Im Bereich der reinen Informatik liegt der Frauenanteil unter den Studierenden bei 17 Prozent, im Bereich Ingenieurinformatik/Technische Informatik sogar nur bei 13 Prozent. Dr. Isabel Roessler vom CHE Centrum für Hochschulentwicklung nennt Gründe für dieses unausgeglichene Verhältnis. Die Fragen stellte Christoph Berger.
Frau Dr. Roessler, anders als in der Mathematik oder Biologie ist der Frauenanteil in der Informatik beziehungsweise IT-Branche weiterhin sehr gering. Woran liegt das: Ist es die Technik, die Frauen abschreckt, ein solches Studium zu beginnen oder die von Männern dominierte Branche?
Bei der Informatik gibt es einen ganz spannenden Aspekt: In den 1940er- Jahren war der Informatikbereich noch ein Frauenbereich – damals ging es zum Beispiel um Bomber-Zielberechnungen. Diese wurden vor allem von Frauen durchgeführt. Doch das Verhältnis von damals zu heute hat sich grundlegend gedreht. Dafür gibt es unterschiedliche Ursachen: Vor allem ist es eine Frage der Sozialisation, die Vermittlung von gesellschaftlichen Geschlechterrollen. Frauen gehören in der gesellschaftlichen Sicht noch immer in die sozialen, kommunikativen und kreativen Bereiche. Dabei wird jedoch übersehen, dass der IT-Bereich durchaus auch kreativ und kommunikativ sein kann. Das wird allerdings nicht in den Vordergrund gestellt. Hinzu kommt, dass zwar junge Mädchen etwas im MINT-Bereich machen wollen, dieser Wunsch bis zum Alter von 15 oder 16 Jahren aber meist verlorengegangen ist – wegen der bereits genannten Gründe.
Zur Person
Dr. Isabel Roessler arbeitet am CHE Centrum für Hochschulentwicklung als Senior Projektmanagerin. Im Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „FRUIT: Frauen in IT“ ist sie für das Gesamtprojekt verantwortlich sowie für die Auswertungen der Befragungsergebnisse. Als promovierte Sozialwissenschaftlerin bringt sie ihre Expertise in qualitativer sowie quantitativer Forschung in das Projekt ein. Weitere Informationen zum Projekt: www.che.de/fruit
Demnach scheinen auch die Initiativen und Projekte, die mehr Frauen in das Informatik-Studium bringen sollen, nicht zu greifen?
Es stimmt, der Übergang in das Studium gelingt nicht. Es bräuchte mehr Initiativen wie die Baden-Württembergische Landesinitiative Frauen in MINT-Berufen. Unter anderem gibt es dort eine Reportagereihe, in der „MINT-Frauen berichten“. Die Initiative zeigt damit Vorbilder. Es werden Informationen zu Studium und Beruf gezielt aufbereitet, ein MINT-Schnelltest hilft bei der Wahl des passenden MINT Faches. Das Portal betreibt auch eine sehr aktive Facebookseite und erreicht damit Zielgruppen, die andernfalls möglicherweise nicht auf die Angebote und Informationen aufmerksam würden.
Welche Signale setzt die IT-Branche nach ihren Beobachtungen selbst ab, um das Geschlechterverhältnis ausgewogener zu machen?
Deutlich ist, dass die IT-Unternehmen von einem steigenden Bedarf an IT-Fachkräften ausgehen. Sie fordern da auch einen Anstieg der Studierendenzahlen, allerdings nicht speziell bezogen auf Frauen. Aufgefallen ist ihnen aber trotzdem, dass der Akademikerinnen-Anteil in der IT bei konstant 17 Prozent liegt, insgesamt betrachtet aber fast 40 Prozent erreicht hat. Trotzdem ist noch nicht erkennbar, dass die Branche das Rekrutierungspotenzial bei Frauen erkannt hat – anders als in Irland, wo der Frauenanteil in der IT bei 40 Prozent liegt.
In Ihrem Projekt „Fruit“ zur Studiengestaltung setzen Sie auf Flexibilität, Interdisziplinarität und einen Praxisbezug – allesamt Begriffe, die mit IT-Projekten immer wieder in Verbindung gebracht werden. Haben die IT-Unternehmen diese Projekt-Eigenschaften auch in ihren Unternehmenskulturen verankert?
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist ein ganz großes Thema. Dabei bedeutet Flexibilisierung nicht nur in Teilzeit zu arbeiten, sondern tatsächlich flexibel zu sein: beispielsweise eher morgens oder abends zu arbeiten. Dazu gehört aber auch die Ermöglichung der Elternzeit für Männer. Diese Themen sind sehr en vogue und ich glaube, dass die IT-Branche das mitnimmt.
Was könnten Unternehmen noch machen, um zu mehr Ausgeglichenheit zu kommen?
Neben der Flexibilisierung geht es ganz stark um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was zum Beispiel auch den Ruf nach Betreuungsangeboten nach sich zieht. Hierbei liegt eine Schwierigkeit darin, dass viele Unternehmen der Branche relativ klein oder mittelständig sind. Da ein hausinternes Betreuungsangebot zu integrieren, ist kompliziert. Eine weitere, immer gern gesehene Maßnahme, sind das bereits erwähnte Zeigen von Vorbildern, die Vorstellung von Frauen, die im IT-Bereich tätig und erfolgreich sind und die vielleicht auch Unternehmen leiten.