Teilen statt besitzen: Wie verändert die Sharing Economy die Automobilwirtschaft? Von Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen
Die Autobauer stehen vor einem Scheideweg. Mehr als hundert Jahre lebten sie in einer Welt, in der Käufer die Autos besitzen wollten. Autofahrer kaufen das Fahrzeug, fahren einige Jahre damit und verkaufen es danach als Gebrauchtwagen, um sich ein neues zu leisten. Tatsächlich nutzt man das Auto vielleicht 30 Minuten am Tag und bezahlt zusätzlich Parkgebühren, Steuern, Versicherung und die Wartung. Ein sehr teurer Spaß, um jederzeit bequem von A nach B zu kommen.
Buchtipp
Ferdinand Dudenhöffer: Wer kriegt die Kurve? Campus Verlag 2016. 24,95 Euro
Mit der modernen Informationstechnologie und dem Smartphone können wir die Produktivität unserer Autos enorm steigern und trotzdem einen ähnlichen Komfort zu deutlich niedrigeren Kosten realisieren. In urbanen Räumen macht sich das neue Geschäftsmodell in vielerlei Facetten breit:
Erstens mit den Ride-Hailing- oder Fahrdienstanbietern wie Uber, dem chinesischen Unternehmen Didi Chuxing, dem US-Amerikaner Lyft oder Daimlers MyTaxi. Per Smartphone-App können Fahrgäste Fahrten buchen. Die schnelle Verfügbarkeit und der Preisvorteil gegenüber konventionellen Taxen sind die Wettbewerbsvorteile. Die niedrigeren Fahrpreise beruhen zum Teil auf Gelegenheitsfahrern, die sich eine Art „Zubrot“ verdienen. Bezahlt wird per Kreditkarte an den Vermittler, der im Fall von Uber bis zu 20 Prozent der Fahreinnahmen für seine Leistungen einbehält.
Der zweite Weg sind die Mitfahrzentralen. Marktführer ist das französische Unternehmen BlaBlaCar, das in 22 Ländern vertreten ist. Im Gegensatz zu den Fahrdienstvermittlern spielt bei BlaBlaCar der Abgleich von Persönlichkeitsprofilen von Fahrern und Mitfahrern eine größere Rolle. BlaBlaCar hat 25 Millionen Mitglieder und zählt jährlich weltweit 40 Millionen Reisende. Eine ganze Reihe weiterer Mitfahrzentralen offeriert über Smartphone-Funktionen ähnliche Mitfahrgelegenheiten.
Neben den beiden Ride-Hailing-Systemen boomen die Carsharing-Modelle. Stationsgebundenes Carsharing ist heute die am weitesten verbreitete Form. Daneben verbreitet sich in Großstädten das stationslose Carsharing wie Car2Go oder DriveNow, bei dem das Fahrzeug in einem bestimmten Umkreis einfach beliebig abgestellt werden kann und per Smartphone gefunden wird. Eine dritte Variante: Jeder kann sein Auto anbieten, wenn er es gerade nicht braucht.
Die Sharing Economy boomt, die Systeme und Modelle werden in hoher Geschwindigkeit weiterentwickelt. Ihre größte Entfaltungsmöglichkeit hat die Sharing Economy in China. Chinesen sind mit mehr als 625 Millionen Smartphone-Nutzern außerordentlich internetaffin. Bereits 2015 hatte der chinesische Fahrdienstvermittler Didi mehr als 14 Millionen registrierte Fahrer. Die Zuwachsraten sind atemberaubend. Möglich ist diese Entwicklung durch billiges Flatrate-Internet.
Der Wert des Autos für unsere Gesellschaft steigt durch die Möglichkeiten der Sharing Economy, denn jetzt können viele von der Investition in ein Auto profitieren. Ein Schwarm an Autos erlaubt heute intelligentere Nutzungen. Wesentliche Impulse zu diesen Änderungen hat – wie beim selbstfahrenden Auto und beim Elektroauto – das Silicon Valley in Kalifornien gegeben. Mit diesen radikalen Innovationen werden sich auch die Autobauer verändern. Die Regeln der Branche werden neu geschrieben.