung mit den Schwerpunkten Lean Management, Qualitätsmanagement, IT und Building Information Modeling (BIM). Nach seinem Maschinenbaustudium durchlief er bei der BMW-Group zahlreiche Bereiche wie Planung, Einkauf, Produktion und Strategie an verschiedenen Standorten im In- und Ausland. Innerhalb des Automobilkonzerns verantwortete er in den vergangenen Jahren in leitenden Managementpositionen Produktions-, Logistik-, Lean Management, Innovations- und Bereichssteuerungsaufgaben.

Herr Richthammer, Ihr Unternehmen setzt stark auf den seriellen Modulbau. Warum ist dieses Konzept zukunftsfähig?
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt, bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Der politische Druck, zügig in den Wohnungsneubau zu investieren, ist hoch. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erfordert jedoch innovative Konzepte in der Bauwirtschaft – und genau das war unser Anspruch bei der Entwicklung unseres Systems „maxmodul“.

Was ist die Besonderheit des Bausystems?
Mit unserem Team aus Architekten, Ingenieuren und Entwicklern haben wir ein Fertigungswerk zur seriellen Produktion dieser Module für den Geschosswohnungsbau aufgebaut. Unser Ziel ist es, einen maximalen Vorfertigungsgrad zu erreichen. In dem Produktionssystem werden von der Betonage, Montage und Bearbeitung auch alle wesentlichen Ausstattungen verbaut: die technische Gebäudeausrüstung, Böden, Fenster, Elektrik oder auch komplette Bäder inklusive Armaturen. Durch die kurze Bauzeit ergibt sich für die Anwohner der entscheidende Vorteil, dass Bauabfälle sowie Emissionen und Immissionen vermieden werden. So können wir mit einem Kran auf der Baustelle an einem Tag bis zu zehn Module montieren.

Sie sprachen bereits an: Bezahlbarer Wohnraum, gerade in Ballungsräumen, ist aktuell ein wichtiges Thema in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Wie kann serieller Modulbau helfen, diese Herausforderung in Angriff zu nehmen?
Bezahlbarer Wohnraum darf in der Materialauswahl und Anmutung nicht billig sein. Sonst sind wir schnell wieder im Bereich des Plattenbaus. Er muss gestalterisch ansprechend, funktional und qualitativ hochwertig konzipiert und ausgeführt sein. Und selbstverständlich müssen auch alle Vorschriften in Hinblick auf Wärmedämmung und Brandschutz erfüllt werden. Genau hier sehe ich die Vorteile einer seriellen Fertigung modularer Wohnräume sowie standardisierter Logistik- und Montageabläufe auf der Baustelle: Wir können den deutlichen Kostenvorteil mit gleichzeitig immer wiederkehrender hoher Qualitätsausführung erreichen.

Es geht also auch darum, schlanker zu produzieren und zu bauen. Wie hoch ist das Potenzial des seriellen Bauens?
Aus meiner Sicht ließe sich mindestens jedes dritte Gebäude, das in unseren Städten steht, ohne Probleme mit Modulbau realisieren.

Wird das Erscheinungsbild dadurch eintönig?
Nein, denn durch die Vielzahl von Fassadenvarianten und Gestaltungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Balkonen oder Dachterrassen werden Sie nach der Fertigstellung nicht mehr erkennen, ob ein Gebäude konventionell oder mit Hilfe unserer Module gebaut wurde.

Noch immer hält sich der Mythos, jede Baustelle sei grundlegend anders. Haben es deshalb Innovationen wie das Serielle Bauen besonders schwer?
Bauen ist in vielen Bereichen immer eine Wiederholung von Abläufen, Prozessen und Handgriffen. Das muss und darf man nicht jedes Mal anders machen. Die Lösung für die Bauindustrie ist daher die Standardisierung von Prozessen und Abläufen: Wir brauchen mehr standardisierte Projektabwicklung und geeignete Werkzeuge und Methoden wie zum Beispiel Lean oder BIM, um die Komplexität der Bauaufgaben beherrschbar zu machen. Modulares Bauen ist ein weiterer Schritt, um Planungs- und Freigabeprozesse zu beschleunigen, die Baukosten und Bauzeiten deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität zu erhöhen. Durch diese neue Art des Bauens möchten wir zum Imagewandel in der Bauindustrie beitragen – und damit eine kleine Baurevolution auslösen.

Wir brauchen mehr standardisierte Projektabwicklung und geeignete Werkzeuge und Methoden wie zum Beispiel Lean oder BIM, um die Komplexität der Bauaufgaben beherrschbar zu machen.

Wie gewährleisten Sie im Unternehmen die Transparenz sowie die Prozesssicherheit Ihrer Bauprojekte?
Die Baubranche wird auch in Deutschland zunehmend von zwei Entwicklungen geprägt. Auf der organisatorischen Seite richten sich die Prozesse der Projektabwicklung verstärkt nach den Prinzipien des Lean Managements aus. Dies betrifft sowohl die interne Organisation der Bau- und Zuliefererunternehmen als auch die Projektorganisation – hier spricht man dann von Lean Construction. Lean Management bedingt klare Prozessvereinbarungen, eine auf die Wertschöpfung ausgerichtete Prozessoptimierung sowie eine entsprechende Fehlerkultur. Die zweite wichtige Entwicklung ist die Digitalisierung, im Zentrum steht hier BIM. Der Ansatz, die Bauaufgabe zunächst virtuell mit Computermodellen zu planen und Prozesse zu simulieren, ergänzt und erleichtert die Kommunikation durch anschauliche Visualisierungen und ein strukturiertes Datenmanagement. So können wir Risiken, die bei Bauprojekten häufig zu Kostensteigerungen führen, früher und zuverlässiger erkennen, als dies bei einer zeichnungsorientierten Arbeitsweise möglich ist. Digitale Zwillinge erlauben uns vor allem in der Vorfertigung und bei Bausystemen eine interdisziplinäre Optimierung. Auch hier können wir Kosten senken, ohne, dass dadurch die Qualität des Produkts negativ beeinflusst wird.

Begriffe wie Industrie 4.0 oder Pharma 4.0 sind bereits geläufig. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand von Bauen 4.0: Inwieweit werden neue Methoden bereits eingesetzt?
Bauen 4.0 oder auch die Synonyme wie Planen, Bauen und Betreiben 4.0 sind im Vergleich zu den anderen Branchen noch recht jung. Wir bei Max Bögl definieren die digitale und intelligente Vernetzung von Systemen und Prozessen als Fortschritt 4.0. Neben der Nutzung von BIM als Kernmethode geht es dabei meiner Meinung nach um die effiziente Verzahnung und Nutzung von industriellen Anwendungen mit modernsten Informations- und Kommunikationstechnologien. Das Ziel muss sein, Qualität und Effizienz in unseren klassischen Bauprojekten schneller zu erhöhen. Die digitale Planung ist die Basis für die angesprochenen neuen Methoden. Jedoch arbeitet die Branche aktuell an grundlegenderen neuen Methoden. Ein Beispiel ist der Ansatz, die Asphaltierung von der Herstellung über den Transport bis zum Einbau des Asphaltguts mit einer lückenlosen Qualitätsdokumentation aller Prozessschritte zu verfolgen. Hier wird mit modernster Sensorik, smart Devices und smarten Systemen gearbeitet.

Wie ist die Situation bei digitalen High- End-Themen wie Big Data oder Künstlicher Intelligenz?
Diese Grenzen der Digitalisierung sind aktuell im Baubereich nicht im Blickfeld. Vielmehr müssen wir hier im Branchenvergleich aufholen und unsere eigenen Grenzen finden. Die Digitalisierung wird sich aus unserer Sicht schneller weiterentwickeln, als wir sie zu nutzen wissen. Umso wichtiger ist es, sich dann mit Hilfe von Forschung und Entwicklung sowie durch die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen an dieser Grenzlinie zu bewegen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist hier bereits jetzt zum einen die Einbindung der Mitarbeiter über alle Ebenen, zum anderen die entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter im Umgang mit den Methoden der Digitalisierung.

Wie wird sich dadurch die Arbeit der Bauingenieure verändern?
Den Bauingenieur als reinen Techniker zu beschreiben, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Zusätzlich zu den klassischen Anforderungen an einen Ingenieur wird heute ebenso gefordert, sich mit Lean-Werkzeugen zu beschäftigen sowie die neuen Methoden der Digitalisierung aktiv voranzubringen. Es wird immer mehr von Bedeutung werden, dass sich Bauingenieure schnell in unterschiedlichen Firmenkulturen sowie im interkulturellen Umfeld bewegen – und hier auch schnell eigene Akzente setzen.

Welche Skills nehmen dabei an Bedeutung zu?
In der heutigen Zeit ist weniger Improvisationstalent entscheidend – sondern vielmehr Organisations- und Planungstalent. Wichtiger denn je wird dadurch eine Offenheit für neue Wege, aber auch ein gesteigertes Bewusstsein für Qualität.

Zum Unternehmen

Mit mehr als 6.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr 1,65 Mrd. Euro zählt Max Bögl mit Hauptsitz in der bayerischen Gemeinde Sengenthal bei Neumarkt i. d. OPf. zu den größten Bau-, Technologie- und Dienstleistungsunternehmen. Zum Leistungsspektrum und zur Wertschöpfungstiefe zählen eigener Stahlbau und eigene Fertigteilwerke sowie ein moderner Fuhr- und Gerätepark. Geschäftsmodell ist es, den Kunden der Firmengruppe von der ersten Konzeptidee bis zum fertigen Bauprodukt zu begleiten. Im Projektmanagement, in der Projektabwicklung sowie beim Thema Arbeitssicherheit setzt das Unternehmen neueste IT- und BIMTechnologien sowie Lean Management ein, um den Kunden reibungslos ineinandergreifende Produktions- und Logistikprozesse zu bieten.

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