Das Industrial Internet ermöglicht der Industrie bahnbrechende Effizienzgewinne und gänzlich neue Geschäftsmodelle. Eines der revolutionärsten Konzepte ist die virtuelle Abbildung eines realen Produktionsteils über den gesamten Produkt-Lebenszyklus hinweg: der digitale Zwilling. Von Marc Dietrich, Aviation Program Manager und User Experience Designer, GE Global Research Europe
Digitale Zwillinge eignen sich perfekt für die Zustandsüberwachung in Echtzeit, eine darauf aufbauende vorausschauende Wartung der Anlagen und auch für Prognosen und Tests beziehungsweise „Performance Scenarios“, die auf zukünftige Anwendungen abzielen und risikolos simuliert werden können, ohne den operativen Betrieb zu gefährden. Digitale Zwillinge verändern die Branche radikal. Sie machen den Betrieb effizienter und eröffnen dadurch Wachstumschancen.
GE wendet die Digital-Twin-Technologie als Pionier dieser Entwicklung bereits für 800.000 industrielle Anlagen weltweit an, Tendenz steigend. Virtuell abgebildet und animiert werden Technologien sämtlicher Industriebereiche, etwa Windenergieanlagen, Flugzeugtriebwerke und ganze Kraftwerke. Auch die Pipeline-Inspektion ist ein wichtiges Feld. Mit den digitalen Modellen kann die Beanspruchung wesentlicher Teile mittels Sensorik und entsprechender Analysen am PC repliziert werden. Serviceeinsätze werden entlang der voraussichtlichen Nutzung ideal abgestimmt, der laufende Betrieb wird optimiert, Ausfallzeiten können entscheidend minimiert werden. Gerade in der Luftfahrtbranche ist das von essenzieller Bedeutung. Das merke ich in meinem Job als Aviation Program Manager und User Experience Designer im europäischen Forschungszentrum von GE bei München jeden Tag.
Anlagen, Informationstechnologien und operative Prozesse müssen ineinander greifen, damit ein digitaler Zwilling entstehen kann. Je mehr Parameter diesen beschreiben und je zeitnaher und umfangreicher die relevanten Daten verfügbar sind, desto schärfer wird das Abbild des Zwillings zum realen Objekt. Ein digitaler Zwilling ist demnach kein statisches Element, es wächst quasi heran wie ein Lebewesen und erhält über die Zeit neue Eigenschaften. Mit Kunden suchen wir geeignete Anwendungsfelder, in denen digitale Zwillinge in Bezug auf den aktuellen Reifegrad des Umfelds sinnvoll sind. Dann versuchen wir zu verstehen, welche Daten relevant sind, wo und wie diese einbezogen werden können und welche Schlüsse sie zulassen, um die Effizienz zu erhöhen und Ausfälle zu vermeiden.
Im Kontext des Digital-Twin-Konzepts wird transparent, wie sehr sich informationstechnische Aspekte und geschäftsbezogene Perspektiven annähern und verschmelzen. Mein Studium in Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen, das ich in Berlin absolviert habe, hat hier die Grundlage geschaffen, diese Szenarien ganzheitlich zu verstehen und selbst aufbauen zu können – von der wirtschaftlichen Relevanz für das Unternehmen bis hin zur technischen Anforderung. Mich reizt die Kombination aus wirtschaftlichen, hardware- und informationstechnischen Faktoren und die Tatsache, einen Beitrag dazu zu leisten, die Luftfahrtindustrie mit modernsten Technologien noch effizienter und sicherer zu machen.