Bauvorhaben begleiten uns auf Schritt und Tritt. Ob man in einem privat gebauten Eigenheim lebt, eine Brücke nach deren Sanierung überfährt, die ertüchtigte Strecke der Eisenbahn nutzt oder die Berichterstattung über die neue Elbphilharmonie in Hamburg oder den Flughafen Berlin liest: Immer und überall wird gebaut. Dies eröffnet dem Baurechtler ein unerschöpfliches und abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld, welches insbesondere auch die baubegleitende Beratung umfasst. Von Dr. Birgit Franz, Partnerin bei Leinemann Partner Rechtsanwälte mbB
Wird der Anwalt auf Seiten des Bauherrn tätig, so beginnt sein Einsatzbereich mit der Projektierung des Vorhabens, erstreckt sich über die Auftragsvergabe bis hin zur Bauabwicklung. Hier unterstützt er den Auftraggeber in Fragen der geänderten Bauausführung ebenso wie bei regelmäßig auftretenden Bauzeitverlängerungen und damit in Zusammenhang stehenden zusätzlichen Vergütungsansprüchen des Bauunternehmers, Architekten oder Ingenieurs sowie natürlich beim Auftreten von Mängeln. Letzteres nimmt in der Praxis allerdings – entgegen der landläufigen Meinung – erfreulicherweise den kleinsten Teil der anwaltlichen Tätigkeit ein.
Auf Seiten des Auftragnehmers geht es in erster Linie um die Wahrung ihrer Vergütungsinteressen sowie die Realisierung der entsprechenden Forderungen. Hier ist der Baurechtler gefragt, gemeinsam mit dem Mandanten herauszufinden, welche Leistungen vereinbart sind – ob beispielsweise eine im Zuge von Straßenbaumaßnahmen in der Trasse vorgefundene Wasserleitung vom Unternehmer zu verlegen ist und ob er hierfür eine gesonderte Vergütung beanspruchen kann – und wie ein Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung begründet werden kann.
Gemeinsam entwickelt wird regelmäßig auch die Frage, wie sich die Vergütung bemisst und anschließend, welche Möglichkeiten bezüglich der Durchsetzung des Anspruchs bestehen. In all diesen Situationen steht der Anwalt dem Mandanten mit Rat und Tat zur Seite. Hierzu muss er die technischen Bedingungen der jeweiligen Bauleistung erfasst haben. Er muss wissen, wovon der Mandant spricht, wenn er einen „Berliner Verbau“ oder eine „überschnittene Bohrpfahlwand“ erwähnt.
Genau das macht den Reiz des Baurechtlers aus: Er ist immer wieder gefordert, sich mit ihm bisher unbekannten Sachverhalten auseinanderzusetzen, sich in diese hinein zu fuchsen und vor allem vermittelnd – um nicht zu sagen übersetzend – als Bindeglied mit anderen Nichttechnikern und gegebenenfalls dem Gericht zu agieren. Er darf keine Scheu davor haben, sich auf der einen Seite von einem hemdsärmeligen Polier im zugigen Baucontainer die Ausführung einer „weißen Wanne“ erläutern zu lassen und auf der anderen Seite mit der Geschäftsleitung die juristische Taktik für die Verhandlungen mit der Gegenseite zu besprechen. Kurzum: Baurecht – das ist eine ausgesprochen vielseitige, spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit.