Bei Belastungsversuchen an der historischen Gewölbebrücke über die Aller bei Verden konnte das Tragverhalten der Gewölbe bei bis zu 600 Tonnen Belastung untersucht werden. Die Versuche erlauben den Forschern, ihre numerischen Modelle so zu verfeinern, dass viele historisch und baukulturell wertvolle Gewölbebrücken erhalten werden können. Von Dr.-Ing. Gregor Schacht, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Massivbau der Leibniz Universität Hannover.
Am 26. Oktober 2015 fuhr der letzte Güterzug über die historische Gewölbebrücke über die Aller bei Verden. Nach über 150 Jahren wurde der Verkehr auf die neue wellenförmige Stahlbrücke, gleich neben der aus vielen einzelnen aneinander gereihten Gewölben bestehenden historischen Brücke umgeleitet. Der Zustand der Gewölbebrücke hatte sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verschlechtert, was gerade auf die starke Durchfeuchtung des Mauerwerks zurückzuführen war. Diese Schäden und das steigende Verkehrsaufkommen führten zu der Entscheidung eines Brückenneubaus.
Dieses Schicksal droht auch den über 5000 anderen historischen Gewölbebrücken im Bestand der DB AG, da die vorhandenen rechnerischen Modelle die Tragsicherheit zu stark unterschätzen. Die meisten dieser Gewölbebrücken bedürften nur geringer Instandsetzungen zur Wiederherstellung der Abdichtung und der Mauerwerksfugen. Ein Abbruch wäre oft unnötig, wenn die Tragfähigkeit auch für die zukünftige Beanspruchung sicher nachgewiesen werden könnte.
Zudem stellen sie neben ihrem Nutzen auch einen bedeutenden baukulturellen Wert dar. Da der Abbruch der Allerbrücke in Verden bereits beschlossen war, bot sich hier die einmalige Gelegenheit, mithilfe von Belastungsversuchen Kenntnisse über das Tragverhalten von Gewölbekonstruktionen in der Nähe des Bruchzustandes zu erlangen.
Bei dem Traglastversuch wurde einer der Brückenbögen halbseitig mit maximal 600 Tonnen belastet. Die Belastung wurde durch vier Hydraulikzylinder erzeugt, die über Gewindestangen und Verpressanker unter der Brücke im Boden verankert waren, sodass der Kräftekreislauf geschlossen war. Um das Tragverhalten möglichst genau zu erfassen, setzte das Forscherteam aus Hannover, Leipzig, Berlin und Oldenburg eine Vielzahl von modernsten Messverfahren zur Verformungsmessung wie hochgenaues Laserscanning und Photogrammetrie ein.
Der Belastungsversuch bestätigte die hohe Belastbarkeit von Gewölbebrücken. Der Bogen zeigte erst unter der maximalen Versuchsbelastung von 600 Tonnen erste Anzeichen einer Überbeanspruchung, war aber noch weit von einem Versagen entfernt. Die Ergebnisse des Belastungsversuches werden zurzeit ausgewertet. Diese sollen anschließend mit den Ergebnissen der numerischen Simulationen zum Tragverhalten verglichen werden. Dadurch können Computermodelle kalibriert und verifiziert werden, damit zukünftig bessere Prognosen zur Tragfähigkeit historischer Gewölbekonstruktionen möglich sind.