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Syndikus: Dr. Siegfried Schwung im Interview

Dr. Siegfried Schwung leitet beim Automatisierungsspezialisten Kuka die Rechtsabteilung. Bestimmt wird seine juristische Arbeit vom rasanten Wandel, der sich aus den Industrie-4.0-Themen wie der künstlichen Intelligenz und dem Internet der Dinge ergibt. Die Fragen stellte André Boße

Zur Person

Dr. Siegfried Schwung, 63 Jahre alt, leitet als Chefsyndikus bei Kuka die Full-Service-Rechtsabteilung des Unternehmens. Der Jurist begann seine Karriere als Syndikusanwalt im Auslandsbereich des Baukonzerns BiIfinger Berger. Anschließend war er mehr als 20 Jahre im Daimler-Konzern tätig, unter anderem als General Counsel bei Mercedes-Benz U.S. International, Leiter Kapitalmarktrecht sowie Chefsyndikus der Daimler Financial Services. Vor seinem Einstieg bei Kuka war er als niedergelassener Anwalt tätig, unter anderem leitete er für Thümmel Schütze & Partner das Büro in Singapur.

Herr Dr. Schwung, wie hat sich Ihrer Ansicht nach generell die Arbeit eines Syndikusanwalts in einem Unternehmen gewandelt?
Der Syndikusanwalt nimmt generell am Wandel eines Unternehmens teil. Seine Kernkompetenzen, neben der Beherrschung der relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen, liegen also in der tiefen Kenntnis des Unternehmens, seiner Produkte und des Umfeldes, in dem es geschäftsaktiv ist. Ändern sich diese Rechtstatsachen, dann muss der Syndikusanwalt auf der Höhe der Entwicklung sein.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?
Industrie 4.0 ist ein gutes Beispiel. Für die hierunter fallenden Geschäftsmodelle müssen etwa Verträge entworfen werden, für die bisher noch in keinem Praxishandbuch Muster zu finden sind. Die besonderen Skills liegen folglich in der völlig eigenständigen Gestaltung von Vertragsstrukturen und -texten – und dies in der Mehrzahl der Fälle nach angelsächsischem Aufbau und in englischer Sprache. In einem von neuen Technologien geprägten Unternehmen gewinnt zudem der gewerbliche Rechtsschutz an Bedeutung, im Hinblick auf vermehrt in Betracht kommende Kooperationen auch das Kartellrecht. Kernthema bleibt das Gesellschaftsrecht.

Und klassische Rechtsstreitigkeiten?
Hier vergeben wir weitgehend Mandate an externe Kanzleien, die vor allen Dingen im Prozessrecht und mit den Usancen am konkreten Gericht mehr Erfahrung besitzen. Die Rechtsabteilung steuert die Prozesse.

Wie sehen Sie Ihre Rolle im Unternehmen: Betrachten Sie sich als einen rechtlichen Berater, der zwar im Unternehmen arbeitet, aber eine unabhängige Stellung einnimmt?
Der Syndikusanwalt ist als Organ der Rechtspflege unabhängig – und das vielleicht sogar noch stärker als die externen Rechtsanwälte, die sich ihr nächstes Mandat sozusagen verdienen müssen. Dies zeigt sich gelegentlich bei gutachterlichen Stellungnahmen, bei denen die Inhouse-Option mit der gestellten Rechtsfrage durchaus konservativer umgehen kann. Andererseits darf der Syndikusanwalt aber nicht eine unternehmerische Einstellung vermissen lassen: Er sollte mit gut vertretbaren Standpunkten Verantwortung übernehmen.

Wir haben erst Recht 2.0 – die Industrie ist aber schon weiter.

Wie organisieren Sie die Kooperation mit Kanzleien, die extern für das Unternehmen arbeiten?
Kanzleien sind Partner und arbeiten komplementär. Ein Konkurrenzdenken verbietet sich. Entscheidend ist das Arbeitsverhältnis zu den jeweiligen Partnern und Associates, mit ihnen muss höchstes Vertrauen bestehen. So sind die Arbeitsergebnisse der externen Kanzlei immer über die Rechtsabteilung einzusteuern, die ja die Federführung beansprucht. Funktioniert das nicht, etwa durch eine unkoordinierte Direktansprache des Mandanten im Unternehmen, haben wir ein Problem. Kostenmanagement ist wichtig, da die Rechtsabteilung das Budget zu verantworten hat. Bei Kuka gibt es eine Liste der bisher mandatierten Kanzleien mit Bewertungen, auf die bei neuen Mandaten zurückgegriffen werden kann.

Kuka ist ein besonderes Unternehmen, es gilt als einer der wichtigsten Treiber für die Themen Automatisierung und Industrie 4.0. Welche besonderen Themen bestimmen Ihre Arbeit?
Der dynamische Wandel und das internationale Umfeld kennzeichnen die Arbeitsfelder des Unternehmens. In Kontakt kommen wir überwiegend mit Ingenieuren, die sich immer wieder neu aufkommenden Projekten, wie jetzt im Hinblick auf die künstliche Intelligenz und anderen disruptiven Technologien, widmen. Unsere Rechtsabteilung ist also sehr technologieaffin, und wir erleben geradezu aufregende Zeiten. Wer sich als Jurist mit Themen wie dem Internet der Dinge, Künstlicher Intelligenz und Automatisierung beschäftigt, stößt schnell auf interessante juristische Fragen.

Welche dieser neuen Themen empfinden Sie als besonders interessant?
Natürlich ist das Haftungsthema überaus relevant, da muss bei der Beschreibung des Leistungsversprechens genau gearbeitet werden. Leider lässt sich die Haftungsproblematik im Geschäft mit anderen Unternehmen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes durch AGBs schlecht interessengerecht ausgleichen. Die Industrie hofft insofern auf eine überfällige Korrektur durch den Gesetzgeber.

Es scheint, dass in einigen Bereichen die Technik schon weiter ist als das Recht. Zum Beispiel eben auch bei Haftungsfragen im Bereich der Industrie 4.0.
Dem stimme ich zu. Wir haben erst Recht 2.0 – die Industrie ist aber schon weiter.

Ist das eine neue Entwicklung – oder hatte das Recht es schon immer schwer, mit der technischen Entwicklung mitzuhalten?
Leider hinkt die Rechtsordnung, sowohl mit Blick auf die Gesetze als auch auf die Rechtsprechung, der Entwicklung seit jeher hinterher. Das beruht darauf, dass regelmäßig eine Ex-post-Betrachtung angestellt wird, also eine Beurteilung aus nachträglicher Sicht.

Mit gut vertretbaren Standpunkten Verantwortung übernehmen.

Inwieweit wirken sich Geschäftsmodell und Strategie von Kuka auch auf die Organisation des Unternehmens aus?
In der Tat befindet sich die Kuka in einer Phase der Neuaufstellung. Dabei ist die Rechtsabteilung mit der Nachziehung der rechtlichen Organisation involviert. Eine Herausforderung stellt die Gestaltung von rechtlich unkritischen virtuellen Konzernstrukturen dar. So dürfen beispielsweise gesellschaftsübergreifende Berichtswege – Stichwort: Matrix im Konzern – weder zu ungewollten Betriebsstätten und Arbeitsverhältnissen noch zu Haftungsdurchgriffen führen. Sorgfältiger Prüfung bedürfen auch Aspekte des Datenschutzrechtes, das sich bekanntlich selbst im Umbruch befindet.

Mit Blick auf Einsteiger, die von der Hochschule kommen und sich für eine Karriere als Syndikusanwalt interessieren: Welche fachlichen und beruflichen Perspektiven machen Ihren Beruf interessant?
Der Syndikusanwalt ist Rechtsanwalt und arbeitet entsprechend diesem Berufsbild. Das heißt, die Berufswahl muss zunächst schon bewusst auf die des Rechtsanwalts fallen. Das Interessante ist, dass wir uns mit kompletten Sachverhalten befassen und nicht nur mit Teilaspekten – wenn also ein Mandant bei hohem Leidensdruck ab einem bestimmten Punkt nicht mehr um anwaltliche Hilfe herumkommt.

Lesetipp der Redaktion:

The Rise of Robots and the Law of Humans
In einem Aufsatz hat sich Dr. Horst Eidenmüller, Professor für Wirtschaftsrecht an der University of Oxford, mit dem Aufkommen der Robotik und dem menschlichen Recht auseinandergesetzt: https://goo.gl/9c7ajr
Interview zur Thematik:
https://goo.gl/L6XGmc

Welche Skills sind notwendig?
Für eine Tätigkeit im Unternehmen empfiehlt sich stets eine gute Portion Unternehmergeist. Das einzubringende Herzblut macht den Arbeitstag besonders reizvoll, denn nichts stellt sich als eine reine akademische Übung dar.

Und wie beurteilen Sie die Karriereaussichten als Syndikusanwalt?
Gute Juristen mit Persönlichkeit werden immer eine Chance haben. Durch die rasante Verrechtlichung des Geschäftslebens – man denke nur an die Flut von Regulierungen aus Brüssel – wird der Bedarf an Syndikusanwälten eher zu- als abnehmen. Daran dürfte auch Legal Tech nichts ändern, also die Automatisierung bestimmter anwaltlicher Dienstleistungen. Und übrigens hätte ich meiner Tochter nicht zum Jurastudium geraten, wenn das Ergebnis nur eine brotlose Kunst wäre.

Zum Unternehmen

Kuka ist ein international tätiger Automatisierungskonzern mit einem Umsatz von rund drei Milliarden Euro und mehr als 13.000 Mitarbeitern. Als einer der weltweit führenden Anbieter von intelligenten Automatisierungslösungen bietet das Augsburger Unternehmen den Kunden alles aus einer Hand: Von der Komponente – dem Roboter – über die Zelle bis hin zur vollautomatisierten Anlage in den Branchen Automotive und in der General Industry. Kuka treibt Industrie 4.0. und damit die digital vernetzte Produktion voran.

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